„High Potentials” – Zum (in)effektiven Einsatz studierter Physiotherapeuten für die Professionalisierung der Physiotherapie
Korrespondenzadresse Prof. Dr. rer. pol. Heidi Hoppner. PT, M. P.H, Dipl.-Sozialwirtin, Vorstandsvorsitzende Hochschulverbund Gesundheitsfachberufe/ HVG e. V. Fachhochschule Kiel, Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit heidi.hoeppner@fh-kiel.de „Akademiker sind begehrt – Arbeitsmarkt fur Akademiker in Deutschland“ lautete die Titelzeile der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) am 20./21.09.2008. Die Auswertung von Stellenausschreibungen in Printmedien zeigte neue Arbeitsfelder im Gesundheitswesen. Weiter im Text: „Die Einsatzgebiete der Gesuchten sind breit gestreut: Ein Viertel der Aufgaben entfallt auf den Bereich Gesundheit, Forschung und Lehre.“ Gute Voraussetzungen also, die Anstrengungen um ein breites und gutes Angebot an Studienplatzen fur die Physiotherapie in Deutschland fortzusetzen und auf Absolventen zu bauen. Warum also meine kritische Frage, die an der Effektivitat des Umgangs mit unseren High Potentials moglicherweise Zweifel erkennen lasst? Wie ist deren Beitrag fur die Professionalisierung der Physiotherapie bislang zu werten? Sehen die Betroffenen diese Aufgabe eigentlich selbst – und wenn ja, haben sie die Bedingungen, die sie brauchen, ihre Potenziale auch entwickeln zu konnen? Wir haben lange auf die Absolventen und Absolventen der ersten Studiengange Physiotherapie in Deutschland gewartet. Scherfer hies sie 2003 in seinem Beitrag treffend willkommen: „Was ist eigentlich ein Bachelor – und warum heisen wir Sie herzlich willkommen?“ [3]. Das war vor gut 5 Jahren. Seit 2002 verlassen Bachelor-Absolventen nun erfreulicherweise regelmasig deutsche Hochschulen und seit 2005 auch Master-Absolventen. Schatzungsweise 1–2% der ca. 80000 Berufsangehorigen der Physiotherapie sind aktuell akademisch ausgebildet. Die Etablierung der Studiengange zeigte in den letzten 8 Jahren dynamische Tendenz. Mit einem weiteren kontinuierlichen Anstieg studierter Physiotherapeuten an der Gesamtberufsgruppe kann also gerechnet werden. Fur alle merkbar ist: Die Absolventen verandern die Physiotherapieszene in Deutschland, z.B. durch ihre Beitrage in Fachzeitschriften, ihre Prasenz auf Tagungen und Kongressen oder gegebenenfalls auch im konkreten Praxisoder Stationsalltag. Doch reicht das aus? Konnen wir uns mit diesem Resultat zufriedengeben? Sind wir auf dem richtigen Weg und die Anzahl und Zeit werden es schon richten? Da einen bekanntlich im Wesentlichen ja Fragen und weniger gleich eine Antwort weiterbringen, mochte ich die Chance dieses Gasteditorials nutzen, und meine Uberlegungen und Fragen als Professorin seit Beginn der Etablierung von Studiengangen Deutschland dazu ausern. Was wissen wir und was konnen wir zum jetzigen Zeitpunkt uber die Karrieren der Absolventen wissen sowie aus vorliegenden Ergebnissen wirklich ruckschliesen? Wie munden die Absolventen konkret in die Arbeitswelt ein und konnen sie dort „das Neue“ auch zum Einsatz bringen? Was ist das Mehr in der Physiotherapie durch die Studierten. Kurz: Lassen sich auch im konkreten Arbeitsalltag Professionalisierungstendenzen erkennen? Besonders liegt mir jedoch folgende Frage am Herzen: Geht die These meines Kommentars fur den GEK-Report 2007 Die Akademisierung der Gesundheitsfachberufe – Ein Beitrag zur Qualitatssicherung und Effektivitatssteigerung gesundheitlicher Versorgung in Deutschland [1] wirklich auf? Auf das Ergebnis solcher Untersuchungen werden wir warten mussen. Gerade den Effekt dieser Intervention in der Strukturqualitat (veranderte Ausbildung von Therapeuten) in Outcomeoder Output-Variablen in der Versorgungsforschung abzubilden, ist ein anspruchsvolles, jedoch meines Erachtens lohnenswertes Unterfangen. Es wird keine offentliche Legitimation der Akademisierung geben, wenn nicht Effekte fur die Gesundheitsversorgung nachweisbar sind. Als „teilnehmende Beobachterin“ erlaube ich mir also den Akademisierungsprozess zum Zwecke der Professionalisierung mit besonderem Akzent auf die Nutzung der Ressource Absolventen zu kommentieren und auf Probleme hinweisen. Bisher gibt es meines Wissens keine Ergebnisse breit angelegter und aussagekraftiger Untersuchungen uber die Absolventen der Studienprogramme fur Gesundheitsfachberufe (Physio-, Ergotherapie, Logopadie) in Deutschland. Der Hochschulverbund wird sich dieser Aufgabe in absehbarer Zeit stellen. Einzelne Ergebnisse der Absolventenbefragungen sind aufgrund der Studienmodelle noch stark verzerrt: Ob jemand mit 23 Jahren in einem dualen Modell seinen Bachelor-Degree erwirbt oder im Alter von Mitte 30, d.h. nach einer Ausbildung und Berufserfahrung, einen 6semestrigen Studiengang anschliest, sind vollig unterschiedliche Ausgangsvoraussetzungen. Wenn ich im Folgenden die Situation von Absolventen skizziere, geschieht dies ohne Anspruch auf die Gute statistischer Daten. Die Einschatzung beruht auf Ergebnissen der Absolventenbefragungen meiner und anderer Hochschulen. Vor allem handelt es sich jedoch um Begegnungen mit Arbeitgebern und Absolventen in ganz unterschiedlichen Kontexten, wie z.B. ZiPT (Zukunftsinitiative Physiotherapie), HVG (Hochschulverband Gesundheitsfachberufe) oder die Erfahrungen eines Workshops im letzten Jahr, die mich zu den Uberlegungen angeregt haben. In Kooperation mit dem IFK (Bundesverband selbststandiger Physiotherapeuten) und dem Engagement ei-