作为认识论问题的规划问题。关于规划中多重真理辩论的说明

Christoph Sommer
{"title":"作为认识论问题的规划问题。关于规划中多重真理辩论的说明","authors":"Christoph Sommer","doi":"10.14512/rur.2562","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"\n\nHow should planning deal with the “brutal plurality of truths” (Davy/Levin-Keitel/Sielker 2023). This is a relevant but also controversial question. In this commentary section, Gerd Lintz pointed out that a “broad concept of truth and knowledge” might undermine the ability to cope with the climate and biodiversity crisis in terms of planning (Lintz 2024). Leaving aside the supposed risks of a social-constructivist dilution of the concept of truth, this commentary focuses on planning challenges that go hand in hand with an “epistemization of the political” (Bogner 2021). Epistemization refers to the challenge of how knowledge comes about and by whom it is produced. At the planning level, the question arises as to where and why various forms of truth and knowledge production are increasingly becoming a problem. For example, it is necessary to deal with the (de)politicizing effects of data-driven spatial development, the denial of planning expertise or the suppression of deliberative procedures for plan qualification. Such “knowledge conflicts” must be reflected upon in planning science—especially in interdisciplinary and transdisciplinary research and work contexts.\n\n\nDie Frage, wie Planung – theoretisch und praktisch – mit der gegenwärtigen „brutal plurality of truths“ (Davy/Levin-Keitel/Sielker 2023) umgeht, ist unbestritten dringlich. Bemerkenswert sind allerdings die divergierenden Schlussfolgerungen, die Benjamin Davy, Meike Levin-Keitel und Franziska Sielker sowie Lintz (2024) im Hinblick auf die herausfordernden multiplen Wahrheiten ziehen. Während Benjamin Davy, Meike Levin-Keitel und Franziska Sielker vorschlagen, Polyrationalität als Modus planerischer Praxis analytisch ernst zu nehmen und für eine bedachte pluralistische Planungstheoriebildung werben, nimmt Gerd Lintz deren Artikel zum Anlass, um eindringlich vor einer Art postmodernem Relativismus zu warnen. Problematisch sei der „weite Wahrheits- und Wissensbegriff“ (Lintz 2024: 2) unter anderem deshalb, weil er intersubjektiv überprüfbares Wissen tendenziell abwerte und damit interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Natur‑, Ingenieur‑, Rechts- und Wirtschaftswissenschaften erschwere. Nicht nur das, auch transdisziplinäre Forschung wäre unter der Annahme beliebiger Realitätsvorstellungen kaum vorstellbar.\nGerd Lintz’ Generalabrechnung mit vermeintlich beliebigen postmodernen Wahrheitsverständnissen erinnert ein bisschen an die Science Wars der 1990er-Jahre. Bei diesen ging es – stark vereinfacht gesprochen – um eine Auseinandersetzung zwischen Wissenschaftssoziologen und Naturwissenschaftlern. Erstere hinterfragten die Machart wissenschaftlicher Wahrheit, letztere verwahrten sich gegen einen postmodernen Relativismus (vgl. Grolimund 2018). Inwiefern ein weiter Wissens- und Wahrheitsbegriff nun dem planerischen Problembewusstsein für Klima- und Biodiversitätskrise abträglich ist, kann man diskutieren. Hier soll jedoch ein Aspekt vertieft werden, den Gerd Lintz gar nicht in Abrede stellt und den Benjamin Davy, Meike Levin-Keitel und Franziska Sielker als Polyrationalität der planerischen Praxis thematisieren.\nZunächst sei angenommen, dass „alle, sowohl die Wissenschaftler in den ‚harten’ als auch in den ‚weichen‘ Wissenschaften, Politiker und Anwender, […] ein berechtigtes Interesse daran haben, eine möglichst realistische Einschätzung dessen zu erlangen, was die Wissenschaften können und was nicht“ (Latour 1998: o.S.). Planerinnen kann man dieses Interesse guten Gewissens unterstellen, sie hantieren traditionell mit verschiedenen Wissensformen und müssen permanent die Reichweite und Stichhaltigkeit eigensinniger planungsrelevanter Wissensbestände bewerten. Diese planerische Wissens- bzw. Wahrheitskompetenz wird – so die These – wichtiger werden. Und zwar vor dem Hintergrund eines Trends, den Alexander Bogner (z. B. 2021) auf gesamtgesellschaftlicher Ebene als „Epistemisierung des Politischen“ diagnostiziert.