“ALL MEN ARE CREATED EQUAL”:

A. V. C. P. Huizinga
{"title":"“ALL MEN ARE CREATED EQUAL”:","authors":"A. V. C. P. Huizinga","doi":"10.2307/j.ctvfc53pz.14","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"«All men are created equal» – handschriftlich setzte der amerikanische Verfassungsvater und spätere Präsident Thomas Jefferson 1776 diesen berühmten Satz in das Gründungsdokument der ersten modernen Demokratie der Welt. Seit der «Declaration of Independence» hat dieses Wort nichts von seiner programmatischen Wirkung eingebüsst. Allerdings haben sich Verständnis und Interpretation der Begriffe «Gleichheit» und «Gleichbehandlung» mit der Zeit verändert. Das ausgehende 18. Jahrhundert assoziierte mit diesem Prinzip die Abschaffung der Sklaverei und das allgemeine Wahlrecht, also die Gleichheit vor dem Gesetz, die Chancengleichheit zur uneingeschränkten Entwicklung der unterschiedlichen Anlagen und Fähigkeiten zum «pursuit of happiness». Im europäischen Sozialstaat des 21. Jahrhunderts haben die Begriffe eine andere Konnotation bekommen. Aus einer ursprünglich liberalen Position ist, zumindest im Umfeld der Sozialpolitik, eine egalitaristische geworden. Je unklarer die ideengeschichtlichen und ideologischen Grenzen innerhalb der heutigen Gesellschaften verlaufen, desto stärker treten hier Spannungsfelder und Widersprüche zutage. So haben wir uns mit Selbstverständlichkeit in unserem Land dem Prinzip des kompetitiven föderalistischen Wettbewerbs verschrieben, leben fern jedes gleichmacherischen Anspruchs mit den unterschiedlichsten Bildungs-, Gesundheitsund Steuersystemen, auf dass das bessere gewinne. Doch gibt es wohl andererseits wenige Bereiche unseres Lebens, in denen eine intuitive egalitaristische Haltung so ausgeprägt ist wie im Gesundheitswesen. Als Ärztinnen und Ärzte ist es zu Recht unser Anspruch, jeden Patienten gleich zu behandeln und jedem Patienten die nach unserer Kenntnis beste medizinische Betreuung zukommen zu lassen. Denselben unbedingten Anspruch auf medizinische Gleichbehandlung haben auch alle unsere Patientinnen und Patienten an uns, unabhängig davon, ob sie hohe oder tiefe Krankenkassenprämien zahlen, fiskalisch im Paradies oder einer sogenannten Steuerhölle, auf dem Land oder neben einem Universitätsspital leben. Wer in unserem Land an einem Herzinfarkt oder einem Karzinom erkrankt, wird überall die gleich optimale Behandlung erwarten, jede Ärztin und jeder Arzt wird darum bemüht sein, allen Patienten die gleiche, beste Behandlung zukommen zu lassen, und jeder Politiker wird nicht müde werden, die Qualität der medizinischen Versorgung in seinem Einflussbereich zu rühmen und die allgemeine Gleichbehandlung proklamatorisch zu garantieren. Und doch wissen wir, dass es mit diesem Grundwert der Gleichheit im Gesundheitswesen sowohl aus einer historischen als auch aus einer geographischen Perspektive nicht weit her ist. Die westeuropäischen Sozialversicherungssysteme, in ihrem politischen Ursprung paradoxerweise eher Mittel zur Erhaltung konservativer Gesellschaftssysteme, haben ihre volle Entfaltung erst in den letzten 50 Jahren, im Lebenszeitraum der beiden letzten Generationen, erfahren. Der für uns als Selbstverständlichkeit erlebte Anspruch auf Gleichheit und medizinische Gleichbehandlung im Krankheitsfall ist also eine recht junge Errungenschaft. Leider gibt es aber keinen Grund zur Annahme, dass diese unbestritten von Dauer sein wird. In allen europäischen Staaten stecken die Sozialsysteme in einer tiefen Krise. Die Hauptgründe hierfür mögen je nach Land eine unterschiedliche Gewichtung haben, doch ein Grundkonzept ist allen gemein: Alle Sozialsysteme bauen auf der Grundstruktur des Nationalstaates auf, sind letztlich eine Staatsbürgerversicherung. Auf