Mitteilungen aus der Bundeskonferenz Deutscher Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie (BDK)

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Hier setzen sich mehr und mehr besondere Qualifikationen für Gutachter durch (Zertifikat der DGPPN, Schwerpunktbezeichnung der Ärztekammer, von den Ärztekammern geführte Listen über Prognosegutachter). Mittlerweile gibt es auch Standards für Gutachten zur Frage der Schuldfähigkeit und Standards für Gutachten zur Prognose2,3. Wenn Patienten in der forensischen Psychiatrie untergebracht sind, folgt die Behandlung bestimmten Standards. Solche Standards sind z.B. in Nordrhein Westfalen mit dem Landesbeauftragten4 für den Maßregelvollzug u.a. zu den Themen Erstdiagnostik, Lockerungsentscheidungen, Behandlung verschiedener Krankheitsbilder und zur erforderlichen Dokumentation erstellt und veröffentlicht worden. Als Beispiel für standardisierte Behandlungsabläufe im psychiatrischen Maßregelvollzug wird im Folgenden auf die Behandlungsstrategien für schizophren Erkrankte und auf Standards für Lockerungsentscheidungen eingegangen. Schizophren Erkrankte im Maßregelvollzug haben meist eine allgemeinpsychiatrische Vorgeschichte mit Behandlungsabbrüchen, fehlender Entwicklung von Krankheitseinsicht und komorbider Belastung mit Drogenproblemen. Eine Studie der Universität Essen hat hierzu weitreichende Ergebnisse und Erkenntnisse geliefert.5 Das heißt, dass die Behandlung imMaßregelvollzug neben der Behandlung der schizophrenen Erkrankung die Drogenproblematik und den in der Regel vorhandenen Reifungsrückstand der Betroffenen berücksichtigen muss. Die Behandlung erfolgt durch gezielte einzelund gruppentherapeutische Angebote der Psychoedukation und der Aufarbeitung der Lebensund Delinquenzgeschichte, Einbindung in ergotherapeutische, kreativtherapeutische und schulische tagesstrukturierende Angebote und soziales Kompetenztraining. Dies mit dem Ziel der Re-Integration in ein anerkanntes Leben und das Netz der externen psychosozialen Versorgung. Durch die flächendeckende Einrichtung forensischer Nachsorgeambulanzen in Deutschland ist es gelungen, das extern notwendige Risikomanagement beurlaubter oder entlassener Maßregelvollzugspatienten zu definieren und die Nachsorge auf verschiedene Schultern zu verteilen, wodurch ein rechtzeitiges Reagieren in Krisensituationen möglich wird und Deliktrückfälle verhindert werden können.6 Lockerungsentscheidungen sind notwendig, um Behandlungserfolge zu überprüfen und Belastungserprobungen unter Kontrolle durchzuführen. Lockerungen beinhalten begleitete Ausgänge, alleinige Ausgänge auf einem Klinikgelände oder nicht hoch gesicherte ummauerte Einrichtungen, Ausgänge außerhalb des Geländes, Tagesurlaube oder Dauerbeurlaubungen in vorgesehene Entlassungssituationen. In der forensischen Behandlung erfolgen solche Lockerungsentscheidungen – zumindest, wenn es um Schwellenlockerungen geht wie erster alleiniger Ausgang, erster Stadtausgang etc. – in einem zweistufigen Entscheidungsprozess. Das heißt, es findet eine Behandlungsplankonferenz aller für den Patienten zuständigen Mitarbeiter statt, in der die Betroffenen auch selbst ein Votum abgeben können. Dann erfolgt eine Endkontrolle durch entweder einer Lockerungskonferenz der Klinik, einer oberärztlichen oder chefärztlichen Supervision der Entscheidung oder ein internes prognostisches Kurzgutachten. Ganz wichtig ist, dass für eine Lockerungsentscheidung neben der Wertung der Grundgefährlichkeit der Behandlungsprozess, die Absprachefähigkeit des Patienten und die Begrenzung des eigentlichen Lockerungsgeschehens berücksichtigt werden müssen. Lockerungsmissbräuche haben bei den Unterbringungen gemäß §§63, 64 StGB deutlich nachgelassen. Noch mehr gilt dies für