\nDie Debatte um „Fake News“ und „Post Truth“ zeige, so Bogner (2022), wie sehr die Diskussion über die Krise der Demokratie, Partizipation und Polarisierung gegenwärtig mit den Themen Wissen, Wahrheit und Expertise verknüpft werde. Die Tendenz, politische Probleme auf epistemischer Ebene zu reformulieren, nimmt dabei ganz verschiedene Formen an. Man denke beispielsweise an politischen Machterhalt durch gezielte Desinformation, die selbstgerechte Realitätsverweigerung der Querdenker oder das Diktum „Trust the Science“. Aufgrund von letzterem sehen manche in den Klimabewegungen sogar schon eine „demokratie-skeptische Vision des (Klima‑)Politischen“ aufziehen (Voß 2023 o. S.).\nDass sich die Auseinandersetzung um die Bearbeitung von Krisen stärker denn je um epistemische Aspekte (also Fakten, Evidenzen) bzw. deren Leugnung dreht, ist für die politische Austragung von Konflikten hochgradig relevant. Im Gegensatz zu Interessen- oder Verteilungskonflikten, die zur Verhandlung von Kompromissen einladen, geht es bei Wissenskonflikten, so Bogner (2022: 19), um die alles entscheidende Frage, wer „Wahrheit“ für sich reklamieren kann: „Kompromisse sind kaum mehr möglich, wenn unübersichtliche politische Konflikte durch Rekurs auf überlegene Einsicht und Vernunft geschlichtet werden sollen – sei es jene der Wissenschaft oder aber der Hausverstand der radikalen Wissenschaftskritiker“ (Bogner 2022: 19).\nWas bedeutet all dies nun für die wissensintensive wie politische Praxis der Raumplanung? Verstanden als Handlungskoordination unter nicht vorauszusetzendem Konsens (vgl. Scharpf 1973) vermittelt Planung immer schon zwischen raumbezogenem Wissen und planungspolitischen Zielen. Gleichwohl verändern sich die epistemischen Grundlagen der planungspolitischen Zielformulierung, sowohl auf abstrakter, der Planung vorgelagerter Ebene als auch auf der Ebene der konkreten planerischen Praxis.\nSo projizieren Wiechmann, Buße von Colbe, Jenssen et al. (2024: 24) in einem von vier Szenarien zur Zukunft der Planung, dass Planung künftig vor allem mit der Validierung automatisierter Raumanalysen befasst sein wird. Doch wenn Computermodelle und Simulationen die „dominante epistemische Form dar[stellen], mittels derer Mensch-Umwelt-Beziehungen erforscht und gewusst werden“1, wirft das für die politische Praxis der Planung Fragen auf. Hinsichtlich KI-gestützter Modellierung und Verrechnung von Geo- und Landnutzungsdaten hätte ein radikal gedachtes „Follow the Science“ oder gar „Follow the Tech Giants“ das diskussionswürdige Potenzial, Planung im Namen einer „rationalen“ Modellierung konkurrierender Raumnutzungen zu entpolitisieren. Und zwar insofern, als dass planerische Entscheidungen perspektivisch primär „aus den Daten heraus“ legitimiert werden – wo es doch einer planungspolitischen Aushandlung gemeinwohlorientierter Raumentwicklungsziele bedarf.\nIm Kontrast zu derlei technizistisch geblackboxten Formen der Produktion planungsrelevanten Wissens stehen die zuletzt auch planungswissenschaftlich intensiv diskutierten urbanen Reallabore (z. B. Räuchle/Stelzer/Zimmer-Hegmann 2021). Diese haben den Anspruch, experimentell und „auf Augenhöhe“ zu evidenzbasierter Transformation beizutragen. Die Anerkennung verschiedener, eigensinniger Wissenslogiken ist in diesem Ansatz zentral. Auch hier stellt sich auf abstrakter Ebene der Epistemisierung des Planungspolitischen die Frage, inwiefern derlei experimentelle Formate der Wissensgenerierung gegenüber der sich abzeichnenden „New Urban Technocracy“ (Raco/Savini 2019) bestehen werden.