die abnehmende Bedeutung des Nationalstaates, auf internationale Dependenz, grenzenlosen Verkehr von Information, Geld, Waren und Menschen sind diese Systeme nicht vorbereitet. Mit der gleichen Geschwindigkeit, mit der die Globalisierung voranschreitet, stossen unsere Sozialsysteme an ihre Grenzen. Nicht nur wegen ihrer Finanzierungsstruktur, sondern auch konzeptionell. Was bedeutet heute, wenn es um Gesundheitsleistungen geht: «all men are created equal»? Wenn man genau hinhört, kommen in den politischen Diskussionen unserer Tage – nicht nur bei uns – neue Tendenzen auf. Die Egalitarismuskritik hat mittlerweile ihren Weg aus den engen Kreisen philosophischer Debattierzirkel hinaus gefunden, und in der öffentlichen Diskussion bricht zwischen den Zeilen immer deutlicher eine neue Faszination am Charme der Ungleichheit durch. Es wird die zentrale Herausforderung der Gesundheitspolitik der kommenden Jahre sein, welches Gewicht und welche Bedeutung sie den Worten Gleichheit und Gerechtigkeit im sozialpolitischen Umfeld beimisst. Auch die Ärzteschaft wird nicht umhinkommen, in diese Diskussion einzugreifen und Stellung zu beziehen. Es mag einem gefallen oder nicht: Wirkliche Rezepte hierfür bietet die Vergangenheit keine. PD Dr. med. Ludwig T. 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Abstract

«All men are created equal» – handschriftlich setzte der amerikanische Verfassungsvater und spätere Präsident Thomas Jefferson 1776 diesen berühmten Satz in das Gründungsdokument der ersten modernen Demokratie der Welt. Seit der «Declaration of Independence» hat dieses Wort nichts von seiner programmatischen Wirkung eingebüsst. Allerdings haben sich Verständnis und Interpretation der Begriffe «Gleichheit» und «Gleichbehandlung» mit der Zeit verändert. Das ausgehende 18. Jahrhundert assoziierte mit diesem Prinzip die Abschaffung der Sklaverei und das allgemeine Wahlrecht, also die Gleichheit vor dem Gesetz, die Chancengleichheit zur uneingeschränkten Entwicklung der unterschiedlichen Anlagen und Fähigkeiten zum «pursuit of happiness». Im europäischen Sozialstaat des 21. Jahrhunderts haben die Begriffe eine andere Konnotation bekommen. Aus einer ursprünglich liberalen Position ist, zumindest im Umfeld der Sozialpolitik, eine egalitaristische geworden. Je unklarer die ideengeschichtlichen und ideologischen Grenzen innerhalb der heutigen Gesellschaften verlaufen, desto stärker treten hier Spannungsfelder und Widersprüche zutage. So haben wir uns mit Selbstverständlichkeit in unserem Land dem Prinzip des kompetitiven föderalistischen Wettbewerbs verschrieben, leben fern jedes gleichmacherischen Anspruchs mit den unterschiedlichsten Bildungs-, Gesundheitsund Steuersystemen, auf dass das bessere gewinne. Doch gibt es wohl andererseits wenige Bereiche unseres Lebens, in denen eine intuitive egalitaristische Haltung so ausgeprägt ist wie im Gesundheitswesen. Als Ärztinnen und Ärzte ist es zu Recht unser Anspruch, jeden Patienten gleich zu behandeln und jedem Patienten die nach unserer Kenntnis beste medizinische Betreuung zukommen zu lassen. Denselben unbedingten Anspruch auf medizinische Gleichbehandlung haben auch alle unsere Patientinnen und Patienten an uns, unabhängig davon, ob sie hohe oder tiefe Krankenkassenprämien zahlen, fiskalisch im Paradies oder einer sogenannten Steuerhölle, auf dem Land oder neben einem Universitätsspital leben. Wer in unserem Land an einem Herzinfarkt oder einem Karzinom erkrankt, wird überall die gleich optimale Behandlung erwarten, jede Ärztin und jeder Arzt wird darum bemüht sein, allen Patienten die gleiche, beste Behandlung zukommen zu lassen, und jeder Politiker wird nicht müde werden, die Qualität der medizinischen Versorgung in