{"title":"朱迪思巴特勒,权利","authors":"J. Hahn","doi":"10.14361/9783839447420-004","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"In der Kirchenrechtswissenschaft – Kanonistik – hinterließ Judith Butlers Werk bisher nur wenige unmittelbare Spuren. Von einer kanonistischen ButlerRezeption kann man nicht sprechen. Aber es lassen sich Verbindungslinien zwischen ihrer Theorie und manchen Überlegungen ziehen, die Kanonistinnen und Kanonisten anstellen. Der Rechtswissenschaft im Allgemeinen und der Kanonistik im Speziellen gibt Butler in dreifacher Weise zu denken. Ihre subjektphilosophischen Ausführungen zur Konstituierung des Subjekts treffen sich erstens mit aktuellen Überlegungen zur Entstehung von Rechtssubjektivität. In der gegenwärtigen Rechtsphilosophie wird darüber gestritten, ob das Recht Rechtsubjektivität vorfindet oder nicht vielmehr erfindet – und ebenso darüber, ob dieser rechtliche Beitrag zur neuzeitlichen Subjektkonstituierung positiv zu bewerten sei; in der deutschsprachigen Debattenlandschaft befeuerten jüngst die rechtskritischen Beiträge von Christoph Menke und Daniel Loick die Auseinandersetzung. Die Erkenntnis, dass das Recht als Diskurs nicht nur seine eigenen Rechtssubjekte erzeugt, sondern ihnen innerhalb der Rechtsordnung Identitäten zuschreibt, müssen Rechtswissenschaftlerinnen und Kanonisten zweitens zum Anlass nehmen, um rechtlich präsentierte und zementierte Identitätskonstrukte wie Geschlechtsidentitäten zu hinterfragen. Die feministische Rechtswissenschaft, die unter anderem die Herstellung von Geschlechterrollen im Recht einer Kritik unterzieht, lernte viel von Butlers Grundlagenarbeit über die sprachliche Zuschreibung geschlechtlicher Identität; die Lernprozesse der Kanonistik sind diesbezüglich noch zögerlich. Butlers Vorwurf, dass das Recht beim Versuch, Diskriminierung zu bekämpfen, selbst diskriminiere, wirft drittens als Fundamentalkritik am Recht als Herrschaftsinstrument die prinzipielle Frage auf, wie tauglich Recht als Steuerungsmedium einer freien modernen Gesellschaft ist. Das Debattenfeld, das sich hierdurch eröffnet, bietet reichlich Diskussionsstoff für die Rechtsphilosophie und -theorie, auch die des Kirchenrechts. Der vorliegende Beitrag zeigt in diesem Sinne auf, inwieweit sich Bezüge zwischen Butlers Theorie","PeriodicalId":111007,"journal":{"name":"Judith Butler und die Theologie","volume":"23 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"2020-12-31","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":"{\"title\":\"Judith Butler und das Recht\",\"authors\":\"J. Hahn\",\"doi\":\"10.14361/9783839447420-004\",\"DOIUrl\":null,\"url\":null,\"abstract\":\"In der Kirchenrechtswissenschaft – Kanonistik – hinterließ Judith Butlers Werk bisher nur wenige unmittelbare Spuren. Von einer kanonistischen ButlerRezeption kann man nicht sprechen. Aber es lassen sich Verbindungslinien zwischen ihrer Theorie und manchen Überlegungen ziehen, die Kanonistinnen und Kanonisten anstellen. Der Rechtswissenschaft im Allgemeinen und der Kanonistik im Speziellen gibt Butler in dreifacher Weise zu denken. Ihre subjektphilosophischen Ausführungen zur Konstituierung des Subjekts treffen sich erstens mit aktuellen Überlegungen zur Entstehung von Rechtssubjektivität. In der gegenwärtigen Rechtsphilosophie wird darüber gestritten, ob das Recht Rechtsubjektivität vorfindet oder nicht vielmehr erfindet – und ebenso darüber, ob dieser rechtliche Beitrag zur neuzeitlichen Subjektkonstituierung positiv zu bewerten sei; in der deutschsprachigen Debattenlandschaft befeuerten jüngst die rechtskritischen Beiträge von Christoph Menke und Daniel Loick die Auseinandersetzung. Die Erkenntnis, dass das Recht als Diskurs nicht nur seine eigenen Rechtssubjekte erzeugt, sondern ihnen innerhalb der Rechtsordnung Identitäten zuschreibt, müssen Rechtswissenschaftlerinnen und Kanonisten zweitens zum Anlass nehmen, um rechtlich präsentierte und zementierte Identitätskonstrukte wie Geschlechtsidentitäten zu hinterfragen. Die feministische