\nDoch auch auf der Ebene der Planung selbst zeigt sich, wie planerische Probleme als epistemische Probleme reformuliert werden. So lässt sich in der Austragung von Planungskonflikten eine zunehmende Skepsis gegenüber planerischem Fachwissen beobachten. Das Fachwissen der früher so genannten Fachleute wird in Frage gestellt, etwa von Bürgerinitiativen, die sich auf ihr Erfahrungs- und Betroffenenwissen berufen. Derlei Konflikte um die Anerkennung epistemischer Asymmetrien werden sich im Lichte der oben genannten computergestützten Modellierung raumbezogenen Wissens verschärfen – und das ist mindestens eine praktische Herausforderung für die Gestaltung einer kooperativen Planung. Was sich schließlich ebenso abzeichnet, ist, dass im Zuge des politischen Imperativs der Planungsbeschleunigung deliberative Modi der Planungsqualifizierung durch Beteiligung tendenziell beschnitten werden, sei es im Sinne des von Mieterverbänden geforderten Verzichts auf Bebauungspläne beim Sozialwohnungsbau oder bei der zur Diskussion stehenden sogenannten Bauturbo-Norm § 246e BauGB2. Zugespitzt formuliert ist davon auszugehen, dass zwischen deliberativer Planqualifizierung einerseits und technokratischer Planerfüllung andererseits, intensiver über angemessene Formen und Zeitaufwände der Produktion planungsrelevanten Wissens gestritten werden wird.\nAngesichts derlei umstrittener Formen der Produktion planungsrelevanten Wissens kann eine vorläufige Schlussfolgerung lediglich sein, die planungswissenschaftliche Sensibilität für die verschiedenen Rationalitäten auszubauen, die in der planerischen Praxis zum Tragen kommen. Eine solche Sensibilität für Polyrationalität ist sowohl im Interesse der eigenen Fachentwicklung wie im Interesse der inter- und transdisziplinären Anschlussfähigkeit der Planungswissenschaft.\nDass sich in der Planung verschiedene Rationalitäten überlagern, ist in der deutschsprachigen Planungstheorie spätestens seit Klaus Selles Vorschlag eines „Schichten-Modells“ der Planung (Selle 1995) weitgehend anerkannt (vgl. Fürst 2005; Levin-Keitel/Behrend 2022). Der perspektivische Inkrementalismus ist ein Paradebeispiel für die dialektische Entwicklung von Planungsverständnissen. Polyrationalität durchdringt aber nicht nur Denkschulen, sondern zentrale Verfahren der Planung selbst. So weisen etwa Gailing und Moss (2018: 776) der planerischen Abwägung treffend eine „Zwitterstellung“ zwischen rational-expertokratischer und kommunikativer Gemeinwohlermittlung zu. 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Leaving aside the supposed risks of a social-constructivist dilution of the concept of truth, this commentary focuses on planning challenges that go hand in hand with an “epistemization of the political” (Bogner 2021). Epistemization refers to the challenge of how knowledge comes about and by whom it is produced. At the planning level, the question arises as to where and why various forms of truth and knowledge production are increasingly becoming a problem. For example, it is necessary to deal with the (de)politicizing effects of data-driven spatial development, the denial of planning expertise or the suppression of deliberative procedures for plan qualification. 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Problematisch sei der „weite Wahrheits- und Wissensbegriff“ (Lintz 2024: 2) unter anderem deshalb, weil er intersubjektiv überprüfbares Wissen tendenziell abwerte und damit interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Natur‑, Ingenieur‑, Rechts- und Wirtschaftswissenschaften erschwere. Nicht nur das, auch transdisziplinäre Forschung wäre unter der Annahme beliebiger Realitätsvorstellungen kaum vorstellbar.