{"title":"Lieferkettengesetz – wie wird es wirksam?","authors":"Stefanie Lorenzen","doi":"10.5771/0342-300X-2021-1-66","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Mehrere Länder haben inzwischen die Verantwortung von Unternehmen für Menschenrechte in Lieferketten gesetzlich geregelt. Meist betreffen sie spezifische Branchen, Themen oder Rechte, etwa ein niederländisches Gesetz gegen Kinderarbeit, Verhaltensstandards zu Konfliktrohstoffen in den USA und der EU, Berichtspflichten in Bezug auf Menschenhandel und moderne Sklaverei in Großbritannien, Australien und den USA. In Deutschland befindet sich im September 2020, zum Entstehungszeitpunkt dieses Beitrags, die Debatte um ein sektorunabhängiges, allgemeines Lieferkettengesetz in einer entscheidenden Phase. 2016 formulierte die Bundesregierung in ihrem Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) die Erwartung an alle deutschen Unternehmen, Menschenrechte in ihren Lieferketten zu achten. 1 Dabei setzte sie grundsätzlich darauf, dass Unternehmen dies freiwillig erfüllen. Bis zum Sommer 2020 wurde in zwei Erhebungsphasen geprüft, ob mindestens die Hälfte der ca. 7200 international aktiven deutschen Unternehmen mit mehr als 500 Arbeitnehmern bereits von sich aus einer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht nachkommen. In der abschließenden Evaluierung erfüllten nur etwa 13–17 % der Unternehmen die Menschenrechtsvorgaben des NAP. Aufgrund dieser mehr als deutlich unter 50 % liegenden Quote sah sich die Bundesregierung aus dem NAP und dem Koalitionsvertrag von 2017 verpflichtet, „national gesetzlich tätig“ zu werden. Federführend für Eckpunkte zu einem Gesetzentwurf waren die Bundesministerien für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ), für Arbeit und Soziales (BMAS) und für Wirtschaft (BMWi). Sowohl Entwicklungsminister Gert Müller (CSU) als auch Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) stellten sich wiederholt hinter ein ambitioniertes, haftungsbewehrtes Lieferkettengesetz. Dagegen steht Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) dem Projekt insgesamt eher kritisch gegenüber. Vieles ist in der zum jetzigen Zeitpunkt noch ausstehenden Einigung über Eckpunkte zu einem Gesetz strittig. Dieser Beitrag diskutiert deshalb, welcher Inhalte und Voraussetzungen es bedarf, um ein deutsches Lieferkettengesetz wirksam machen. Welche Umstände unterstützen, dass die Ziele einer solchen Regulierung erreicht werden ? Hierzu werden einige Regelungselemente und Wirkungsbedingungen des Gesetzes selbst untersucht. Darüber hinaus blickt der Beitrag auf weitere Rahmenbedingungen, insbesondere die Rolle der Arbeitnehmervertretungen.","PeriodicalId":255082,"journal":{"name":"WSI-Mitteilungen","volume":"44 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"2021-01-31","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"1","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"WSI-Mitteilungen","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.5771/0342-300X-2021-1-66","RegionNum":0,"RegionCategory":null,"ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"","JCRName":"","Score":null,"Total":0}
引用次数: 1
Abstract
Mehrere Länder haben inzwischen die Verantwortung von Unternehmen für Menschenrechte in Lieferketten gesetzlich geregelt. Meist betreffen sie spezifische Branchen, Themen oder Rechte, etwa ein niederländisches Gesetz gegen Kinderarbeit, Verhaltensstandards zu Konfliktrohstoffen in den USA und der EU, Berichtspflichten in Bezug auf Menschenhandel und moderne Sklaverei in Großbritannien, Australien und den USA. In Deutschland befindet sich im September 2020, zum Entstehungszeitpunkt dieses Beitrags, die Debatte um ein sektorunabhängiges, allgemeines Lieferkettengesetz in einer entscheidenden Phase. 2016 formulierte die Bundesregierung in ihrem Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) die Erwartung an alle deutschen Unternehmen, Menschenrechte in ihren Lieferketten zu achten. 1 Dabei setzte sie grundsätzlich darauf, dass Unternehmen dies freiwillig erfüllen. Bis zum Sommer 2020 wurde in zwei Erhebungsphasen geprüft, ob mindestens die Hälfte der ca. 7200 international aktiven deutschen Unternehmen mit mehr als 500 Arbeitnehmern bereits von sich aus einer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht nachkommen. In der abschließenden Evaluierung erfüllten nur etwa 13–17 % der Unternehmen die Menschenrechtsvorgaben des NAP. Aufgrund dieser mehr als deutlich unter 50 % liegenden Quote sah sich die Bundesregierung aus dem NAP und dem Koalitionsvertrag von 2017 verpflichtet, „national gesetzlich tätig“ zu werden. Federführend für Eckpunkte zu einem Gesetzentwurf waren die Bundesministerien für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ), für Arbeit und Soziales (BMAS) und für Wirtschaft (BMWi). Sowohl Entwicklungsminister Gert Müller (CSU) als auch Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) stellten sich wiederholt hinter ein ambitioniertes, haftungsbewehrtes Lieferkettengesetz. Dagegen steht Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) dem Projekt insgesamt eher kritisch gegenüber. Vieles ist in der zum jetzigen Zeitpunkt noch ausstehenden Einigung über Eckpunkte zu einem Gesetz strittig. Dieser Beitrag diskutiert deshalb, welcher Inhalte und Voraussetzungen es bedarf, um ein deutsches Lieferkettengesetz wirksam machen. Welche Umstände unterstützen, dass die Ziele einer solchen Regulierung erreicht werden ? Hierzu werden einige Regelungselemente und Wirkungsbedingungen des Gesetzes selbst untersucht. Darüber hinaus blickt der Beitrag auf weitere Rahmenbedingungen, insbesondere die Rolle der Arbeitnehmervertretungen.