seinem Einflussbereich zu rühmen und die allgemeine Gleichbehandlung proklamatorisch zu garantieren. Und doch wissen wir, dass es mit diesem Grundwert der Gleichheit im Gesundheitswesen sowohl aus einer historischen als auch aus einer geographischen Perspektive nicht weit her ist. Die westeuropäischen Sozialversicherungssysteme, in ihrem politischen Ursprung paradoxerweise eher Mittel zur Erhaltung konservativer Gesellschaftssysteme, haben ihre volle Entfaltung erst in den letzten 50 Jahren, im Lebenszeitraum der beiden letzten Generationen, erfahren. Der für uns als Selbstverständlichkeit erlebte Anspruch auf Gleichheit und medizinische Gleichbehandlung im Krankheitsfall ist also eine recht junge Errungenschaft. Leider gibt es aber keinen Grund zur Annahme, dass diese unbestritten von Dauer sein wird. In allen europäischen Staaten stecken die Sozialsysteme in einer tiefen Krise. Die Hauptgründe hierfür mögen je nach Land eine unterschiedliche Gewichtung haben, doch ein Grundkonzept ist allen gemein: Alle Sozialsysteme bauen auf der Grundstruktur des Nationalstaates auf, sind letztlich eine Staatsbürgerversicherung. Auf die abnehmende Bedeutung des Nationalstaates, auf internationale Dependenz, grenzenlosen Verkehr von Information, Geld, Waren und Menschen sind diese Systeme nicht vorbereitet. Mit der gleichen Geschwindigkeit, mit der die Globalisierung voranschreitet, stossen unsere Sozialsysteme an ihre Grenzen. Nicht nur wegen ihrer Finanzierungsstruktur, sondern auch konzeptionell. Was bedeutet heute, wenn es um Gesundheitsleistungen geht: «all men are created equal»? Wenn man genau hinhört, kommen in den politischen Diskussionen unserer Tage – nicht nur bei uns – neue Tendenzen auf. Die Egalitarismuskritik hat mittlerweile ihren Weg aus den engen Kreisen philosophischer Debattierzirkel hinaus gefunden, und in der öffentlichen Diskussion bricht zwischen den Zeilen immer deutlicher eine neue Faszination am Charme der Ungleichheit durch. Es wird die zentrale Herausforderung der Gesundheitspolitik der kommenden Jahre sein, welches Gewicht und welche Bedeutung sie den Worten Gleichheit und Gerechtigkeit im sozialpolitischen Umfeld beimisst. Auch die Ärzteschaft wird nicht umhinkommen, in diese Diskussion einzugreifen und Stellung zu beziehen. Es mag einem gefallen oder nicht: Wirkliche Rezepte hierfür bietet die Vergangenheit keine. PD Dr. med. Ludwig T. Heuss, Mitglied des Zentralvorstands der FMH 1994–2006
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“人人生而平等”
«所有色情在帮平等»,坚称代表,美国Verfassungsvater和后来的总统托马斯·杰斐逊1776这句著名的话在早期现代世界民主Gründungsdokument .«以来Declaration of Independence»这个词有重要作用中任何事诸侯.但关于概念的理解和解释«»和«平等待遇»随着时间的变化.那是18发世纪的这一伙伴关系原则都废除奴隶制和全民投票的法律面前人人平等,平等机会充分发展不同设施和能力来«pursuit of协议».在21世纪的欧洲福利国家但在19世纪初这些名词的内涵改变了社会政策领域,一个原本出于自由主义的立场,已变得至少在社会政策领域,变得一视同仁。当今社会的思想和意识形态界限越模糊,紧张和矛盾就越明显。比如,我们美国理所当然地致力于竞争竞争的原则,远离具有不同教育、卫生和税收制度的平等要求,追求更好的利益。但是在另一方面我们生活的大多数领域,没有什么具有像医疗保健那样强烈的直觉平等主义立场。身为医生,我们有权对每个病人一视同仁,并在我们知道的情况下,给予每个病人最好的医疗照顾。我告诉你,不论病人付了高薪还是高薪,他们都对我们享有同样的医疗权益。他们在天堂、财政、终日居住在农村、或与大学大厅同时。谁在我们国家患心肌梗塞或者Karzinom就最优待遇受到各种等待每个医生和医生都是努力将所有病人提供最好的待遇一样,每个政客都不会累,医疗服务的质量在其势力范围的保护区和普遍平等待遇保障proklamatorisch .但我们知道,从历史和地理角度看,医疗平等的基本价值并不遥远。反而言之,西欧社会保障体系,其政治来源,更倾向于维护保守社会体系,在其在过去50年,在过去的两代人的出生期,便无法被全部弹出。因此,在疾病中获得平等和医疗公平的权利是一个相当小的成就。不过不幸的是,没有理由认为这样的规则会不可避免地持续下去。在所有欧洲国家,福利国家一直处于严重的危机。其中的主要原因可能因国家的不同而各有不同,但有些基本概念是共同的:所有福利国家都建立在民族国家的基础结构之上,最终都是公民保险。这套系统不再具备民族国家的重要性、国际依存性、信息、金钱、商品和人员的自由流动。跟着全球化的步伐,我们的福利制度也达到了十字路口。但与概念一样重要。今天是什么意思,如果是关于医疗:«所有色情帮还平等»?如果你仔细观察,便有一种新的趋势正在我们当日的政治辩论中形成,而并非只在我们自己的辩论中出现。而对平等主义的批评也从纷争的哲学圈子中脱颖而出,在公共辩论中越来越明显地显现出一种新的对不平等魅力的着迷。这将是未来几年医疗卫生政策的中心挑战,它对社会社会环境中的平等和公正如何重视和重视。医学界在决定这件讨论的时候,必定会尽力介入和表明立场。不管你需要什么,过去的举措不会给你带来好结果。玛莎警部玛莎博士
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