Krankheit Vitiligo – Ein Positionspapier zur Stigmatisierung, Einschränkung der Lebensqualität und psychosozialen Komorbidität

IF 5.5 4区 医学 Q1 DERMATOLOGY Journal Der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft Pub Date : 2024-10-11 DOI:10.1111/ddg.15503_g
Markus Böhm, Rachel Sommer, Uwe Gieler, Petra Staubach, Alexander Zink, Christian Apfelbacher, Eva M. J. Peters
{"title":"Krankheit Vitiligo – Ein Positionspapier zur Stigmatisierung, Einschränkung der Lebensqualität und psychosozialen Komorbidität","authors":"Markus Böhm,&nbsp;Rachel Sommer,&nbsp;Uwe Gieler,&nbsp;Petra Staubach,&nbsp;Alexander Zink,&nbsp;Christian Apfelbacher,&nbsp;Eva M. J. Peters","doi":"10.1111/ddg.15503_g","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"<p>Die Vitiligo ist eine Erkrankung, bei der es durch den Verlust der pigmentbildenden Zellen der Haut, der Melanozyten, zu einem meist deutlich sichtbaren Farbverlust der Haut kommt. Die häufigste Form, die nicht-segmentale Vitiligo (NSV), wird allgemein als Autoimmunerkrankung angesehen. Auf dem Boden genetischer Disposition und erhöhter Vulnerabilität der Melanozyten, unter anderem gegenüber oxidativem Stress und mechanischer Irritation, kommt es zu einer CD8<sup>+</sup>-vermittelten Immunreaktion.<span><sup>1</sup></span> Inflammatorische somatische Komorbidität wie Neurodermitis und andere Autoimmunerkrankungen sind häufig. Die Zulassung des Januskinase-1/2-Inihibitors Ruxolitinib als erste vitiligospezifische topische Therapie ist ein wichtiger Schritt zur besseren Patientenversorgung.<span><sup>2</sup></span> Trotz des Vorliegens nationaler Leitlinien<span><sup>3</sup></span> und internationaler Konsensusempfehlungen zur Diagnostik und Therapie dieser Erkrankung<span><sup>4, 5</sup></span> besteht ein erheblicher Bedarf an zielgerichteten und effizienteren personalisierten Therapiekonzepten.</p><p>Vitiligo wird nicht selten als rein kosmetisches Problem verkannt. Die Patienten werden stigmatisiert und als nicht behandelbar abgewiesen. Neueste Untersuchungen belegen, dass Vitiligo in erheblichem Maße gravierende psychosoziale Konsequenzen hat. Dies verschärft die klinische Unterversorgung betroffener Patienten. Ziel dieser Übersicht und Positionspapieres ist es daher, die Vitiligo inklusive ihrer oftmals signifikanten Einschränkung der Lebensqualität und der häufig auftretenden psychischen Komorbidität in den Fokus der deutschen dermatologischen Versorgung zu rücken. Zur Optimierung der klinischen Versorgung der Patienten schlagen wir ein integriertes interdisziplinäres Vorgehen vor, das somatische und psychosoziale Faktoren im Sinne des biopsychosozialen Models gleichermaßen berücksichtigt.</p><p>Die erste Untersuchung zur weltweiten Prävalenz von Vitiligo basierte auf mehr als 50 Studien bei Erwachsenen und Kindern und errechnete eine Prävalenz von 0,06%–2,28% in der erwachsenen Gesamtbevölkerung und von 0,0%–2,16% bei Kindern.<span><sup>6</sup></span> Eine aktuelle Metaanalyse mit 103 Studien ergab eine gepoolte Prävalenz von 0,2% (basierend auf 82 populations- und bevölkerungsbasierten Studien) bis 1,5% (basierend auf Punktprävalenzen aus 22 krankenhausbasierten Studien).<span><sup>7</sup></span> Zwei neuere Fragebogenstudien aus den USA,<span><sup>8</sup></span> sowie Europa (inklusive Deutschland als teilnehmendes Land mit 75 Patienten von n = 6590 Befragten), USA und Japan,<span><sup>9</sup></span> zur gesicherten und ungesicherten Diagnose der Vitiligo ergaben Gesamtprävalenzen von 1,11% beziehungsweise 1,3%, wobei bis zu 40% der Fälle aus den USA keine formale Diagnose hatten. Für Deutschland untersuchte jüngst eine Studie Diagnosedaten einer großen gesetzlichen Versicherungsgesellschaft (n = 1 619 678) aus dem Jahre 2014 und primäre Daten einer großen Kohorte von durch Dermatologen untersuchten Beschäftigten im Alter von 16–70 Jahren über einen Zeitraum von 2004 bis 2014 (n = 121 783). Die ermittelte Prävalenz lag bei 0,77% beziehungsweise 0,17%,<span><sup>10</sup></span> wobei hier von einer erheblichen Dunkelziffer auszugehen ist, da nur erfasste ICD-Abrechnungsdiagnosen dargestellt wurden. Aktuelle epidemiologische Daten zur altersabhängigen Entwicklung der Inzidenz und Prävalenz der Vitiligo in den letzten 10 Jahren liegen noch nicht abschließend vor.