{"title":"Aspekte sozialer Ungleichheit im Alter","authors":"J. Simonson, C. Vogel","doi":"10.5771/9783845276687-171","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"In der Forschung zu sozialer Ungleichheit in Deutschland spielte die Lebensphase Alter lange Zeit keine große Rolle. Bei sozialer Ungleichheit im Alter handelte es sich eher um ein Nischenthema der Ungleichheits-, aber auch der Alter(n)ssoziologie. Wichtige Schwerpunkte der Ungleichheitssoziologie liegen zwar auch heute in der Regel bei biographisch frühen Lebensphasen. Gleichzeitig hat sich aber die Ungleichheitsforschung in der Soziologie des Alter(n)s etabliert und auch in der quantitativ ausgerichteten ökonomischen Alternsforschung sowie der zum Teil auch qualitativ ausgerichteten Gerontologie sind unterschiedliche Lebenschancen im Alter heute Thema. Dass die Forschung zu sozialer Ungleichheit im Alter heute einen zentralen Stellenwert in der Alternsforschung genießt, liegt unter anderem an gesellschaftlichen und politischen Veränderungen der vergangenen Jahrzehnte: (1) Altersarmut, die zu Beginn des 21. Jahrhunderts in Deutschland überwunden schien, hat in der letzten Dekade wieder zugenommen (Vogel & Motel-Klingebiel, 2013). Dies bedeutet in einer Gesellschaft des langen Lebens nicht nur, dass die Armutsquote steigt, sondern dass Menschen, die schon zum Beginn des Ruhestandes Alterseinkommen unterhalb der Armutsschwelle erhalten, auch jahrelang in der Altersarmut verbleiben. Während die Möglichkeiten, aus der Armut herauszukommen, im mittleren Lebensalter zum Beispiel durch Erwerbsarbeit nach wie vor gegeben sind, ist Armut im Alter meist ein Dauerzustand. Zudem ist absehbar, dass der Trend zunehmender Altersarmut vor dem Hintergrund der Verrentung der Babyboomer-Jahrgänge anhalten wird (Motel-Klingebiel & Vogel, 2013; Simonson, Kelle, Romeu Gordo, Grabka, Rasner & Westermeier, 2012; Vogel & Künemund, 2014; siehe auch den Beitrag von Fachinger im vorliegenden Band). (2) Der demographische Wandel stellt die sozialen Sicherungssysteme vor Herausforderungen. Die Politik hat nicht nur die Lebensstandardsicherung durch die gesetzliche Rentenversicherung aufgegeben und im Gegenzug die (teils staatlich geförderte) private und die betriebliche Altersvorsorge gestärkt, sondern auch die stufenweise Erhöhung der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung von 65 Jahre auf (bislang) 67 Jahre in die Wege geleitet (Fachinger & Schmähl, 2015). Das hat zu einer öffentlichen Debatte geführt, in der die Umverteilung zwischen Jung und Alt sowie die Frage der Generationengerechtigkeit bis hin zur Sorge um einen Krieg der Generationen im Vordergrund stehen (Albertini, Kohli & Vogel, 2007; Künemund & Vogel, 2006). Es hat aber auch die empirische Forschung etwa zur Situation älterer Arbeitnehmer*innen ebenso wie zur Ungleichheit im Alter befruchtet (Simonson, 2013). 1.","PeriodicalId":23809,"journal":{"name":"Zeitschrift fur Alternsforschung","volume":"63 1","pages":""},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"2019-01-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"3","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Zeitschrift fur Alternsforschung","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.5771/9783845276687-171","RegionNum":0,"RegionCategory":null,"ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"","JCRName":"","Score":null,"Total":0}
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Abstract
In der Forschung zu sozialer Ungleichheit in Deutschland spielte die Lebensphase Alter lange Zeit keine große Rolle. Bei sozialer Ungleichheit im Alter handelte es sich eher um ein Nischenthema der Ungleichheits-, aber auch der Alter(n)ssoziologie. Wichtige Schwerpunkte der Ungleichheitssoziologie liegen zwar auch heute in der Regel bei biographisch frühen Lebensphasen. Gleichzeitig hat sich aber die Ungleichheitsforschung in der Soziologie des Alter(n)s etabliert und auch in der quantitativ ausgerichteten ökonomischen Alternsforschung sowie der zum Teil auch qualitativ ausgerichteten Gerontologie sind unterschiedliche Lebenschancen im Alter heute Thema. Dass die Forschung zu sozialer Ungleichheit im Alter heute einen zentralen Stellenwert in der Alternsforschung genießt, liegt unter anderem an gesellschaftlichen und politischen Veränderungen der vergangenen Jahrzehnte: (1) Altersarmut, die zu Beginn des 21. Jahrhunderts in Deutschland überwunden schien, hat in der letzten Dekade wieder zugenommen (Vogel & Motel-Klingebiel, 2013). Dies bedeutet in einer Gesellschaft des langen Lebens nicht nur, dass die Armutsquote steigt, sondern dass Menschen, die schon zum Beginn des Ruhestandes Alterseinkommen unterhalb der Armutsschwelle erhalten, auch jahrelang in der Altersarmut verbleiben. Während die Möglichkeiten, aus der Armut herauszukommen, im mittleren Lebensalter zum Beispiel durch Erwerbsarbeit nach wie vor gegeben sind, ist Armut im Alter meist ein Dauerzustand. Zudem ist absehbar, dass der Trend zunehmender Altersarmut vor dem Hintergrund der Verrentung der Babyboomer-Jahrgänge anhalten wird (Motel-Klingebiel & Vogel, 2013; Simonson, Kelle, Romeu Gordo, Grabka, Rasner & Westermeier, 2012; Vogel & Künemund, 2014; siehe auch den Beitrag von Fachinger im vorliegenden Band). (2) Der demographische Wandel stellt die sozialen Sicherungssysteme vor Herausforderungen. Die Politik hat nicht nur die Lebensstandardsicherung durch die gesetzliche Rentenversicherung aufgegeben und im Gegenzug die (teils staatlich geförderte) private und die betriebliche Altersvorsorge gestärkt, sondern auch die stufenweise Erhöhung der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung von 65 Jahre auf (bislang) 67 Jahre in die Wege geleitet (Fachinger & Schmähl, 2015). Das hat zu einer öffentlichen Debatte geführt, in der die Umverteilung zwischen Jung und Alt sowie die Frage der Generationengerechtigkeit bis hin zur Sorge um einen Krieg der Generationen im Vordergrund stehen (Albertini, Kohli & Vogel, 2007; Künemund & Vogel, 2006). Es hat aber auch die empirische Forschung etwa zur Situation älterer Arbeitnehmer*innen ebenso wie zur Ungleichheit im Alter befruchtet (Simonson, 2013). 1.