"最终斗争"中的德国司法:在战争结束或国家社会主义“司法”停滞之后的(个人)连续性,新的开始之后?

Bernd Sangmeister
{"title":"\"最终斗争\"中的德国司法:在战争结束或国家社会主义“司法”停滞之后的(个人)连续性,新的开始之后?","authors":"Bernd Sangmeister","doi":"10.5771/2193-7869-2022-4-301","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Der Beitrag ist eine – ausführliche – Rezension der juristischen Habilitationsschrift von Benjamin Lahusen: „Der Dienstbetrieb ist nicht gestört“ - “Die Deutschen und ihre Justiz 1943 – 1945\". Ausgehend von der These eines auch durch den Zusammenbruch von 1945 nicht gestörten Dienstbetriebes schildert Lahusen einleitend die „außerordentliche Normalität\" der deutschen Justiz im von Goebbels 1943 ausgerufenen \"totalen Krieg\". Das erste Kapitel ist dann u. a. der Dogmatik des \"Iustitiums\" gewidmet, also des Stillstands (auch) der Rechts-\"Pflege\", dessen Ausrufung es im Endkampf aus politischen Gründen zu vermeiden galt. 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摘要

这篇文章对本杰明·拉胡森修改的法律典评内容作了详细的评论:“劳动不受干扰”“1943年德国及其司法机关在1945年”根据这一论断,拉乌森在1943年戈培尔发动的“总战争”中创造了德国司法的“异常常态”(尽管这一信条并未引起1945年崩溃)。这就解释了为什么几乎所有人都接受了这一做法。作者在接着的一段中模仿“德国人灵魂的踪迹”,描述了整个德国人日常生活的一些特征,也就是所谓的“德国森林的阴影”。与这一说法截然不同的是莱欣对奥斯维辛地方法院进行的调查,以及他们编写的色彩作品的基本事实——从历史上看,这也许是本书的高潮:读者在目前还不为人知的、非人性的“因工而灭绝”的专制统治下进行的残酷的展示。重要的一点是——对于一个今天被广泛遗忘的亚式法官的职业生涯的描述:事实上,奥普尔图斯本人作为他的前任“特别法庭”法官,在1945年之后毫不费力地回到了新的法律常态之中。“法学家可以比任何人都容易离职。”——拉胡森他有关1943年至1945年的详细记载最终在“一条越来越快的深渊(也就是峡谷崩溃)内的河床上宣告完毕,河水是湍急的河流”。最后,在1945年5月投降的背景下,拉合森想知道司法工作是否(仅仅)陷入了僵局,以及在此之后司法系统是否试图将战争“脱离法治”并恢复“正常”。“莱丝”的写作是以透彻和可靠的档案研究为基础的。他们的重点不是因为战争破坏司法的法律问题(参路二三合会)。§245 ZPO),而是一个历史性的摘要"和" Dienstbetrieb司法在那些年头Zeitenwende或.“Wende-Zeit . "莱辛的作品还有其他的法务问题需要关注这已经超出了常规的评论范围例如,这也适用于1945年后德国司法的断层同样提出的问题。最后,我们拿著名作品赞扬莱福斯的研究作话说。
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Die deutsche Justiz im „Endkampf“: (Personelle) Kontinuität nach Kriegsende oder Stillstand nationalsozialistischer „Rechtspflege“ und nachfolgender Neuanfang?
Der Beitrag ist eine – ausführliche – Rezension der juristischen Habilitationsschrift von Benjamin Lahusen: „Der Dienstbetrieb ist nicht gestört“ - “Die Deutschen und ihre Justiz 1943 – 1945". Ausgehend von der These eines auch durch den Zusammenbruch von 1945 nicht gestörten Dienstbetriebes schildert Lahusen einleitend die „außerordentliche Normalität" der deutschen Justiz im von Goebbels 1943 ausgerufenen "totalen Krieg". Das erste Kapitel ist dann u. a. der Dogmatik des "Iustitiums" gewidmet, also des Stillstands (auch) der Rechts-"Pflege", dessen Ausrufung es im Endkampf aus politischen Gründen zu vermeiden galt. Im anschließenden Abschnitt folgt der Autor im Rahmen einer Montage den "Spuren der deutschen Seele", und zwar mit der Schilderung des allgemeinen, (auch juristisch banalen) Alltags, und zwar am Beispiel einer fiktiven, "im Schatten des deutschen Waldes" gelegenen Kleinstadt. Kontrastiert wird diese Darstellung mit dem Ergebnis von Lahusens Recherchen zum Amtsgericht Auschwitz und dessen für die IG Farben geführten Grundbücher – aus historischer Sicht wohl der Höhepunkt des Werkes: der Leser schaut in bisher nicht bekannte Abgründe einer unmenschlichen, von "Vernichtung durch Arbeit" geprägten Willkürherrschaft. Kaum weniger bedeutsam – die Schilderung der Karriere eines heute weitgehend vergessenen Aachener Richters: Durch und durch Opportunist gelang ihm als ehemaligem („Hin-„) Richter eines "fliegenden Sondergerichts" nach 1945 mühelos der Weg zurück in die neue juristische Normalität. "Der Jurist kann sich (eben) leichter umstellen als jeder andere" (Lahusen). Seine detaillierten Darstellungen zu den Jahren 1943 – 1945 münden schließlich im "Flußbett eines immer schneller dem Abgrund (also dem Zusammenbruch) zueilenden, alles mit sich reißenden Stromes". Vor dem Hintergrund der Kapitulation vom Mai 1945 geht Lahusen schließlich der Frage nach, ob es (erst) mit ihr zu einem Stillstand der Rechtspflege gekommen war und welche Versuche die Justiz danach unternahm, den Krieg "aus der Rechtsordnung" zu verbannen und zur „Normalität“ zurückzukehren. Die Arbeit Lahusens beruht auf eingehenden und erkennbar sorgfältigen Archivrecherchen. Ihr Schwerpunkt ist weniger die juristische Problematik einer Unterbrechung der Rechtsprechung durch Krieg (vgl. § 245 ZPO), sondern ein historischer Überblick über den „ungestörten" Dienstbetrieb der Justiz in jenen Jahren der "Zeitenwende" bzw. "Wende-Zeit". Für den Rezensenten war die Arbeit Lahusens u. a. Anlass, deren juristische Aspekte zu vertiefen; er geht hier deutlich über die übliche Aufgabe einer Rezension hinaus. Dies gilt z B für die auch von Lahusen angesprochene Frage der Kontinuitäten der deutschen Justiz über 1945 hinaus. Abgeschlossen wird der Beitrag mit dem Versuch einer Würdigung der Arbeit Lahusens.
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