{"title":"Die langen Schatten komplexer Sportschädigungen","authors":"Diana Krogmann, Eva Flemming, Carsten Spitzer","doi":"10.1007/s00278-024-00733-6","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"<h3 data-test=\"abstract-sub-heading\">Hintergrund</h3><p>Das politisch instrumentalisierte und ideologisch gerahmte Leistungssportsystem der DDR zeichnete sich nicht nur durch eine konspirative Dopingpraxis – gerade von Minderjährigen und jungen Erwachsenen – aus, sondern umfasste weitere Merkmale mit erheblichem Schädigungspotenzial, deren Folgen für die Betroffenen bislang unzureichend untersucht sind. Diese Studie fokussiert Missbrauchserfahrungen im Sportkontext, Prävalenzraten psychischer Störungen und aktuelle Depressivität.</p><h3 data-test=\"abstract-sub-heading\">Methode</h3><p>Minderjährig zwangsgedopte, ehemalige DDR-LeistungssportlerInnen (<i>n</i> = 101) wurden in einem sportbiografischen Interview systematisch nach sportbezogenem Missbrauch gefragt; mithilfe des Diagnostischen Expertensystems für Psychische Störungen (DIA-X) wurden die Punkt-, 12-Monats- und Lebenszeitprävalenzen psychischer Störungen ermittelt sowie die aktuelle Depressivität qua Patient Health Questionnaire‑9 (PHQ-9) erfasst.</p><h3 data-test=\"abstract-sub-heading\">Ergebnisse</h3><p>Die Mehrheit der Studienteilnehmer (56 %) berichtete über emotionalen Missbrauch im Sportkontext, gefolgt von körperlichem (48 %) und sexuellem Missbrauch (23 %). Bei 98 % wurde mindestens eine psychische Störung diagnostiziert, wobei die durchschnittliche Anzahl von Lebenszeitdiagnosen bei 4,2 ± 2,7 lag. Sowohl im Quer- als auch im Längsschnitt wurden Angst-, depressive und somatoforme Schmerzstörungen am häufigsten diagnostiziert. Die Depressivität zum Untersuchungszeitpunkt lag deutlich über den Werten der Allgemeinbevölkerung.</p><h3 data-test=\"abstract-sub-heading\">Diskussion</h3><p>In Übereinstimmung mit Vorbefunden zeigt die vorliegende Studie, dass minderjährig zwangsgedopte, ehemalige DDR-AthletInnen im Sportzusammenhang häufig Missbrauch erlebt haben. Ihre psychische Morbidität ist deutlich höher als die der Allgemeinbevölkerung. In der psychotherapeutischen Praxis ist eine Sensibilität für diese Thematik wichtig, um Betroffenen angemessen begegnen zu können.</p>","PeriodicalId":51806,"journal":{"name":"Psychotherapeut","volume":null,"pages":null},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"2024-07-10","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Psychotherapeut","FirstCategoryId":"102","ListUrlMain":"https://doi.org/10.1007/s00278-024-00733-6","RegionNum":4,"RegionCategory":"心理学","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"Q3","JCRName":"Psychology","Score":null,"Total":0}
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Abstract
Hintergrund
Das politisch instrumentalisierte und ideologisch gerahmte Leistungssportsystem der DDR zeichnete sich nicht nur durch eine konspirative Dopingpraxis – gerade von Minderjährigen und jungen Erwachsenen – aus, sondern umfasste weitere Merkmale mit erheblichem Schädigungspotenzial, deren Folgen für die Betroffenen bislang unzureichend untersucht sind. Diese Studie fokussiert Missbrauchserfahrungen im Sportkontext, Prävalenzraten psychischer Störungen und aktuelle Depressivität.
Methode
Minderjährig zwangsgedopte, ehemalige DDR-LeistungssportlerInnen (n = 101) wurden in einem sportbiografischen Interview systematisch nach sportbezogenem Missbrauch gefragt; mithilfe des Diagnostischen Expertensystems für Psychische Störungen (DIA-X) wurden die Punkt-, 12-Monats- und Lebenszeitprävalenzen psychischer Störungen ermittelt sowie die aktuelle Depressivität qua Patient Health Questionnaire‑9 (PHQ-9) erfasst.
Ergebnisse
Die Mehrheit der Studienteilnehmer (56 %) berichtete über emotionalen Missbrauch im Sportkontext, gefolgt von körperlichem (48 %) und sexuellem Missbrauch (23 %). Bei 98 % wurde mindestens eine psychische Störung diagnostiziert, wobei die durchschnittliche Anzahl von Lebenszeitdiagnosen bei 4,2 ± 2,7 lag. Sowohl im Quer- als auch im Längsschnitt wurden Angst-, depressive und somatoforme Schmerzstörungen am häufigsten diagnostiziert. Die Depressivität zum Untersuchungszeitpunkt lag deutlich über den Werten der Allgemeinbevölkerung.
Diskussion
In Übereinstimmung mit Vorbefunden zeigt die vorliegende Studie, dass minderjährig zwangsgedopte, ehemalige DDR-AthletInnen im Sportzusammenhang häufig Missbrauch erlebt haben. Ihre psychische Morbidität ist deutlich höher als die der Allgemeinbevölkerung. In der psychotherapeutischen Praxis ist eine Sensibilität für diese Thematik wichtig, um Betroffenen angemessen begegnen zu können.
期刊介绍:
Zielsetzung der Zeitschrift
Die Zeitschrift Psychotherapeut richtet sich an Ärzt*innen und Psycholog*innen in der Praxis und Klinik, die psychotherapeutische Kompetenz erworben haben oder in Weiterbildung dazu stehen. Psychotherapeut ist inhaltlich schulenunabhängig und fächerübergreifend konzipiert und strebt die Annäherung und fachliche Diskussion der diversen psychotherapeutischen Schulrichtungen an.
Praxisorientierte Übersichtsarbeiten greifen ausgewählte Themen auf und bieten der Leserschaft eine Zusammenstellung aktueller Erkenntnisse aus allen Bereichen der Psychotherapie. Neben der Vermittlung von relevantem Hintergrundwissen liegt der Schwerpunkt dabei auf konkreten Handlungsempfehlungen.
Frei eingereichte Originalien ermöglichen die Präsentation wichtiger klinischer Studien und dienen dem wissenschaftlichen Austausch.
Beiträge der Rubrik „CME: Weiterbildung – Zertifizierte Fortbildung“ bieten gesicherte Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung und machen ärztliche Erfahrung für die tägliche Praxis nutzbar. Nach Lektüre der Beiträge können die Leser*innen ihr erworbenes Wissen überprüfen und online CME-Punkte erhalten.
Aims & Scope
The journal Psychotherapeut aims at specialists and psychologists who have acquired psychotherapeutic competence or are about to complete their education in this field. The contents of Psychotherapeut are based on a conception that is independent from individual schools and disciplines, and the journal aims to foster the convergence of and professional exchange between the different schools of psychotherapy.
Comprehensive reviews provide an overview on selected topics and offer the reader evidenced based information on diagnostics and therapy.
Freely submitted original papers allow the presentation of important clinical studies and serve the scientific exchange.
Review articles under the rubric ''Continuing Medical Education'' present verified results of scientific research and their integration into daily practice.
Review
All articles of Psychotherapeut are reviewed. Original articles undergo a peer review process.
Declaration of Helsinki
All manuscripts submitted for publication presenting results from studies on probands or patients must comply with the Declaration of Helsinki.
Indexed in Social Sciences Citation Index, EMBASE and Scopus.