Reform der Regierungsbefragung im Bundestag

Der Staat Pub Date : 2019-07-01 DOI:10.3790/staa.58.3.325
J. Achenbach
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Abstract

Die Geschäftsordnung des Bundestages sieht seit 1990 eine regelmäßige Befragung der Bundesregierung im Plenum des Parlaments vor. Seit längerem steht verfassungs- und demokratiepolitisch in der Kritik, dass die Befragung keine inhaltlich offenen, spontanen Debatten eröffnet. Sie wird in der Praxis kaum als Faktor wirksam, der die Willensbildung der Bundesregierung und des Bundestages tatsächlich bewegt. Anfang 2019 hat der Bundestag die Regierungsbefragung reformiert. Wie ist diese Reform zu werten? Mit Blick darauf entwickelt der Beitrag folgende Analyse und Argumentation: Auf der Grundlage des Zitierrechts aus Art. 43 Abs. 1 GG kann der Bundestag die Regierungsbefragung verfassungskonkretisierend durch interinstitutionell verpflichtendes Geschäftsordnungsrecht ausgestalten. Dem steht weder die Gewaltenteilung zwischen Bundestag und Bundesregierung noch die verfassungsrechtliche Funktion des Zitierrechts entgegen. Die Geschäftsordnungsautonomie stellt den Bundestag indes bei der Ausgestaltung der Regierungsbefragung nicht gänzlich frei. Denn die Grundsätze der Effektivität der parlamentarischen Regierungskontrolle, der effektiven Opposition und der Parlamentsöffentlichkeit entfalten dafür verfassungsrechtliche Maßgaben. Diese verfehlt die reformierte Regierungsbefragung. Die Reform regularisiert die Praxis, in der die Regierung weitgehend die Kontrolle über ihre Befragung innehat. Zwar verlängert sie die Befragung und etabliert eine Kanzlerbefragung. Aber in den entscheidenden Aspekten befördert die Reform eher die technokratische Seite des Regierens. Der Bundestag hat darauf verzichtet, sich der Regierung als unabhängiger Kontrollakteur gegenüber zu stellen, der seine Kontrollagenda selbst setzt und die Regierung frei befragt und konfrontiert. Dafür steht sinnbildlich, dass an der Befragung nur ein – von der Regierung längerfristiges benanntes – Regierungsmitglied teilnehmen muss. Alle übrigen dürfen sich, wie zuvor schon praktiziert, durch Parlamentarische Staatssekretäre vertreten lassen. Dies kritisiert der Beitrag. Dass die Regierungsbefragung im Bundestag effektive parlamentarische Kontrolle eher simuliert als realisiert, bedeutet nicht nur eine versäumte Chance der (Re-)Politisierung des Parlaments und des Regierens. Es bietet auch rechtspopulistischer Systemkritik einen Ansatz, die darauf zielt, die Legitimität des parlamentarischen Regierungssystems in erheblichen Teilen der Bevölkerung zu unterminieren.
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联邦议院改革联邦调查局
联邦议会议事规则规定,自1990年以来联邦政府将定期在议会全体会议上举行质询。多年来,宪政和民主政策一直备受批评,质询没有就内容进行公开、自发的辩论。此举在实际上几乎不可能成为影响联邦政府和联邦议会决策的因素。2019年初联邦议院改革了政府质询。这次的改革值多少钱?有鉴于此,本文开展了这样的分析和进行辩论:根据43段第1段所述的引用法,联邦议员可以借机构间强制性通则着手实现政府协商。这并不反对联邦议会和联邦政府之间的权力制衡,也不反对引用的宪法权力所发挥的作用。然而,议会在设计政府质询时并未完全享有自主权。因为议会控制、有效反对派和议会公众的效率原则制定了宪法规则。他逃脱了政府改革后的质询。改革成功地改变了政府控制民众选票的方式。而且她不断的重复质问那里已经成立了一批律师但关键方面,改革总是提升管理技术方面。联邦议院放弃作为一个独立的监督者与政府对抗,这个探员自己掌握自己的控制权,并自由提问和反驳政府。这意味着只有长期债券政府官员才能参与质询。其他所有人如以前所做的那样,可以由议会秘书长来代表。这是这部分的批评。是否总是政务会议?它还带来了右翼民粹主义的系统批评,其目的是颠覆很大一部分人口中的议会治理体系的合法性。
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