Antike Inschriften während des Mittelalters nördlich der Alpen. Wahrnehmung und Instrumentalisierung

E. Beck, L. Clemens
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Abstract

Die steinernen Überreste römischer Niederlassungen haben das Erscheinungsbild von Stadt und Land auch über ein halbes Jahrtausend nach dem Untergang des Römischen Weltreiches in seinen ehemaligen nordwestlichen Provinzen nachhaltig geprägt.1 Über ihre einstigen Dimensionen werden wir jedoch oftmals nur durch den Überlieferungszufall, nämlich Hinweise informiert, die in dem jeweiligen Quellenzeugnis gar nicht zu erwarten gewesen wären. Eine solche hier interessierende Notiz enthält etwa ein Itinerar aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, das Reiserouten von Valenciennes nach Avignon bzw. von Lyon nach Orléans und Paris beschreibt.2 Ihr zufolge hatte sich damals noch eine in ihren ehemaligen Ausdehnungen wahrnehmbare antike Gräberstraße in der Umgebung der an der oberen Marne gelegenen Kathedralstadt Langres, dem einstigen gallorömischen Hauptort der Lingonen, erhalten. Ihre Monumente wurden nun – wie auch andernorts – als sarazenischen, also heidnischen Ursprungs identifiziert: et ibi inveniuntur sepulcra Sarracenorum multa. Interessant ist zudem der Hinweis auf angeblich 500 dort um eine Kapelle lebende Eremiten, wobei die Zahl sicherlich viel zu hoch gegriffen sein dürfte. Womöglich wohnten einige der Einsiedler in den antiken Grabbauten bzw. in an diese angebauten Hütten. Unter den einzeln aufgeführten Monumenten ist auch das Grabmal eines rex Sarracenorum mit der Darstellung von Schlachtszenen: et turris est sculpta de bellis ibi factis. Dabei dürfte es sich um ein frührömisches Grabmal mit Kriegsszenen gehandelt haben, zu dem zahlreiche Parallelen aus den gallischen und germanischen Provinzen überliefert sind.3 Dem weiteren Wortlaut des Itinerars zufolge stand eine halbe Meile von Langres entfernt ein weiteres Monument, que vocatur Iulie. Diese Bezeichnung nahm vermutlich Bezug auf eine noch vorhandene Inschrift. Hier wäre an einen Personennamen zu denken, der das kaiserliche Gentiliz Iulius beinhaltete und somit auf eine Familie verwies, die unter Caesar oder Octavian/Augustus das römische Bürgerrecht erhalten hatte.
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