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„Galizien grenzt an Berlin“ – Jiddische Übersetzungen deutschsprachiger Klassiker als ein Ausdruck selbstbewusster Jiddischkeit1
Das Zitat „Galizien grenzt an Berlin“ entstammt dem Schauspiel „Der Kaufmann von Berlin“, das Walter Mehring 1929, mit Blick auf die Inflationszeit Mitte der 1920er Jahre, verfasste. Der Satiriker und scharfe Beobachter zeichnete darin ein Kaleidoskop der Metropole Berlin als Sammelbecken unterschiedlichster kultureller und politischer Bewegungen. In jenen Jahren war Berlin wenn auch kein Sehnsuchtsort so doch ein Orientierungspunkt fur die vielen judischen Migranten aus Osteuropa. Die Hauptstadt der jungen Weimarer Republik diente als Zwischenstation auf dem Weg aus der Unterdruckung in die Freiheit und symbolisiert, als Metapher fur eine Kultur und Geisteshaltung, jenen Ubergang vom verklarten Schtetl-Dasein hin zu einer selbstbewussten, aufgeklarten „Jiddischkeit“, die in den osteuropaischen Metropolen ihren Ursprung nahm. Nicht erst zu Beginn der 1920er-Jahre, als Berlin einer der bedeutendsten Verlagsorte fur jiddischsprachige Publizistik war, ruckten deutschsprachige Klassiker und Bestseller in den Fokus der jiddischen Publizistik. Wurden diese bis dato in Warschau, Wilna, Kiew, Moskau oder Odessa im Original gelesen, machten sich hier wie dort jiddischschreibende Autoren daran, Lessings Nathan, Heines Lieder, Schillers Rauber aber auch Marx' Kapital zu ubersetzen und deren Ideen, Ideale und Ideologien innerhalb des osteuropaischen Judentums zu verbreiten. Der vorliegende Beitrag gewahrt einen Einblick in die jiddische Ubersetzungslandschaft und Publizistik deutschsprachiger Literatur bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges.