{"title":"战士、工人和家庭男人:1933-1941年纳粹德国的德国犹太男人及其性别经历。塞巴斯蒂安·休贝尔著。多伦多:多伦多大学出版社,2022。264页+[ql 29 b/w图像。35.95美元的平装本或电子书。","authors":"Javier Samper Vendrell","doi":"10.3368/m.115.2.309","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"die Perspektive des Kindes wechselt und erst am Ende der Handlung wieder zur elterlichen Sichtweise zurückkehrt, aus der das vom Kind Erlebte im Schnelldurchlauf aus ,objektiver‘ Warte nochmals gezeigt wird. Kracauer zufolge sollte diese Schlusswendung auf das Publikum ,,wie die Auflösung der Bilderrätsel des Haupt-Teiles wirken“ (zit. 321). So dankbar man für den Hinweis auf Kracauers praktische Filmarbeit ist, die erst in jüngster Zeit von Nia Perivolaropoulou (L’atelier cinématographique de Siegfried Kracauer, 2018) näher erforscht worden ist, und so erhellend Rühses Hinweise zu den Entstehungsumständen und letztlich fehlschlagenden Umsetzungsbemühungen sind: Ihr weit ausholender Deutungsansatz, der die kurze Skizze als Gegenentwurf zur NS-Jugendideologie eines Films wie Hitlerjunge Quex (1933) und als rationalismuskritisches Vorspiel zu Horkheimers und Adornos Dialektik der Aufklärung (1947) zu profilieren sucht, erscheint doch etwas überzogen. Weitaus präziser und daher auch plausibler argumentiert die Autorin dann wieder im abschließenden Kapitel, das der Genese und dem weiteren Schicksal der im ,,Marseiller Entwurf“ (1940/41) zur Theorie des Films noch so prominent platzierten TotentanzMetapher nachgeht. Anhand der Kracauer bekannten Bearbeitungen von Sergej Eisensteins in Mexiko gefilmtem Diá de Muertos-Material kann Rühse schlüssig begründen, weshalb Kracauer den Bezug zu einer dieser Fassungen fremder Hand – Lesser Sols Death Day (1934) – zunächst ins Konzept der Theorie des Films aufgenommen, letztlich jedoch auf ihn verzichtet hat. Aus Kracauers filmtheoretischem opus magnum verschwunden ist damit auch die schrecklich schöne Sentenz: ,,Das Gesicht gilt dem Film nichts, wenn nicht der Totenkopf dahinter einbezogen ist: ,Danse macabre‘. Zu welchem Ende? Das wird man sehen.“ (Zit. 223) Jede der fünf Fallstudien des Buches endet mit einem schlaglichtartigen Ausblick auf die Medienkultur der Gegenwart. In diesen kurzen Schlussstücken soll die Aktualität der Positionen Kracauers überprüft werden. Dies geschieht allerdings – in etwa nach dem Motto ,,Wenn Kracauer heute noch leben würde [ . . . ]“ (60) – auf so oberflächliche Art, dass sie fast schon drohen, den Ertrag der zuvor geleisteten philologischen und kulturhistorischen Rekonstruktionen wieder zu verspielen. Der Lektüreeindruck wird auch dadurch getrübt, dass das Buch über weite Strecken sprachlich ungelenk wirkt und mitunter Stilblüten produziert, die in unmittelbarer Nachbarschaft zu Zitaten eines so ausgefeilten Stilisten wie Kracauer umso greller ins Auge stechen.","PeriodicalId":54028,"journal":{"name":"Monatshefte","volume":"20 1","pages":"309 - 311"},"PeriodicalIF":0.1000,"publicationDate":"2023-01-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":"{\"title\":\"Fighter, Worker, and Family Man: German-Jewish Men and Their Gendered Experiences in Nazi Germany, 1933–1941. By Sebastian Huebel. 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