</p><p>Dass Patienten mit Vitiligo bislang unzureichend therapiert sind, ist durch eine Reihe von Studien belegt. So hatten in einer deutschlandweiten Fragebogenstudie aus den Jahren 2006–2007 lediglich 38,7% aller Patienten (n = 1.023) einen Patienten-Benefit-Index &gt; 1, was einen minimalen Nutzen durch die verfügbaren Therapien entspricht.<span><sup>11</sup></span> Diese Zahlen dürften sich bei der noch bis vor kurzem unveränderten Therapielandschaft der Vitiligo in den letzten Jahren kaum geändert haben. Eine aktuelle und global durchgeführte Querschnittsstudie, an der 17 Länder aus sieben geographischen Bereichen teilnahmen, belegt die klinische Unterversorgung und die Auswirkungen von Vitiligo auf die psychosoziale Gesundheit.<span><sup>12, 13</sup></span> Zum Einfluss der Erkrankung auf ihr Leben wurden erwachsene Patienten mit Vitiligo (n = 3541) befragt. Zur angewendeten Diagnostik und durchgeführten Therapie wurden auch medizinische Fachkräfte (n = 1203) befragt. Im Schnitt vergingen von den ersten Hautveränderungen bis zur formellen Diagnosestellung 2,4 Jahre für die Patienten. Nach eigenen Angaben wurden 44,9% der Patienten zuvor falsch diagnostiziert. Darüber hinaus gaben 56,7% der befragten Patienten an, dass ihnen von ärztlicher Seite gesagt wurde, dass es keine Behandlungsmöglichkeiten gäbe. Die unzureichende Therapie hatte profunde Veränderungen im Alltag der betroffenen Patienten zur Folge. Mehr als 40% der Befragten gab an, dass die Vitiligo ihr tägliches Leben beeinträchtige, wobei zu den mit Belastung verbundenen Aktivitäten unter anderem Kleiderwahl, soziale Aktivitäten, Händeschütteln oder intime Aktivitäten mit dem Partner gehörten. Circa 25% der Befragten gab an, dass die Erkrankung die berufliche Karrierewahl beeinflusse.<span><sup>13</sup></span> Mehr als die Hälfte der Befragten gab an, dass „ihr Leben ohne Vitiligo völlig anders verlaufen wäre“ und dass sie an einer psychischen Erkrankung wie einer Angsterkrankung oder einer depressiven Erkrankung litten (siehe unten). Leider liegen für Patienten mit Vitiligo in Deutschland keine solchen epidemiologischen Daten und Informationen zur Behandlungsgeschichte vor.</p><p>Stigmatisierung wird als vielschichtiges Konstrukt verstanden, und umfasst die Dimensionen <i>(1)</i> Identifikation und Kennzeichnung eines Unterschiedes, <i>(2)</i> Verknüpfung des Unterschieds mit einem negativen Stereotyp, <i>(3)</i> soziale Distanzierung und Unterscheidung zwischen „uns“ und „ihnen“ sowie <i>(4)</i> Statusverlust und Diskriminierung durch Ablehnung und Ausschluss begleitet von direkten sozialen und wirtschaftlichen Konsequenzen.<span><sup>14</sup></span> Das Konstrukt kann unterteilt werden in externe Stigmatisierung und Selbst-/internalisierte Stigmatisierung. Dabei wird die Diskriminierung einer Gruppe von Menschen aufgrund von Stereotypen und Vorurteilen gegenüber einem bestimmten Merkmal als ersteres bezeichnet, während die Selbstdiskriminierung aufgrund verinnerlichter Stereotypen und Vorurteile als letzteres bezeichnet wird. Entsprechend umfasst ein kürzlich entwickeltes konzeptuelles Modell für die Stigmatisierung bei sichtbaren Hauterkrankungen eine externe und eine interne Dimension und berücksichtigt auch die Interaktion zwischen diesen Dimensionen und die Auswirkung soziodemografischer und krankheitsspezifischer Faktoren auf die Stigmatisierung.<span><sup>15</sup></span></p><p>Unabhängig von der Art der Stigmatisierung sind die Konsequenzen für Betroffene schwerwiegend (Abbildung 1a–c). So konnte gezeigt werden, dass das Erleben von Stigmatisierung bei Menschen mit Hauterkrankungen die Lebensqualität beeinträchtigt, zu mehr Angst- und depressiven Störungen führt und sogar zu einem erhöhten Risiko für Suizidalität.