Rechtswissenschaft, die unter anderem die Herstellung von Geschlechterrollen im Recht einer Kritik unterzieht, lernte viel von Butlers Grundlagenarbeit über die sprachliche Zuschreibung geschlechtlicher Identität; die Lernprozesse der Kanonistik sind diesbezüglich noch zögerlich. Butlers Vorwurf, dass das Recht beim Versuch, Diskriminierung zu bekämpfen, selbst diskriminiere, wirft drittens als Fundamentalkritik am Recht als Herrschaftsinstrument die prinzipielle Frage auf, wie tauglich Recht als Steuerungsmedium einer freien modernen Gesellschaft ist. Das Debattenfeld, das sich hierdurch eröffnet, bietet reichlich Diskussionsstoff für die Rechtsphilosophie und -theorie, auch die des Kirchenrechts. Der vorliegende Beitrag zeigt in diesem Sinne auf, inwieweit sich Bezüge zwischen Butlers Theorie\",\"PeriodicalId\":111007,\"journal\":{\"name\":\"Judith Butler und die Theologie\",\"volume\":\"23 1\",\"pages\":\"0\"},\"PeriodicalIF\":0.0000,\"publicationDate\":\"2020-12-31\",\"publicationTypes\":\"Journal Article\",\"fieldsOfStudy\":null,\"isOpenAccess\":false,\"openAccessPdf\":\"\",\"citationCount\":\"0\",\"resultStr\":null,\"platform\":\"Semanticscholar\",\"paperid\":null,\"PeriodicalName\":\"Judith Butler und die Theologie\",\"FirstCategoryId\":\"1085\",\"ListUrlMain\":\"https://doi.org/10.14361/9783839447420-004\",\"RegionNum\":0,\"RegionCategory\":null,\"ArticlePicture\":[],\"TitleCN\":null,\"AbstractTextCN\":null,\"PMCID\":null,\"EPubDate\":\"\",\"PubModel\":\"\",\"JCR\":\"\",\"JCRName\":\"\",\"Score\":null,\"Total\":0}","platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Judith Butler und die Theologie","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.14361/9783839447420-004","RegionNum":0,"RegionCategory":null,"ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"","JCRName":"","Score":null,"Total":0}
In der Kirchenrechtswissenschaft – Kanonistik – hinterließ Judith Butlers Werk bisher nur wenige unmittelbare Spuren. Von einer kanonistischen ButlerRezeption kann man nicht sprechen. Aber es lassen sich Verbindungslinien zwischen ihrer Theorie und manchen Überlegungen ziehen, die Kanonistinnen und Kanonisten anstellen. Der Rechtswissenschaft im Allgemeinen und der Kanonistik im Speziellen gibt Butler in dreifacher Weise zu denken. Ihre subjektphilosophischen Ausführungen zur Konstituierung des Subjekts treffen sich erstens mit aktuellen Überlegungen zur Entstehung von Rechtssubjektivität. In der gegenwärtigen Rechtsphilosophie wird darüber gestritten, ob das Recht Rechtsubjektivität vorfindet oder nicht vielmehr erfindet – und ebenso darüber, ob dieser rechtliche Beitrag zur neuzeitlichen Subjektkonstituierung positiv zu bewerten sei; in der deutschsprachigen Debattenlandschaft befeuerten jüngst die rechtskritischen Beiträge von Christoph Menke und Daniel Loick die Auseinandersetzung. Die Erkenntnis, dass das Recht als Diskurs nicht nur seine eigenen Rechtssubjekte erzeugt, sondern ihnen innerhalb der Rechtsordnung Identitäten zuschreibt, müssen Rechtswissenschaftlerinnen und Kanonisten zweitens zum Anlass nehmen, um rechtlich präsentierte und zementierte Identitätskonstrukte wie Geschlechtsidentitäten zu hinterfragen. Die feministische Rechtswissenschaft, die unter anderem die Herstellung von Geschlechterrollen im Recht einer Kritik unterzieht, lernte viel von Butlers Grundlagenarbeit über die sprachliche Zuschreibung geschlechtlicher Identität; die Lernprozesse der Kanonistik sind diesbezüglich noch zögerlich. Butlers Vorwurf, dass das Recht beim Versuch, Diskriminierung zu bekämpfen, selbst diskriminiere, wirft drittens als Fundamentalkritik am Recht als Herrschaftsinstrument die prinzipielle Frage auf, wie tauglich Recht als Steuerungsmedium einer freien modernen Gesellschaft ist. Das Debattenfeld, das sich hierdurch eröffnet, bietet reichlich Diskussionsstoff für die Rechtsphilosophie und -theorie, auch die des Kirchenrechts. Der vorliegende Beitrag zeigt in diesem Sinne auf, inwieweit sich Bezüge zwischen Butlers Theorie