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Abstract
Die Frage, warum Frauen Infektionsund Autoimmunerkrankungen besonders betroffen sind, wurde in der Forschung bisher vernachlässigt. In dem ERC Starting Grant Projekt ihrer Nachwuchsgruppe an der Technischen Universität München verfolgt Dr. Melanie Schirmer die Hypothese, dass es an hormonellen Interaktionen mit dem menschlichen Mikrobiom liegt. Durch die Integration bioinformatischer und mikrobiologischer Methoden sind der Mathematikerin am Broad-Institut in Cambridge/USA bereits wegweisende Analysen des Mikrobioms gelungen. Allein in Nordamerika und Europa leiden fast vier Millionen Menschen an einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung (IBD) wie Colitis Ulcerosa oder Morbus Crohn. Weltweit steigt die IBDInzidenz seit Jahrzehnten an. Eine genetische Veranlagung allein kann das Entstehen und Persistieren der Krankheit nicht erklären. Vieles spricht dafür, dass dabei ein gestörtes Verhältnis zwischen dem Darm eines Menschen und den Billionen von Mikroben, die ihn besiedeln, eine Rolle spielt. Zur Erhärtung dieser Hypothese hat Melanie Schirmer mit ihrer Forschung erheblich beigetragen, als sie von 2015 bis 2020 zunächst als Post-Doc und später als Computational Scientist mit Prof. Ramnik Xavier und Prof. Curtis Huttenhower in Cambridge/USA zusammenarbeitete. Was sie dort begann, setzt sie im eigenen Labor an der Technischen Universität München (TUM) fort: Sie durchforstet mit bioinformatischen Methoden Sequenzierungsdaten aus dem Mikrobiom und leitet daraus Hypothesen über mögliche Beziehungen zwischen Bakterien und dem Immunoder Hormonsystem ab, die sie anschließend in mikrobiologischen Verfahren experimentell validiert. Noch längst sind nicht alle mikrobiellen Organismen, die in und auf dem menschlichen Körper leben, identifiziert. Schirmer sequenziert daher in Patientenproben nicht nur die Erbinformation einzelner Gene, sondern alle darin vorhandenen Genome, die bei der Sequenzierung in kleinen Bruchstücken gelesen werden. Einer Puzzlespielerin vergleichbar, schließt sie aus diesen Daten darauf, wie die Darmflora eines Menschen zusammengesetzt ist. Um die Funktion dieser Flora zu erhellen, muss sie aber auch deren Aktivitätsmuster kennen. Deshalb untersucht sie auch, welche mikrobiellen Gene besonders häufig transkribiert werden. Ein aktuelles Projekt ihrer Emmy-Noether-Nachwuchsgruppe geht von der Beobachtung aus, dass sich im Darm von IBD-Patienten viele Mikroorganismen aus der Mundhöhle finden, die bei Gesunden dort kaum vorkommen. Um den Gründen dieser Translokation auf die Spur zu kommen, vergleicht sie in prospektiven Studien die genetische Identität und Aktivität von Mikroben aus Speichelund Stuhlproben. So hofft sie, einen Schlüssel zum besseren Verständnis der Krankheitsursuchen von IBD zu finden. Einen ERC Starting Kompass Autoimmun 2023;5:82–86 DOI: 10.1159/000530702