{"title":"耐心自由?批评新自由主义影响科罗娜危机","authors":"Samia Mohammed","doi":"10.5771/9783748910688-33","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Corona ist vorbei – endlich wieder frei, tönt es melodisch bei der Bielefelder Hygienedemonstration im Mai 2020, deren Teilnehmer*innen sich im Widerstand gegen eine Allianz aus Staat, globaler Pharmalobby und Antifa wähnen. Die Redner*innen nehmen wiederholt Bezug auf die Einschränkungen persönlicher Freiheitsrechte durch die Verschärfung des Infektionsschutzgesetzes im Kontext der Corona-Pandemie. Sie seien angetreten, diese Freiheit zu verteidigen und sich das Recht dazu nicht nehmen zu lassen. Was hat es mit dem vielgehörten Rekurs auf Freiheitseinschränkungen während der Corona-Krise und dem Wunsch nach Rückkehr in einen präpandemischen Zustand auf sich – auch jenseits der Kundgebungen auf den Hygienedemos? Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor dem Virus werden als vor der Freiheit rechtfertigungsbedürftig angesehen, was intuitiv einleuchtet – doch auf welche Freiheit wird dabei Bezug genommen, wie gehaltvoll ist sie, und wem wird sie (nicht) zuteil? In diesem Essay soll sich der Frage angenommen werden, inwiefern der Diskurs über Freiheitseinschränkungen durch Schutzmaßnahmen, die im Zuge der Corona-Krise getroffen wurden und werden, sowie über deren schrittweise Lockerungen, einen einseitigen Freiheitsbegriff affirmiert, der den Blick nicht über die liberale Konzeption von Freiheit von äußeren Einschränkungen hinaus zu erheben vermag und so blind wird für die problematischen Implikationen, die die Reduktion von Freiheit auf ein rein negatives Verständnis mit sich bringt. Dafür soll zunächst die Idee negativer Freiheit rekonstruiert sowie darauf eingegangen werden, wie dieses Verständnis in Diskursen um Freiheit und Grundrechte während der CoronaKrise zutage tritt (II). Im Anschluss daran soll eine auf den konkreten Fall der Corona-Krise bezogene Kritik dieser Vorstellungen anhand von vier Einwänden stattfinden: Erstens durch das Thematisieren geteilter und ungleich verteilter Vulnerabilitäten, die in der Krise besonders deutlich werI.","PeriodicalId":316035,"journal":{"name":"Kritik in der Krise","volume":"186 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"2020-11-23","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"1","resultStr":"{\"title\":\"Verletzliche Freiheit? Zur Kritik neoliberaler Freiheitsverständnisse in der Corona-Krise\",\"authors\":\"Samia Mohammed\",\"doi\":\"10.5771/9783748910688-33\",\"DOIUrl\":null,\"url\":null,\"abstract\":\"Corona ist vorbei – endlich wieder frei, tönt es melodisch bei der Bielefelder Hygienedemonstration im Mai 2020, deren Teilnehmer*innen sich im Widerstand gegen eine Allianz aus Staat, globaler Pharmalobby und Antifa wähnen. 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Verletzliche Freiheit? Zur Kritik neoliberaler Freiheitsverständnisse in der Corona-Krise
Corona ist vorbei – endlich wieder frei, tönt es melodisch bei der Bielefelder Hygienedemonstration im Mai 2020, deren Teilnehmer*innen sich im Widerstand gegen eine Allianz aus Staat, globaler Pharmalobby und Antifa wähnen. Die Redner*innen nehmen wiederholt Bezug auf die Einschränkungen persönlicher Freiheitsrechte durch die Verschärfung des Infektionsschutzgesetzes im Kontext der Corona-Pandemie. Sie seien angetreten, diese Freiheit zu verteidigen und sich das Recht dazu nicht nehmen zu lassen. Was hat es mit dem vielgehörten Rekurs auf Freiheitseinschränkungen während der Corona-Krise und dem Wunsch nach Rückkehr in einen präpandemischen Zustand auf sich – auch jenseits der Kundgebungen auf den Hygienedemos? Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor dem Virus werden als vor der Freiheit rechtfertigungsbedürftig angesehen, was intuitiv einleuchtet – doch auf welche Freiheit wird dabei Bezug genommen, wie gehaltvoll ist sie, und wem wird sie (nicht) zuteil? In diesem Essay soll sich der Frage angenommen werden, inwiefern der Diskurs über Freiheitseinschränkungen durch Schutzmaßnahmen, die im Zuge der Corona-Krise getroffen wurden und werden, sowie über deren schrittweise Lockerungen, einen einseitigen Freiheitsbegriff affirmiert, der den Blick nicht über die liberale Konzeption von Freiheit von äußeren Einschränkungen hinaus zu erheben vermag und so blind wird für die problematischen Implikationen, die die Reduktion von Freiheit auf ein rein negatives Verständnis mit sich bringt. Dafür soll zunächst die Idee negativer Freiheit rekonstruiert sowie darauf eingegangen werden, wie dieses Verständnis in Diskursen um Freiheit und Grundrechte während der CoronaKrise zutage tritt (II). Im Anschluss daran soll eine auf den konkreten Fall der Corona-Krise bezogene Kritik dieser Vorstellungen anhand von vier Einwänden stattfinden: Erstens durch das Thematisieren geteilter und ungleich verteilter Vulnerabilitäten, die in der Krise besonders deutlich werI.