\\nGerd Lintz’ Generalabrechnung mit vermeintlich beliebigen postmodernen Wahrheitsverständnissen erinnert ein bisschen an die Science Wars der 1990er-Jahre. Bei diesen ging es – stark vereinfacht gesprochen – um eine Auseinandersetzung zwischen Wissenschaftssoziologen und Naturwissenschaftlern. Erstere hinterfragten die Machart wissenschaftlicher Wahrheit, letztere verwahrten sich gegen einen postmodernen Relativismus (vgl. Grolimund 2018). Inwiefern ein weiter Wissens- und Wahrheitsbegriff nun dem planerischen Problembewusstsein für Klima- und Biodiversitätskrise abträglich ist, kann man diskutieren. Hier soll jedoch ein Aspekt vertieft werden, den Gerd Lintz gar nicht in Abrede stellt und den Benjamin Davy, Meike Levin-Keitel und Franziska Sielker als Polyrationalität der planerischen Praxis thematisieren.\\nZunächst sei angenommen, dass „alle, sowohl die Wissenschaftler in den ‚harten’ als auch in den ‚weichen‘ Wissenschaften, Politiker und Anwender, […] ein berechtigtes Interesse daran haben, eine möglichst realistische Einschätzung dessen zu erlangen, was die Wissenschaften können und was nicht“ (Latour 1998: o.S.). Planerinnen kann man dieses Interesse guten Gewissens unterstellen, sie hantieren traditionell mit verschiedenen Wissensformen und müssen permanent die Reichweite und Stichhaltigkeit eigensinniger planungsrelevanter Wissensbestände bewerten. Diese planerische Wissens- bzw. Wahrheitskompetenz wird – so die These – wichtiger werden. Und zwar vor dem Hintergrund eines Trends, den Alexander Bogner (z. B. 2021) auf gesamtgesellschaftlicher Ebene als „Epistemisierung des Politischen“ diagnostiziert.\\nDie Debatte um „Fake News“ und „Post Truth“ zeige, so Bogner (2022), wie sehr die Diskussion über die Krise der Demokratie, Partizipation und Polarisierung gegenwärtig mit den Themen Wissen, Wahrheit und Expertise verknüpft werde. Die Tendenz, politische Probleme auf epistemischer Ebene zu reformulieren, nimmt dabei ganz verschiedene Formen an. Man denke beispielsweise an politischen Machterhalt durch gezielte Desinformation, die selbstgerechte Realitätsverweigerung der Querdenker oder das Diktum „Trust the Science“. Aufgrund von letzterem sehen manche in den Klimabewegungen sogar schon eine „demokratie-skeptische Vision des (Klima‑)Politischen“ aufziehen (Voß 2023 o. S.).\\nDass sich die Auseinandersetzung um die Bearbeitung von Krisen stärker denn je um epistemische Aspekte (also Fakten, Evidenzen) bzw. deren Leugnung dreht, ist für die politische Austragung von Konflikten hochgradig relevant. Im Gegensatz zu Interessen- oder Verteilungskonflikten, die zur Verhandlung von Kompromissen einladen, geht es bei Wissenskonflikten, so Bogner (2022: 19), um die alles entscheidende Frage, wer „Wahrheit“ für sich reklamieren kann: „Kompromisse sind kaum mehr möglich, wenn unübersichtliche politische Konflikte durch Rekurs auf überlegene Einsicht und Vernunft geschlichtet werden sollen – sei es jene der Wissenschaft oder aber der Hausverstand der radikalen Wissenschaftskritiker“ (Bogner 2022: 19).\\nWas bedeutet all dies nun für die wissensintensive wie politische Praxis der Raumplanung? Verstanden als Handlungskoordination unter nicht vorauszusetzendem Konsens (vgl. Scharpf 1973) vermittelt Planung immer schon zwischen raumbezogenem Wissen und planungspolitischen Zielen. Gleichwohl verändern sich die epistemischen Grundlagen der planungspolitischen Zielformulierung, sowohl auf abstrakter, der Planung vorgelagerter Ebene als auch auf der Ebene der konkreten planerischen Praxis.