Vom „Verbot der besonderen Niveaupflege“ zur Qualitätssicherung im Hochschulbereich

Q4 Social Sciences Verwaltung Pub Date : 2020-04-01 DOI:10.3790/verw.53.2.179
Anna-Bettina Kaiser, Dominik Rennert
{"title":"Vom „Verbot der besonderen Niveaupflege“ zur Qualitätssicherung im Hochschulbereich","authors":"Anna-Bettina Kaiser, Dominik Rennert","doi":"10.3790/verw.53.2.179","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"\n Zusammenfassung\n Die Konstitutionalisierung des deutschen Hochschulzulassungsrechts hat entscheidende Gleichheits- und Bildungsfortschritte gebracht. Eine privatisierte Spitzenbildung der Elite, wie sie die großen Forschungsuniversitäten an der amerikanischen Ostküste anbieten, bleibt dem deutschen System zu Recht fremd. Gleichzeitig ist das deutsche System nicht global isoliert. Das Gleichgewicht zwischen der verfassungsrechtlichen Verbürgung offener Hochschulbildung und den Druckpunkten eines international geöffneten Studien- und Forschungsmarktes zu finden, ist nicht Aufgabe der Verfassung. Es kann nur durch den demokratisch legitimierten Bildungsgesetzgeber immer neu aushandelt und justiert werden. Einer der zentralen Bereiche, in denen diese stetig neuen Kompromisse zustande kommen, ist das Kapazitätsrecht. Es hat die Funktion, schwierige Entscheidungen im Detail auszuarbeiten, sie plausibel zu machen und transparent zu begründen. Das Bundesverfassungsgericht hat das früh erkannt, indem es die normative Gestaltungsmacht des Gesetzgebers betont und den Schwerpunkt seiner Maßstäbe auf die formellen Anforderungen an Verfahren und Begründung gesetzt hat. Diese gelungene Konstitutionalisierung hat über die Jahre einen stabilen Ausgleich zwischen Verfassungsrecht und politischer Reform erlaubt. Sie bleibt auch für neue Reformen offen.\n Dieser Ausgleich gerät erst dann in Gefahr, wenn die verfassungsrechtlichen Vorgaben auf eine Weise (miss–)‌verstanden und gehandhabt werden, die legitime Reformen behindert – sei es, weil die Maßstäbe zu eng gezogen werden, sei es, weil die Landesgesetzgeber aus Angst vor Niederlagen bei Gericht vor Reformen zurückschrecken. Überkonstitutionalisierung darf den Gesetzgeber nicht davon abbringen, seiner Aufgabe im deutschen Hochschulsystem nachzukommen. Seine Spielräume sind größer, als er selbst denkt.\n Abstract\n For more than fifty years, expansion has rightly been the dominating theme in university reform in Germany, paving the way for broad access to higher education and a modern knowledge society. Now that over 50 per cent of high school graduates enter universities, the federal level (Bund) and the states (Länder) are beginning to complement these reforms with a renewed emphasis on quality in teaching and research, both by improving student to professor ratios and research conditions. But this – gradual – reform shift has raised concerns among Länder administrations, as well as among academic commentators, whether these reforms are feasible under German constitutional law. Ever since the first Numerus Clausus decision of the Bundesverfassungsgericht in 1972 recognized a “right to study”, university admission has been heavily constitutionalized. Every piece of reform is subject to close judicial scrutiny whether it unduly limits university capacities to take in new students. A political shift towards increased quality, the concerns go, risks failing overly rigid constitutional standards. But this is not the case. Our law-in-context-approach shows that the constitutional rules that govern university admission are much less “over-constitutionalised” than is commonly assumed. They provide ample room even for considerable shifts in reform agendas, such as towards increased quality in teaching and research.","PeriodicalId":36848,"journal":{"name":"Verwaltung","volume":"53 1","pages":"179-214"},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"2020-04-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Verwaltung","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.3790/verw.53.2.179","RegionNum":0,"RegionCategory":null,"ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"Q4","JCRName":"Social Sciences","Score":null,"Total":0}
引用次数: 0

