Literatur und Psychologie. Zum Erkenntnispotenzial fiktionaler Welten

Abstract

Zusammenfassung Die Überlegungen in diesem Beitrag gehen der Frage nach, ob und inwieweit Literatur, also eine Gattung der Kunst, als Quelle der Erfahrung zu Erkenntnissen der Psychologie beitragen kann. Ausgehend von der Zurückhaltung der akademischen Psychologie gegenüber den Werken der Dichtung und ihren möglichen Beitrag zur psychologischen Erkenntnisbildung wird auf der Grundlage der Philosophie der symbolischen Formen von Ernst Cassirer argumentiert, dass aufgrund der jeweils gegebenen sprachlichen Verfasstheit die fiktionale Welt der Literatur in gleicher Weise präsent ist wie die faktische Alltagswelt. Mithilfe des von Robert Musil eingeführten Möglichkeitssinns wird allerdings auf die Besonderheit der durch Literatur erzeugten Welten aufmerksam gemacht. Es wird deutlich, dass Dichtung nicht nur eine wichtige Quelle psychologischer Erfahrungsbildung darstellt, sondern ebenso wesentlich zur Möglichkeit der Reflexion von Lebensumständen und Lebensformen in der Gesellschaft beiträgt. Auf diese Weise verfolgt die Psychologie nicht nur ein Erkenntnisinteresse, sondern auch einen Bildungsauftrag.