\\nSo projizieren Wiechmann, Buße von Colbe, Jenssen et al. (2024: 24) in einem von vier Szenarien zur Zukunft der Planung, dass Planung künftig vor allem mit der Validierung automatisierter Raumanalysen befasst sein wird. Doch wenn Computermodelle und Simulationen die „dominante epistemische Form dar[stellen], mittels derer Mensch-Umwelt-Beziehungen erforscht und gewusst werden“1, wirft das für die politische Praxis der Planung Fragen auf. Hinsichtlich KI-gestützter Modellierung und Verrechnung von Geo- und Landnutzungsdaten hätte ein radikal gedachtes „Follow the Science“ oder gar „Follow the Tech Giants“ das diskussionswürdige Potenzial, Planung im Namen einer „rationalen“ Modellierung konkurrierender Raumnutzungen zu entpolitisieren. Und zwar insofern, als dass planerische Entscheidungen perspektivisch primär „aus den Daten heraus“ legitimiert werden – wo es doch einer planungspolitischen Aushandlung gemeinwohlorientierter Raumentwicklungsziele bedarf.\\nIm Kontrast zu derlei technizistisch geblackboxten Formen der Produktion planungsrelevanten Wissens stehen die zuletzt auch planungswissenschaftlich intensiv diskutierten urbanen Reallabore (z. B. Räuchle/Stelzer/Zimmer-Hegmann 2021). Diese haben den Anspruch, experimentell und „auf Augenhöhe“ zu evidenzbasierter Transformation beizutragen. Die Anerkennung verschiedener, eigensinniger Wissenslogiken ist in diesem Ansatz zentral. Auch hier stellt sich auf abstrakter Ebene der Epistemisierung des Planungspolitischen die Frage, inwiefern derlei experimentelle Formate der Wissensgenerierung gegenüber der sich abzeichnenden „New Urban Technocracy“ (Raco/Savini 2019) bestehen werden.\\nDoch auch auf der Ebene der Planung selbst zeigt sich, wie planerische Probleme als epistemische Probleme reformuliert werden. So lässt sich in der Austragung von Planungskonflikten eine zunehmende Skepsis gegenüber planerischem Fachwissen beobachten. Das Fachwissen der früher so genannten Fachleute wird in Frage gestellt, etwa von Bürgerinitiativen, die sich auf ihr Erfahrungs- und Betroffenenwissen berufen. Derlei Konflikte um die Anerkennung epistemischer Asymmetrien werden sich im Lichte der oben genannten computergestützten Modellierung raumbezogenen Wissens verschärfen – und das ist mindestens eine praktische Herausforderung für die Gestaltung einer kooperativen Planung. Was sich schließlich ebenso abzeichnet, ist, dass im Zuge des politischen Imperativs der Planungsbeschleunigung deliberative Modi der Planungsqualifizierung durch Beteiligung tendenziell beschnitten werden, sei es im Sinne des von Mieterverbänden geforderten Verzichts auf Bebauungspläne beim Sozialwohnungsbau oder bei der zur Diskussion stehenden sogenannten Bauturbo-Norm § 246e BauGB2. Zugespitzt formuliert ist davon auszugehen, dass zwischen deliberativer Planqualifizierung einerseits und technokratischer Planerfüllung andererseits, intensiver über angemessene Formen und Zeitaufwände der Produktion planungsrelevanten Wissens gestritten werden wird.\\nAngesichts derlei umstrittener Formen der Produktion planungsrelevanten Wissens kann eine vorläufige Schlussfolgerung lediglich sein, die planungswissenschaftliche Sensibilität für die verschiedenen Rationalitäten auszubauen, die in der planerischen Praxis zum Tragen kommen. 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摘要

规划应如何处理 "残酷的真理多元化"(Davy/Levin-Keitel/Sielker,2023 年)。这是一个相关但也有争议的问题。在本评论部分,格尔德-林茨(Gerd Lintz)指出,"广义的真理和知识概念 "可能会削弱规划应对气候和生物多样性危机的能力(Lintz 2024)。撇开社会建构主义淡化真理概念的所谓风险不谈,本评论的重点是与 "政治认识论化"(Bogner 2021)同时存在的规划挑战。认识论化指的是知识如何产生以及由谁产生的挑战。在规划层面,问题在于各种形式的真理和知识生产在何处以及为何日益成为问题。例如,有必要处理数据驱动的空间发展的(去)政治化效应、规划专业知识的否定或规划资格审议程序的压制。这种 "知识冲突 "必须在规划科学中进行反思,特别是在跨学科和跨学科的研究和工作背景下。规划如何--在理论上和实践上--处理当前 "残酷的真理多元化"(Davy/Levin-Keitel/Sielker,2023 年)的问题无疑是紧迫的。然而,本杰明-戴维、梅克-莱文-凯特尔和弗兰兹斯卡-西尔克与林茨(2024 年)就具有挑战性的多重真相得出的结论却大相径庭。Benjamin Davy、Meike Levin-Keitel 和 Franziska Sielker 建议从分析角度认真对待多重合理性这一规划实践模式,并主张对规划理论采取深思熟虑的多元化方法,而 Gerd Lintz 则以他们的文章为契机,对一种后现代相对主义提出了紧急警告。广义的真理和知识概念"(Lintz 2024:2)之所以存在问题,主要是因为它往往贬低主观间可验证的知识,从而增加了与自然科学、工程学、法学和经济学开展跨学科合作的难度。不仅如此,在任意的现实概念假设下,跨学科研究也几乎是不可想象的。格尔德-林茨对所谓任意的后现代真理理解的总体清算,多少让人联想到 20 世纪 90 年代的科学大战。简单地说,这是科学社会学家与自然科学家之间的争论。前者质疑科学真理的性质,后者则为自己辩护,反对后现代相对主义(见 Grolimund 2018)。广义的知识和真理概念在多大程度上不利于对气候和生物多样性危机的规划意识,还有待商榷。