Abstract

Zusammenfassung Die Konstitutionalisierung des deutschen Hochschulzulassungsrechts hat entscheidende Gleichheits- und Bildungsfortschritte gebracht. Eine privatisierte Spitzenbildung der Elite, wie sie die großen Forschungsuniversitäten an der amerikanischen Ostküste anbieten, bleibt dem deutschen System zu Recht fremd. Gleichzeitig ist das deutsche System nicht global isoliert. Das Gleichgewicht zwischen der verfassungsrechtlichen Verbürgung offener Hochschulbildung und den Druckpunkten eines international geöffneten Studien- und Forschungsmarktes zu finden, ist nicht Aufgabe der Verfassung. Es kann nur durch den demokratisch legitimierten Bildungsgesetzgeber immer neu aushandelt und justiert werden. Einer der zentralen Bereiche, in denen diese stetig neuen Kompromisse zustande kommen, ist das Kapazitätsrecht. Es hat die Funktion, schwierige Entscheidungen im Detail auszuarbeiten, sie plausibel zu machen und transparent zu begründen. Das Bundesverfassungsgericht hat das früh erkannt, indem es die normative Gestaltungsmacht des Gesetzgebers betont und den Schwerpunkt seiner Maßstäbe auf die formellen Anforderungen an Verfahren und Begründung gesetzt hat. Diese gelungene Konstitutionalisierung hat über die Jahre einen stabilen Ausgleich zwischen Verfassungsrecht und politischer Reform erlaubt. Sie bleibt auch für neue Reformen offen. Dieser Ausgleich gerät erst dann in Gefahr, wenn die verfassungsrechtlichen Vorgaben auf eine Weise (miss–)‌verstanden und gehandhabt werden, die legitime Reformen behindert – sei es, weil die Maßstäbe zu eng gezogen werden, sei es, weil die Landesgesetzgeber aus Angst vor Niederlagen bei Gericht vor Reformen zurückschrecken. Überkonstitutionalisierung darf den Gesetzgeber nicht davon abbringen, seiner Aufgabe im deutschen Hochschulsystem nachzukommen. Seine Spielräume sind größer, als er selbst denkt. Abstract For more than fifty years, expansion has rightly been the dominating theme in university reform in Germany, paving the way for broad access to higher education and a modern knowledge society. Now that over 50 per cent of high school graduates enter universities, the federal level (Bund) and the states (Länder) are beginning to complement these reforms with a renewed emphasis on quality in teaching and research, both by improving student to professor ratios and research conditions. But this – gradual – reform shift has raised concerns among Länder administrations, as well as among academic commentators, whether these reforms are feasible under German constitutional law. Ever since the first Numerus Clausus decision of the Bundesverfassungsgericht in 1972 recognized a “right to study”, university admission has been heavily constitutionalized. Every piece of reform is subject to close judicial scrutiny whether it unduly limits university capacities to take in new students. A political shift towards increased quality, the concerns go, risks failing overly rigid constitutional standards. But this is not the case. Our law-in-context-approach shows that the constitutional rules that govern university admission are much less “over-constitutionalised” than is commonly assumed. They provide ample room even for considerable shifts in reform agendas, such as towards increased quality in teaching and research.
查看原文
分享 分享
微信好友 朋友圈 QQ好友 复制链接
本刊更多论文
从“禁止特殊水平维持”到高等教育质量保证
德国高等教育录取法的宪法化在平等和教育方面取得了决定性的进展。美国东海岸的主要研究型大学提供的私立精英教育,与德国的制度格格不入。与此同时,德国的体系并不是全球孤立的。在开放高等教育的宪法保障和国际开放的学习和研究市场的压力点之间找到平衡不是《宪法》的任务。它只能由民主合法化的教育立法者一次又一次地重新谈判和调整。能力法是达成这些不断新妥协的关键领域之一。它的功能是详细阐述困难的决定,使其合理化,并透明地证明其合理性。联邦宪法法院很早就认识到了这一点,强调立法者的规范性权力,并将其标准集中在程序和正当性的正式要求上。多年来,这种成功的宪法化使宪法和政治改革之间保持了稳定的平衡。它还对新的改革持开放态度。只有在理解和处理宪法要求的方式(错误)阻碍合法改革的情况下,这种补偿才会受到威胁——要么是因为标准太窄,要么是因为州立法者害怕在法庭上失败而回避改革。过度宪法化决不能阻碍立法者在德国高等教育体系中发挥作用。他的范围比他想象的要大。摘要50多年来,扩张一直是德国大学改革的主导主题,为广泛接受高等教育和现代知识社会铺平了道路。现在,超过50%的高中毕业生进入大学,联邦一级(Bund)和各州(Länder)开始通过提高学生与教授的比例和研究条件,重新强调教学和研究质量,以补充这些改革。但这种渐进的改革转变引起了各州政府和学术评论家的担忧,即这些改革在德国宪法下是否可行。自从1972年联邦宪法法院的第一项Numerus Clauss裁决承认“学习权”以来,大学录取就被严格宪法化了。每一项改革都要受到严格的司法审查,是否过度限制了大学招收新生的能力。人们担心,向提高质量的政治转变可能会导致过于严格的宪法标准失效。但事实并非如此。我们的法律语境方法表明,管理大学录取的宪法规则远没有人们通常认为的“过于宪法化”。它们甚至为改革议程的周到转变提供了样本空间,例如提高教学和研究质量。
本文章由计算机程序翻译,如有差异,请以英文原文为准。
求助全文
约1分钟内获得全文 去求助
来源期刊
Verwaltung
Verwaltung Social Sciences-Law
CiteScore
0.20
自引率
0.00%
发文量
7
期刊最新文献
Fluggastdatenspeicherung: Die Zukunft von Vorratsdatenspeicherung und automatisierter Verdachtsgenerierung Das Politische der Gemeinnützigkeit: Das Vereinsrecht zwischen Steuerrecht, Gefahrenabwehr und Antidiskriminierung Die Bedeutung von Handbüchern für die Entwicklung des Öffentlichen Rechts Augmented Reality im öffentlichen Raum Das Standardsetzungsmodell des IT-Sicherheitsrechts im Kontext kritischer Infrastrukturen
×
引用
GB/T 7714-2015
复制
MLA
复制
APA
复制
导出至
BibTeX EndNote RefMan NoteFirst NoteExpress
×
×
提示
您的信息不完整,为了账户安全,请先补充。
现在去补充
×
提示
您因"违规操作"
具体请查看互助需知
我知道了
×
提示
现在去查看 取消
×
提示
确定
0
微信
客服QQ
Book学术公众号 扫码关注我们
反馈
×
意见反馈
请填写您的意见或建议
请填写您的手机或邮箱
已复制链接
已复制链接
快去分享给好友吧!
我知道了
×
扫码分享
扫码分享
Book学术官方微信
Book学术文献互助
Book学术文献互助群
群 号:481959085
Book学术
文献互助 智能选刊 最新文献 互助须知 联系我们:info@booksci.cn
Book学术提供免费学术资源搜索服务,方便国内外学者检索中英文文献。致力于提供最便捷和优质的服务体验。
Copyright © 2023 Book学术 All rights reserved.
ghs 京公网安备 11010802042870号 京ICP备2023020795号-1