{"title":"Über die Rolle der Gewalt in der Konstruktion und Zerstörung sozialer Systeme (1975/76)","authors":"P. Brückner","doi":"10.30820/1434-7849-2019-2-16","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Ausgehend von der Voraussetzung, dass dem Menschen neben einem Recht auf Leben auch Rechte auf Entwicklung, das heißt Entfaltung individueller Produktivkräfte, und auf Glück zuzusprechen sind, beschäftigt sich der Autor mit den Gefährdungen, mit denen die letzten beiden Rechte in der kapitalistisch produzierenden Gesellschaft konfrontiert sind. Diskussionen zum Thema der Gewalt bleiben häufig oberflächlich, weil sie sich auf offene Gewaltäußerungen beschränken und strukturelle Gewalt, die aus den ökonomischen Verhältnissen, staatlicher Repression und verinnerlichten Zwängen hervorgeht, ausblenden. Offene Gewalt und strukturelle Gewalt stehen in einem Ergänzungsverhältnis: Wird strukturelle Gewalt geschwächt, tritt offene Gewalt zutage, vor allem auch im zwischenmenschlichen Bereich. Zugleich werden im Beitrag aber auch den in den 1960er/70er Jahren neu aufkommenden Emanzipationsbewegungen als Anzeichen der beschriebenen Schwäche der strukturellen Gewalt gelesen. In deren gewaltfreien, dezentralen und basisdemokratischen Formen des Widerstands zeige sich ein Wandel des revolutionären Paradigmas: Anders als das klassisch-arbeitskämpferische Verständnis von Revolutionen, das auf der Annahme geschichtlicher Gesetzmäßigkeiten und Fortschrittskontinuitäten fußt, zielt das Revolutionsverständnis im Sinne der Emanzipationsbewegungen auf einen geschichtlichen Bruch, der nicht nur die Produktionsweise, sondern den gesamten Lebenszusammenhang umwälzt. Für die Emanzipationsbewegungen bestehen Gefahren in der möglichen staatlichen oder wirtschaftlichen Integration ins Bestehende, des Beschränktbleibens auf die unbedeutende Peripherie oder der Bekämpfung durch die (internationale) Konterrevolution. In der Militanz von bewaffneten Gruppen wie der RAF drückt sich einerseits Verzweiflung, aber auch die mögliche Gefahr einer revolutionären Bewegung aus: Die Implantation dessen, was sie bekämpfen will.","PeriodicalId":45063,"journal":{"name":"Finanzarchiv","volume":"35 1","pages":"16-46"},"PeriodicalIF":0.6000,"publicationDate":"2020-07-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Finanzarchiv","FirstCategoryId":"96","ListUrlMain":"https://doi.org/10.30820/1434-7849-2019-2-16","RegionNum":4,"RegionCategory":"经济学","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"Q4","JCRName":"BUSINESS, FINANCE","Score":null,"Total":0}
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Abstract
Ausgehend von der Voraussetzung, dass dem Menschen neben einem Recht auf Leben auch Rechte auf Entwicklung, das heißt Entfaltung individueller Produktivkräfte, und auf Glück zuzusprechen sind, beschäftigt sich der Autor mit den Gefährdungen, mit denen die letzten beiden Rechte in der kapitalistisch produzierenden Gesellschaft konfrontiert sind. Diskussionen zum Thema der Gewalt bleiben häufig oberflächlich, weil sie sich auf offene Gewaltäußerungen beschränken und strukturelle Gewalt, die aus den ökonomischen Verhältnissen, staatlicher Repression und verinnerlichten Zwängen hervorgeht, ausblenden. Offene Gewalt und strukturelle Gewalt stehen in einem Ergänzungsverhältnis: Wird strukturelle Gewalt geschwächt, tritt offene Gewalt zutage, vor allem auch im zwischenmenschlichen Bereich. Zugleich werden im Beitrag aber auch den in den 1960er/70er Jahren neu aufkommenden Emanzipationsbewegungen als Anzeichen der beschriebenen Schwäche der strukturellen Gewalt gelesen. In deren gewaltfreien, dezentralen und basisdemokratischen Formen des Widerstands zeige sich ein Wandel des revolutionären Paradigmas: Anders als das klassisch-arbeitskämpferische Verständnis von Revolutionen, das auf der Annahme geschichtlicher Gesetzmäßigkeiten und Fortschrittskontinuitäten fußt, zielt das Revolutionsverständnis im Sinne der Emanzipationsbewegungen auf einen geschichtlichen Bruch, der nicht nur die Produktionsweise, sondern den gesamten Lebenszusammenhang umwälzt. Für die Emanzipationsbewegungen bestehen Gefahren in der möglichen staatlichen oder wirtschaftlichen Integration ins Bestehende, des Beschränktbleibens auf die unbedeutende Peripherie oder der Bekämpfung durch die (internationale) Konterrevolution. In der Militanz von bewaffneten Gruppen wie der RAF drückt sich einerseits Verzweiflung, aber auch die mögliche Gefahr einer revolutionären Bewegung aus: Die Implantation dessen, was sie bekämpfen will.