gewaltsame Entweichungen oder auch Deliktrückfälle.7 Dieses Ergebnis verweist darauf, dass die meisten der Entscheidungen richtig getroffen werden. Umso mehr verwundert der Ruf nach mehr Überprüfungen im Maßregelvollzug. Nachdem das Sicherheitsbedürfnis der Öffentlichkeit und der Politik in den letzten Jahren zu immer mehr Gesetzesverschärfungen geführt hat und in der Folge zu einer deutlichen Verlängerung der Verweildauern im Maßregelvollzug geführt hat, kehrt sich die öffentliche Meinung zurzeit ins Gegenteil, mit der Forderung Mitteilungen aus der Bundeskonferenz Deutscher Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie (BDK)","PeriodicalId":409901,"journal":{"name":"Z Psy.Praxis","volume":"64 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"2009-03-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Z Psy.Praxis","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.1055/s-0029-1220835","RegionNum":0,"RegionCategory":null,"ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"","JCRName":"","Score":null,"Total":0}
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Abstract

Lange ist nicht mehr so viel Falsches über den Maßregelvollzug verbreitet worden, wie in diesem Jahr – ausgelöst durch den Fall Gustl Mollath, untermauert durch eine sehr tendenziöse Berichterstattung. An dieser Stelle soll die Möglichkeit genutzt werden, einige Grundsätze der Unterbringung imMaßregelvollzug, Behandlungsstrategien, Lockerungen und prognostische Fragestellungen darzustellen. Die Unterbringung im Maßregelvollzug erfordert das Vorliegen einer schweren Straftat, einer chronischen psychischen Erkrankung oder Suchterkrankung, eine deutliche Verbindung zwischen beidem und eine weiterbestehende Gefährlichkeit.1 Die Unterbringungsanordnung erfolgt durch einGericht; dieses istmeist sachverständig beraten durch einen psychiatrischen Gutachter. Hier setzen sich mehr und mehr besondere Qualifikationen für Gutachter durch (Zertifikat der DGPPN, Schwerpunktbezeichnung der Ärztekammer, von den Ärztekammern geführte Listen über Prognosegutachter). Mittlerweile gibt es auch Standards für Gutachten zur Frage der Schuldfähigkeit und Standards für Gutachten zur Prognose2,3. Wenn Patienten in der forensischen Psychiatrie untergebracht sind, folgt die Behandlung bestimmten Standards. Solche Standards sind z.B. in Nordrhein Westfalen mit dem Landesbeauftragten4 für den Maßregelvollzug u.a. zu den Themen Erstdiagnostik, Lockerungsentscheidungen, Behandlung verschiedener Krankheitsbilder und zur erforderlichen Dokumentation erstellt und veröffentlicht worden. Als Beispiel für standardisierte Behandlungsabläufe im psychiatrischen Maßregelvollzug wird im Folgenden auf die Behandlungsstrategien für schizophren Erkrankte und auf Standards für Lockerungsentscheidungen eingegangen. Schizophren Erkrankte im Maßregelvollzug haben meist eine allgemeinpsychiatrische Vorgeschichte mit Behandlungsabbrüchen, fehlender Entwicklung von Krankheitseinsicht und komorbider Belastung mit Drogenproblemen. Eine Studie der Universität Essen hat hierzu weitreichende Ergebnisse und Erkenntnisse geliefert.5 Das heißt, dass die Behandlung imMaßregelvollzug neben der Behandlung der schizophrenen Erkrankung die Drogenproblematik und den in der Regel vorhandenen Reifungsrückstand der Betroffenen berücksichtigen muss. Die Behandlung erfolgt durch gezielte einzelund gruppentherapeutische Angebote der Psychoedukation und der Aufarbeitung der Lebensund Delinquenzgeschichte, Einbindung in ergotherapeutische, kreativtherapeutische und schulische tagesstrukturierende Angebote und soziales Kompetenztraining. Dies mit dem Ziel der Re-Integration in ein anerkanntes Leben und das Netz der externen psychosozialen Versorgung. Durch die