<span><sup>15, 16</sup></span> Ein aktueller systematischer Literaturreview zu den psychosozialen Folgen der Vitiligo konnte zeigen, dass das Gefühl der Stigmatisierung die häufigste psychosoziale Belastung der Betroffenen ist.<span><sup>17</sup></span> Insgesamt acht in das Review eingeschlossene Studien (davon n = 2 in Deutschland, jeweils n = 1 in Indien, Nepal, UK und n = 3 in den USA) erfassten Stigmatisierung bei Vitiligo. Keine der Studien verwendete jedoch einen validierten Fragebogen. Auch fand keine Differenzierung zwischen externer und Selbststigmatisierung statt, welches im Hinblick auf die Entwicklung von Interventionen zur Reduktion von Stigmatisierung von Relevanz ist. Da sieben der acht Studien acht Jahre und älter sind, ist vor dem Hintergrund der enormen Zunahme der Nutzung sozialer Medien in den vergangenen Jahren zudem eine Aktualisierung der Datenerhebung zum Stigmatisierungserleben von Menschen mit Vitiligo notwendig, denn es ist davon auszugehen, dass sich die Thematik durch die breite Verfügbarkeit und gewachsene Nutzung der sozialen Medien seither verändert hat.</p><p>Die Erfassung von Stigmatisierung bei Kindern und Jugendlichen mit Vitiligo ist von besonderer Wichtigkeit, um der Entwicklung und/oder Chronifizierung von psychischen Komorbidität wie Angst- und depressiven Erkrankungen vorzubeugen.<span><sup>18</sup></span> Verpasste Chancen im Beruf (<i>missed opportunities</i>) und weitere negative psychosoziale Folgen einer Erkrankung an Vitiligo können zu einer kumulativen und möglicherweise irreversiblen Beeinträchtigung (<i>cumulative life course impairment</i>) im Laufe der Erkrankung führen.<span><sup>19</sup></span></p><p>Weitere Studien aus Deutschland beziehen sich auf erwachsene Patienten.<span><sup>20</sup></span> In einer Studie wurde das Ausmaß der Stigmatisierung unter Berücksichtigung sichtbarer Areale mit dem Fragebogen zum Erleben von Hautbeschwerden (<i>Questionnaire on Experience with Skin Complaints</i>; QES) an einer Stichprobe von 363 Menschen mit Vitiligo erfasst. Die Studie zeigte einen signifikanten Einfluss des Geschlechts auf die QES-Skalen „Rückzug“ (p = 0,03) und „Gelassenheit“ (p &lt; 0,001). Frauen zogen sich demnach häufiger zurück und waren besorgter als Männer. Die Sichtbarkeit der Läsionen übte ebenfalls einen signifikanten Einfluss aus. In der Gruppe mit „sichtbaren“ Läsionen zeigten sich im Vergleich mit der Gruppe mit nicht sichtbaren Arealen signifikant höhere Werte in den Skalen „Rückzug“ (p = 0,034) und „Selbstwertgefühl“ (p = 0,041).<span><sup>20</sup></span></p><p>Für die Erfassung und Bewertung von Stigmatisierungserleben ist die Verwendung validierter Messinstrumente wichtig. Eine kürzlich publizierte systematische Literaturübersicht zu Messinstrumenten für Stigmatisierung bei sichtbaren Hauterkrankungen konnte zwölf von 21 verwendeten Instrumenten zur Nutzung empfehlen.<span><sup>21</sup></span> Die meisten validierten Instrumente lagen für Lepra gefolgt von Psoriasis und Verbrennungen vor. Es konnte kein validiertes Instrument für den Einsatz bei Vitiligo identifiziert werden. Entsprechend ist die Datenlage zur Stigmatisierung von Menschen mit Vitiligo in Deutschland unzureichend. Um diese systematisch und standardisiert erfassen zu können, sollten bestehende Fragebögen wie beispielsweise der <i>Perceived Stigmatization Questionnaire</i> für Vitiligo adaptiert und validiert und/oder neue Fragebögen entwickelt werden.</p><p>Für Interventionen zur Entstigmatisierung unter anderem von Vitiligo liegt ebenfalls ein systematischer Review mit insgesamt 19 Studien vor.<span><sup>22</sup></span> Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Patienten von kognitiver Verhaltenstherapie im Hinblick auf den Umgang mit Vitiligo und das Leben mit der Erkrankung profitieren können. Jedoch wurde der Effekt des Programms nicht durch die Erfassung von Selbststigmatisierung direkt, sondern über verwandte Konstrukte wie Körperbild, Selbstwertgefühl und Lebensqualität evaluiert.