{"title":"Zwischen Mode und Modernität. Zum 100. Todestag des russischen Komponisten Alexander Nikolajewitsch Skrjabin","authors":"Sigfried Schibli","doi":"10.7767/omz-2014-0613","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"»Skrjabin rührt an die Wurzel unseres Tonempfindens; er geht darauf aus, den uns von der Natur verliehenen Gehörsinn systematisch umzubilden, zu korrigieren.« Dieser Satz findet sich in einer Konzertkritik, erschienen am 11. (nach dem gregorianischen Kalender am 24.) Februar 1913 in der St. Petersburger Zeitung. Anlass ist eine Aufführung der Tondichtung Prométhée von Alexander Skrjabin (1871–1915) unter dem Dirigenten Alexander Siloti. Autor der Kritik war Jacques Handschin, ein aus der Schweiz stammender Musikwissenschaftler und Organist, der in Russland lebte und 1920, nach der Revolution, in die Schweiz zurückkehrte. Bekannt ist er vor allem mit seiner Musikgeschichte im Überblick (1948) geworden. Von 1935 an hatte Handschin den Lehrstuhl für Musikwissenschaft an der Universität Basel inne. In seinen zahlreichen russischen Musikkritiken, die seit Kurzem in deutscher Übersetzung vorliegen, spielt die Einschätzung Skrjabins eine zentrale Rolle. Immer wieder reflektiert Handschin die Frage, ob Skrjabins Musik nur eine vorübergehende Modeerscheinung sei oder bleibenden Wert habe. Er diskutiert das Tonsystem, auf das sich Skrjabin stütze (oder das er geschaffen habe) und das auf einer Kombination von »entfernteren Obertönen« beruhe, die im Quartenabstand disponiert seien. Handschin bezweifelt, dass es für jeden Komponisten ein »Recht auf Tonsystem« ungeachtet der natürlichen Proportionen gebe und warnt, dass die Anhänger Skrjabins »noch eine weitere Entwicklung in Aussicht« stellten, die über die Prometheus-Harmonik hinausgehe. An anderer Stelle schreibt er: »Die Mode und somit exTra","PeriodicalId":147000,"journal":{"name":"Österreichische Musikzeitschrift","volume":"13 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"2014-06-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Österreichische Musikzeitschrift","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.7767/omz-2014-0613","RegionNum":0,"RegionCategory":null,"ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"","JCRName":"","Score":null,"Total":0}
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Abstract
»Skrjabin rührt an die Wurzel unseres Tonempfindens; er geht darauf aus, den uns von der Natur verliehenen Gehörsinn systematisch umzubilden, zu korrigieren.« Dieser Satz findet sich in einer Konzertkritik, erschienen am 11. (nach dem gregorianischen Kalender am 24.) Februar 1913 in der St. Petersburger Zeitung. Anlass ist eine Aufführung der Tondichtung Prométhée von Alexander Skrjabin (1871–1915) unter dem Dirigenten Alexander Siloti. Autor der Kritik war Jacques Handschin, ein aus der Schweiz stammender Musikwissenschaftler und Organist, der in Russland lebte und 1920, nach der Revolution, in die Schweiz zurückkehrte. Bekannt ist er vor allem mit seiner Musikgeschichte im Überblick (1948) geworden. Von 1935 an hatte Handschin den Lehrstuhl für Musikwissenschaft an der Universität Basel inne. In seinen zahlreichen russischen Musikkritiken, die seit Kurzem in deutscher Übersetzung vorliegen, spielt die Einschätzung Skrjabins eine zentrale Rolle. Immer wieder reflektiert Handschin die Frage, ob Skrjabins Musik nur eine vorübergehende Modeerscheinung sei oder bleibenden Wert habe. Er diskutiert das Tonsystem, auf das sich Skrjabin stütze (oder das er geschaffen habe) und das auf einer Kombination von »entfernteren Obertönen« beruhe, die im Quartenabstand disponiert seien. Handschin bezweifelt, dass es für jeden Komponisten ein »Recht auf Tonsystem« ungeachtet der natürlichen Proportionen gebe und warnt, dass die Anhänger Skrjabins »noch eine weitere Entwicklung in Aussicht« stellten, die über die Prometheus-Harmonik hinausgehe. An anderer Stelle schreibt er: »Die Mode und somit exTra