flächendeckende Einrichtung forensischer Nachsorgeambulanzen in Deutschland ist es gelungen, das extern notwendige Risikomanagement beurlaubter oder entlassener Maßregelvollzugspatienten zu definieren und die Nachsorge auf verschiedene Schultern zu verteilen, wodurch ein rechtzeitiges Reagieren in Krisensituationen möglich wird und Deliktrückfälle verhindert werden können.6 Lockerungsentscheidungen sind notwendig, um Behandlungserfolge zu überprüfen und Belastungserprobungen unter Kontrolle durchzuführen. Lockerungen beinhalten begleitete Ausgänge, alleinige Ausgänge auf einem Klinikgelände oder nicht hoch gesicherte ummauerte Einrichtungen, Ausgänge außerhalb des Geländes, Tagesurlaube oder Dauerbeurlaubungen in vorgesehene Entlassungssituationen. In der forensischen Behandlung erfolgen solche Lockerungsentscheidungen – zumindest, wenn es um Schwellenlockerungen geht wie erster alleiniger Ausgang, erster Stadtausgang etc. – in einem zweistufigen Entscheidungsprozess. Das heißt, es findet eine Behandlungsplankonferenz aller für den Patienten zuständigen Mitarbeiter statt, in der die Betroffenen auch selbst ein Votum abgeben können. Dann erfolgt eine Endkontrolle durch entweder einer Lockerungskonferenz der Klinik, einer oberärztlichen oder chefärztlichen Supervision der Entscheidung oder ein internes prognostisches Kurzgutachten. Ganz wichtig ist, dass für eine Lockerungsentscheidung neben der Wertung der Grundgefährlichkeit der Behandlungsprozess, die Absprachefähigkeit des Patienten und die Begrenzung des eigentlichen Lockerungsgeschehens berücksichtigt werden müssen. Lockerungsmissbräuche haben bei den Unterbringungen gemäß §§63, 64 StGB deutlich nachgelassen. Noch mehr gilt dies für gewaltsame Entweichungen oder auch Deliktrückfälle.7 Dieses Ergebnis verweist darauf, dass die meisten der Entscheidungen richtig getroffen werden. Umso mehr verwundert der Ruf nach mehr Überprüfungen im Maßregelvollzug. Nachdem das Sicherheitsbedürfnis der Öffentlichkeit und der Politik in den letzten Jahren zu immer mehr Gesetzesverschärfungen geführt hat und in der Folge zu einer deutlichen Verlängerung der Verweildauern im Maßregelvollzug geführt hat, kehrt sich die öffentliche Meinung zurzeit ins Gegenteil, mit der Forderung Mitteilungen aus der Bundeskonferenz Deutscher Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie (BDK)
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德国精神病学与心理治疗联邦会议的论文,BDK
很长一段时间以来,再也没有像今年那样发布过那么多关于执法的假象了,由非常偏见的报道支撑而产生。这里将利用可能提出一些关于难民管制的原则、治疗策略、诱饵及预测问题。住院看管要求持续存在严重犯罪、慢性心理疾病或成瘾症状,两种状况与持续的危险之间有明显关联。1住院令受拘禁;专家的专家主要是精神病专家因此,评估者们渐渐对其自身的评估能力起了越来越大的作用。“现在,有关是否有罪能力的评估标准以及预测专家的标准。如果病人被转移到法医精神病疗养院,就诊标准就会严格遵守。例如,在莱茵河北部的保安局和国家监督4号进行监督时,就一些关于初次诊断、放松决定、一些病症的处理和必要的文件事宜建立和公布了此类标准。接着描述了精神分裂治疗战略和放松选择标准,以此作为标准精神病治疗程序的例子。治疗过精神分裂症的人通常都有一般的精神病史记录记录显示治疗失败、缺乏诊断能力以及因服用药物而产生的并发症。埃森大学的一项研究带来了影响深远的结果和结果。5因此除治疗精神分裂疾病外,倒是必须考虑到患者的骑马障碍和普遍存在的成熟情况。治疗通过对心理治疗和康复生活和认知历史提供有针对性的、单独和群体的医疗服务,融入对人工治疗和创意治疗,以及教育和社交技能培训。这也实现了重新融入世界的目标以及对外社会心理服务网络。通过广泛设立取证Nachsorgeambulanzen德国先进工作者成功地取代外部必要的风险管理beurlaubter或失业Maßregelvollzugspatienten来确定并分配的术后治疗肩膀起来,从而使rechtzeitiges在危机时刻可能会有什么反应和Deliktrückfälle避免können.6许多人认为,要选择缓和的选项,就必须检查治疗成绩,并控制运用压力。诱发的引信包括:随行人员陪伴离开,医疗场地的单线通道或包扎严密的室内设施,停车场以外的出口、日间假或计划在解雇安排下的假假。法证过程中所实施的放松决定——至少在需要此类阈值的情况下——比如单一结果、城市涌现等——处于两步决策过程中。也就是说,要开一个治疗计划,要有很多种参与者参与。然后,检查结果要么是诊所的放松大会,要么是总住院医师或者总住院医师的决定,或者是发表内部预测评估。至关重要的是,要在判断是否放松行为时,除了因为观察在基础上的危险行为而作出判断之外,还要考虑到疗程、病人丧失语言能力以及限制实际的放松行为。Lockerungsmissbräuche却在舒适根据§§63、64 StGB明显减弱,.7这表明大多数决策都做对了。要求更多的审判者也变得更加令人困惑。之后公众和政客们的安全近年来,导致了越来越多的Gesetzesverschärfungen因此导致了明显的延长Verweildauern在Maßregelvollzug回到了去相反的舆论目前要求来文Bundeskonferenz德国精神科诊所和心理治疗(BDK)
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GB/T 7714-2015
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