然而,Gerd Lintz 并未否认的一个方面,以及 Benjamin Davy、Meike Levin-Keitel 和 Franziska Sielker 将其归纳为规划实践的多重合理性,应在此进行更深入的探讨:首先,应假定 "每个人,包括'硬'科学和'软'科学的科学家、政治家和用户,[......]都有合法权益,对科学能做什么和不能做什么进行尽可能现实的评估"(Latour 1998: n.p.)。可以认为,规划者出于良知拥有这种利益;他们传统上与不同形式的知识打交道,必须不断评估自身与规划相关的知识体系的范围和有效性。根据本论文,这种规划知识和真理能力将变得更加重要。亚历山大-博格纳(Alexander Bogner)(例如,2021 年)将这一趋势诊断为整个社会层面的 "政治认识论化",博格纳(2022 年)认为,围绕 "假新闻 "和 "后真相 "的辩论表明,目前关于民主危机、参与和两极分化的讨论在多大程度上与知识、真相和专业技能等话题相关联。在认识论层面重新表述政治问题的趋势有多种不同形式。例如,通过有针对性的虚假信息来维护政治权力,横向思考者自以为是地否认现实,或者 "相信科学 "的口号。基于后者,一些人甚至认为在气候运动中出现了 "民主地怀疑(气候)政治的观点"(Voß 2023 n.p.)。关于如何应对危机的辩论比以往任何时候都更多地围绕认识层面(即事实、证据)或对其的否认,这与政治解决冲突密切相关。 例如,Gailing 和 Moss(2018:776)恰如其分地将一种介于理性-专家和沟通决定共同利益之间的 "混合立场 "归因于规划考虑。与 Bäcklund 和 Mä
本文章由计算机程序翻译,如有差异,请以英文原文为准。
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Planning problems as epistemic problems. Notes on the debate about multiple truths in planning
How should planning deal with the “brutal plurality of truths” (Davy/Levin-Keitel/Sielker 2023). This is a relevant but also controversial question. In this commentary section, Gerd Lintz pointed out that a “broad concept of truth and knowledge” might undermine the ability to cope with the climate and biodiversity crisis in terms of planning (Lintz 2024). Leaving aside the supposed risks of a social-constructivist dilution of the concept of truth, this commentary focuses on planning challenges that go hand in hand with an “epistemization of the political” (Bogner 2021). Epistemization refers to the challenge of how knowledge comes about and by whom it is produced. At the planning level, the question arises as to where and why various forms of truth and knowledge production are increasingly becoming a problem. For example, it is necessary to deal with the (de)politicizing effects of data-driven spatial development, the denial of planning expertise or the suppression of deliberative procedures for plan qualification. Such “knowledge conflicts” must be reflected upon in planning science—especially in interdisciplinary and transdisciplinary research and work contexts. Die Frage, wie Planung – theoretisch und praktisch – mit der gegenwärtigen „brutal plurality of truths“ (Davy/Levin-Keitel/Sielker 2023) umgeht, ist unbestritten dringlich. Bemerkenswert sind allerdings die divergierenden Schlussfolgerungen, die Benjamin Davy, Meike Levin-Keitel und Franziska Sielker sowie Lintz (2024) im Hinblick auf die herausfordernden multiplen Wahrheiten ziehen. Während Benjamin Davy, Meike Levin-Keitel und Franziska Sielker vorschlagen, Polyrationalität als Modus planerischer Praxis analytisch ernst zu nehmen und für eine bedachte pluralistische Planungstheoriebildung werben, nimmt Gerd Lintz deren Artikel zum Anlass, um eindringlich vor einer Art postmodernem Relativismus zu warnen. Problematisch sei der „weite Wahrheits- und Wissensbegriff“ (Lintz 2024: 2) unter anderem deshalb, weil er intersubjektiv überprüfbares Wissen tendenziell abwerte und damit interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Natur‑, Ingenieur‑, Rechts- und Wirtschaftswissenschaften erschwere. Nicht nur das, auch transdisziplinäre Forschung wäre unter der Annahme beliebiger Realitätsvorstellungen kaum vorstellbar. Gerd Lintz’ Generalabrechnung mit vermeintlich beliebigen postmodernen Wahrheitsverständnissen erinnert ein bisschen an die Science Wars der 1990er-Jahre. Bei diesen ging es – stark vereinfacht gesprochen – um eine Auseinandersetzung zwischen Wissenschaftssoziologen und Naturwissenschaftlern. Erstere hinterfragten die Machart wissenschaftlicher Wahrheit, letztere verwahrten sich gegen einen postmodernen Relativismus (vgl. Grolimund 2018). Inwiefern ein weiter Wissens- und Wahrheitsbegriff nun dem planerischen Problembewusstsein für Klima- und Biodiversitätskrise abträglich ist, kann man diskutieren. Hier soll jedoch ein