Wie viel wiegt Nichts?

Astrid Lambrecht
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Abstract

Wie wiegt man das Vakuum? Man könnte auf die naive Idee kommen, das Gewicht von zwei leeren Gehäusen zu vergleichen, deren Wände das gleiche Gewicht haben, aber deren Innenvolumen unterschiedlich ist. Denn die Energie des Vakuums entspricht dem Produkt aus der Energiedichte und dem Volumen, in dem das Vakuum eingeschlossen ist. Es bleibt die Frage, ob Einsteins Beziehung E = mc2 bedeutet, dass die daraus abgeleitete Masse empfindlich auf ein Gravitationsfeld reagiert. Das ist eine der Fragen, die das von Achim Kempf und Kollegen ab Seite 288 vorgestellte Archimedes-Experiment versucht, in einem stillgelegten Bergwerk auf Sardinien zu beantworten. Genauer gesagt soll das Experiment Aufschluss darüber geben, ob die Energie des elektromagnetischen Vakuums an das Gravitationsfeld der Erde gekoppelt ist. Eine der großen offenen Fragen der Physik Dass das Vakuum überhaupt eine nichtverschwindende Energie beinhaltet, liegt an der Quantenphysik. Aufgrund der Heisenbergschen Unschärferelation weist das elektromagnetische Feld im Vakuum Quantenfluktuationen auf. Und auch wenn im Mittel die Energie des Vakuumfeldes verschwindet, so tragen doch die Fluktuationen um diesen Mittelwert Energie und Impuls. Die Auswirkungen dieser sogenannten Nullpunktfluktuationen machen sich auf mikroskopischer Ebene bemerkbar, insbesondere in Form der Lamb-Verschiebung der Spektrallinien von Atomen. Auf makroskopischer Ebene sind sie die Ursache für die Casimir-Kraft, das heißt für die Anziehungskraft zweier elektrisch und magnetisch neutraler Spiegel im Vakuum. Dies resultiert daraus, dass sich in dem zwischen ihnen liegenden Hohlraum nicht alle Schwingungsmoden des Vakuumfeldes ausbreiten können. Nicht resonante Schwingungsmoden werden unterdrückt, was zu einer Absenkung der Energiedichte im Hohlraum führt und letztlich eine anziehende Kraft zwischen beiden Spiegeln bewirkt. Achim Kempf und Kollegen beschreiben diesen Effekt in ihrem Artikel sehr anschaulich. Das Archimedes-Experiment will sich nun eine zum Casimir-Effekt analoge Konstellation zunutze machen. Wie schon bei den ersten Versuchen zum Casimir-Effekt wird auch in der modernen Version eine ausbalancierte Pendelwage veränderlichen Bedingungen ausgesetzt. Zentrales Element ist ein Hochtemperatursupraleiter, der unter seine kritische Temperatur abgekühlt wird. Im supraleitenden Zustand stellt diese Materialklasse eine kompakte Anordnung vieler Casimir-Spiegelpaare dar. Die Energiedichte im Inneren des Supraleiters ist im Vergleich zur isolierenden Phase entsprechend verringert. Die spannende Frage ist, ob sich dieser Energieunterschied in einem Gewichtsunterschied niederschlägt und wenn ja, wie groß dieser Unterschied sein wird. Falls die Vakuumenergie der Schwerkraft unterliegt, sollte der Supraleiter Auftrieb erfahren und die Waage ausschlagen. Allerdings könnten die Ergebnisse aus Beobachtungen und Vorhersagen, wie die Vakuumenergie gravitiert, kaum unterschiedlicher ausfallen. Laut Einsteins Feldgleichungen der allgemeinen Relativitätstheorie sollte die Energie des Vakuums zu einer beschleunigten Ausdehnung des Universums führen. Messungen der kosmologischen Rotverschiebung ergeben für die Massendichte des Vakuums aber einen um viele Größenordnungen kleineren Wert als die Vorhersage der Quantenmechanik. Es handelt sich hier um eine eklatante Abweichung, allgemein als das „Problem der kosmologischen Konstanten“ bekannt, das eine der großen offenen Fragen der Physik darstellt. In diesem Zusammenhang kommt dem Archimedes-Experiment eine wichtige Bedeutung zu. Hier soll – und das ist entscheidend – eine lokale Messung der Wirkung der Schwerkraft auf die Vakuumenergie in einem hochempfindlichen Experiment in einer genau kontrollierten Umgebung durchgeführt werden. Das Forschungsteam um das Archimedes-Experiment ist in der glücklichen Lage, dass ihre Ergebnisse – ganz unabhängig von ihrem Ausgang – das Potenzial haben, die Tür zu neuen Theorien aufzustoßen. Wir dürfen die Ergebnisse mit großer Spannung erwarten! Astrid Lambrecht ist Vorstandsvorsitzende des Forschungszentrums Jülich. Als Direktorin am CNRS in Frankreich entwickelte sie eine quantenoptische, experimentnahe Beschreibung des Casimir-Effekts.
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这玩意有多重?
是真空的重量?你可能天真地认为可以用两个空壳的重量做比较,认为墙的重量相同,而其内部体积是不同的。因为真空产生的能量就是真空所包含的能量密度和体积的产物。但问题是爱因斯坦的关系E = mc2是否意味着在麻省理工大学获得的质量会对重力场产生敏感的反应该问题是Achim Kempf及同僚们根据第288页的研究报告更确切的说,实验目的是要查明电磁真空的能量是否与地球的引力场相连。在物理学上一个无解的大问题,即真空包含了永不消失的能量,那就是量子物理。由海森堡的不确定性产生的电磁波引起量子波动因此即便在平均水平上真空环境中的能量消失了,也凭着移动平均能量和脉冲的波动。这些所谓的零点波动的影响还会在微观层面上展现,特别是它通过对原子频谱变换的办法。宏观层面上,这就是卡米尔力量的来源两个电和磁力的真空镜的引力这是因为在你站在空隙中的振动模式无法一起振动。无法转动的振动模式被抑制了,导致转速下降了空隙中的能量密度,并最终能使两者之间产生引力。Achim Kempf和其他同事在他们的文章中生动地描述了这种效应。阿基米德的实验将试着用类似于卡米尔的模拟效果。就像之前试过的卡米尔效应一样,现代版中也有一个平衡的教学气氛。核心投体量是一种高温超导体,在高温高温下高温减少。在超导状态下这种材料实际上是一种薄薄的合成材料与分离阶段相比,超导体内部的能量密度因此降低。值得关注的问题是这样的能量差异是否会转化为体重上的差别,以及这种差别到底有多大。万一真空管的能量受引力影响超导体应该会上升并失衡然而通过观察和对真空能源如何产生引力的预测结果却有很大不同。根据爱因斯坦的广义相对论解位公式真空的能量会导致宇宙的加速膨胀。但对宇宙病变的测量会比量子力学预测的得分小很多个。这种差异如此明显,通常被称为“宇宙常数的问题”,这是物理学中有待解决的主要问题之一。阿基米德实验在这种背景下有着重要的意义。在这里——也是关键——将对重力对真空能量的影响进行局部测量。阿基米德实验的研究小组很幸运,他们的发现…无论结果如何都有可能开拓新理论之门我们应该期盼这些结果!阿斯特丽德·兰博希特是犹太人研究中心的主席。她在法国的创新联合会担任校长
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