Aspekt vertieft werden, den Gerd Lintz gar nicht in Abrede stellt und den Benjamin Davy, Meike Levin-Keitel und Franziska Sielker als Polyrationalität der planerischen Praxis thematisieren. Zunächst sei angenommen, dass „alle, sowohl die Wissenschaftler in den ‚harten’ als auch in den ‚weichen‘ Wissenschaften, Politiker und Anwender, […] ein berechtigtes Interesse daran haben, eine möglichst realistische Einschätzung dessen zu erlangen, was die Wissenschaften können und was nicht“ (Latour 1998: o.S.). Planerinnen kann man dieses Interesse guten Gewissens unterstellen, sie hantieren traditionell mit verschiedenen Wissensformen und müssen permanent die Reichweite und Stichhaltigkeit eigensinniger planungsrelevanter Wissensbestände bewerten. Diese planerische Wissens- bzw. Wahrheitskompetenz wird – so die These – wichtiger werden. Und zwar vor dem Hintergrund eines Trends, den Alexander Bogner (z. B. 2021) auf gesamtgesellschaftlicher Ebene als „Epistemisierung des Politischen“ diagnostiziert. Die Debatte um „Fake News“ und „Post Truth“ zeige, so Bogner (2022), wie sehr die Diskussion über die Krise der Demokratie, Partizipation und Polarisierung gegenwärtig mit den Themen Wissen, Wahrheit und Expertise verknüpft werde. Die Tendenz, politische Probleme auf epistemischer Ebene zu reformulieren, nimmt dabei ganz verschiedene Formen an. Man denke beispielsweise an politischen Machterhalt durch gezielte Desinformation, die selbstgerechte Realitätsverweigerung der Querdenker oder das Diktum „Trust the Science“. Aufgrund von letzterem sehen manche in den Klimabewegungen sogar schon eine „demokratie-skeptische Vision des (Klima‑)Politischen“ aufziehen (Voß 2023 o. S.). Dass sich die Auseinandersetzung um die Bearbeitung von Krisen stärker denn je um epistemische Aspekte (also Fakten, Evidenzen) bzw. deren Leugnung dreht, ist für die politische Austragung von Konflikten hochgradig relevant. Im Gegensatz zu Interessen- oder Verteilungskonflikten, die zur Verhandlung von Kompromissen einladen, geht es bei Wissenskonflikten, so Bogner (2022: 19), um die alles entscheidende Frage, wer „Wahrheit“ für sich reklamieren kann: „Kompromisse sind kaum mehr möglich, wenn unübersichtliche politische Konflikte durch Rekurs auf überlegene Einsicht und Vernunft geschlichtet werden sollen – sei es jene der Wissenschaft oder aber der Hausverstand der radikalen Wissenschaftskritiker“ (Bogner 2022: 19). Was bedeutet all dies nun für die wissensintensive wie politische Praxis der Raumplanung? Verstanden als Handlungskoordination unter nicht vorauszusetzendem Konsens (vgl. Scharpf 1973) vermittelt Planung immer schon zwischen raumbezogenem Wissen und planungspolitischen Zielen. Gleichwohl verändern sich die epistemischen Grundlagen der planungspolitischen Zielformulierung, sowohl auf abstrakter, der Planung vorgelagerter Ebene als auch auf der Ebene der konkreten planerischen Praxis. So projizieren Wiechmann, Buße von Colbe, Jenssen et al. (2024: 24) in einem von vier Szenarien zur Zukunft der Planung, dass Planung künftig vor allem mit der Validierung automatisierter Raumanalysen befasst sein wird. Doch wenn Computermodelle und Simulationen die „dominante epistemische Form dar[stellen], mittels derer Mensch-Umwelt-Beziehungen erforscht und gewusst werden“1, wirft das für die politische Praxis der Planung Fragen auf. Hinsichtlich KI-gestützter Modellierung und Verrechnung von Geo- und Landnutzungsdaten hätte ein radikal gedachtes „Follow the Science“ oder gar „Follow the Tech Giants“ das diskussionswürdige Potenzial, Planung im Namen einer „rationalen“ Modellierung konkurrierender Raumnutzungen zu entpolitisieren. Und zwar insofern, als dass planerische Entscheidungen perspektivisch primär „aus den Daten heraus“ legitimiert werden – wo es doch einer planungspolitischen Aushandlung gemeinwohlorientierter Raumentwicklungsziele bedarf. Im Kontrast zu derlei technizistisch geblackboxten Formen der Produktion planungsrelevanten Wissens stehen die zuletzt auch planungswissenschaftlich intensiv diskutierten urbanen Reallabore (z. B. Räuchle/Stelzer/Zimmer-Hegmann 2021). Diese haben den Anspruch, experimentell und „auf Augenhöhe“ zu evidenzbasierter Transformation beizutragen. Die Anerkennung verschiedener, eigensinniger Wissenslogiken ist in diesem Ansatz zentral. Auch hier stellt sich auf abstrakter Ebene der Epistemisierung des Planungspolitischen die Frage, inwiefern derlei experimentelle Formate der Wissensgenerierung gegenüber der sich abzeichnenden „New Urban Technocracy“ (Raco/Savini 2019) bestehen werden. Doch auch auf der Ebene der Planung selbst zeigt sich, wie planerische Probleme als epistemische Probleme reformuliert werden. So lässt sich in der Austragung von Planungskonflikten eine zunehmende Skepsis gegenüber planerischem Fachwissen beobachten. Das Fachwissen der früher so genannten Fachleute wird in Frage gestellt, etwa von Bürgerinitiativen, die sich auf ihr Erfahrungs- und Betroffenenwissen berufen. Derlei Konflikte um die Anerkennung epistemischer Asymmetrien werden sich im Lichte der oben genannten computergestützten Modellierung raumbezogenen Wissens verschärfen – und das ist mindestens eine praktische Herausforderung für die Gestaltung einer kooperativen Planung. Was sich schließlich ebenso abzeichnet, ist, dass im Zuge des politischen Imperativs der Planungsbeschleunigung deliberative Modi der Planungsqualifizierung durch Beteiligung tendenziell beschnitten werden, sei es im Sinne des von Mieterverbänden geforderten Verzichts auf Bebauungspläne beim Sozialwohnungsbau oder bei der zur Diskussion stehenden sogenannten Bauturbo-Norm § 246e BauGB2. Zugespitzt formuliert ist davon auszugehen, dass zwischen deliberativer Planqualifizierung einerseits und technokratischer Planerfüllung andererseits, intensiver über angemessene Formen und Zeitaufwände der Produktion planungsrelevanten Wissens gestritten werden wird. Angesichts derlei umstrittener Formen der Produktion planungsrelevanten Wissens kann eine vorläufige Schlussfolgerung lediglich sein, die planungswissenschaftliche Sensibilität für die verschiedenen Rationalitäten auszubauen, die in der planerischen Praxis zum Tragen kommen. Eine solche Sensibilität für Polyrationalität ist sowohl im Interesse der eigenen Fachentwicklung wie im Interesse der inter- und transdisziplinären Anschlussfähigkeit der Planungswissenschaft. Dass sich in der Planung verschiedene Rationalitäten überlagern, ist in der deutschsprachigen Planungstheorie spätestens seit Klaus Selles Vorschlag eines „Schichten-Modells“ der Planung (Selle 1995) weitgehend anerkannt (vgl. Fürst 2005; Levin-Keitel/Behrend 2022). Der perspektivische Inkrementalismus ist ein Paradebeispiel für die dialektische Entwicklung von Planungsverständnissen. Polyrationalität durchdringt aber nicht nur Denkschulen, sondern zentrale Verfahren der Planung selbst. So weisen etwa Gailing und Moss (2018: 776) der planerischen Abwägung treffend eine „Zwitterstellung“ zwischen rational-expertokratischer und kommunikativer Gemeinwohlermittlung zu. Mit Bäcklund und Mä
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Balancing, alternatives and variants in municipal planning processes: general considerations and results of an empirical analysis Mapping access to medical service provision at micro-scale: Dynamics in supply and demand in Germany Raus aus der Komfortzone: Von kohlenstoffarmen zu umweltschonenden Städten Planning problems as epistemic problems. Notes on the debate about multiple truths in planning Book review of: Affolderbach, Julia; Schulz, Christian (2024): Wirtschaftsgeographien der Nachhaltigkeit
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