<span><sup>23</sup></span> Ein derartiges Programm liegt derzeit für Deutschland nicht vor, Studien zu weiteren Therapieverfahren fehlen weitgehend.</p><p>Das Ausmaß und die Art der Stigmatisierung haben einen direkten Einfluss auf die Lebensqualität von Patienten mit Hautkrankheiten, einschließlich Vitiligo.<span><sup>15</sup></span> Unter den Messinstrumenten für die gesundheitsbezogene Lebensqualität (QoL) ist der <i>Dermatology Life Quality Index</i> (DLQI)<span><sup>24</sup></span> das weltweit am häufigsten (n = 144 Publikationen) bei Vitiligo-Patienten eingesetzte <i>Patient-Reported Outcome Measure</i> (PROM).<span><sup>25</sup></span></p><p>Es handelt sich jedoch nicht um ein spezifisches <i>Health-Related (HR) PROM</i> für Vitiligo. Der DLQI erfasst Symptome wie Juckreiz, Brennen, Wundsein und Schmerzen (Frage 1 des DLQI), die keine typischen Symptome der Vitiligo sind, obwohl Juckreiz als gelegentliches Symptom in einer indischen Kohorte von Vitiligo-Patienten beschrieben wurde.<span><sup>26</sup></span> Noch weniger Verwendung findet der <i>Children's DLQI</i> (C-DLQI), der dermatologisch ebenso unspezifisch ist. Obwohl es eine Reihe von validierten HR-QoL-Instrumenten für Hauterkrankungen gibt, wurden die <i>Vitiligo (Viti)QoL</i><span><sup>27</sup></span> und die <i>Vitiligo Impact Patient Scale</i> (VIPs)<span><sup>28</sup></span> als Vitiligo-spezifische Instrumente bisher nur 15-mal beziehungsweise sieben Mal in publizierten Studien verwendet.<span><sup>25</sup></span> In der Routineversorgung von Patienten mit Vitiligo spielt die Erhebung der QoL in Deutschland bislang keine Rolle, während dies bei Patienten mit Psoriasis vulgaris oder atopischer Dermatitis, die für eine Systemtherapie mit Biologika oder systemischen JAK-Inhibitoren in Frage kommen, ein standardisiertes Vorgehen ist. Bei anderen chronisch entzündlichen Hauterkrankungen, wie zum Beispiel chronischer Urtikaria, stehen krankheitsspezifische Scores wie der <i>Urticaria Quality of Life Questionnaire</i> (Cu QOL) oder der <i>Urticaria Control Test</i> (UCT) als validierte gut etablierte Messinstrumente zur Verfügung und erlauben das Messen des spezifischen Therapieerfolges.</p><p>Aufgrund dieser Situation liegt aktuell eine sehr begrenzte Zahl von Studien zur Messung der Beeinträchtigung der Lebensqualität von Patienten mit Vitiligo in Deutschland vor. Die umfangreichste Untersuchung bildet bislang eine deutschlandweite Fragebogenaktion aus dem Jahre 2009 an 3319 Patienten, die von zwei deutschen Vitiligo-Selbsthilfevereinigungen durchgeführt wurde. Dabei wurden Kinder und Erwachsene befragt, allerdings wurde kein Kinder-spezifischer DLQI verwendet. Der mittlere DLQI betrug bei n = 1023 zurückgesandten Fragebögen 7,0 (7,5 bei Frauen, 5,5 bei Männern). Patienten mit Psoriasis vulgaris hatten im Vergleich dazu einen DLQI von 8,6.<span><sup>29</sup></span> Bei 24,6% der Patienten mit Vitiligo bestand ein DLQI &gt; 10, was eine schwere Beeinträchtigung der QoL anzeigt. Zwischen dem Ausmaß der Einschränkung der QoL und der <i>willingness to pay</i> (WTP), ein Konstrukt zur Einschätzung der Krankheitslast, bestand eine signifikante Korrelation (χ<sup>2</sup> = 65,43, p &lt; 0,001). Die WTP war am höchsten bei Patienten mit Vitiligo im Alter von 30–60 Jahren und korrelierte mit der Dauer der Erkrankung und der betroffenen Körperoberfläche. Von den Patienten mit Vitiligo gaben 32,9% an, mehr als 5000 € für eine komplette Remission bezahlen zu wollen.<span><sup>29</sup></span> In einer weiteren kleinen Studie von Krüger und Schallreuter aus dem Jahr 2015 war der mittlere DLQI bei erwachsenen Patienten (n = 96) zwar höher als bei den Kontrollpersonen (4,9 vs. 1,6, p = 0,03), allerdings war die Kontrollkohorte ungleich kleiner (n = 23) und bestand aus Freunden und Verwandten der befragten Patienten, was die Interpretierbarkeit dieses Ergebnisses einschränkt.<span><sup>20</sup></span> In einer dritten, noch kleineren randomisierten kontrollierten Studie, in der die Wirkung von 0,1%iger Tacrolimus-Salbe unter Okklusion bei 30 erwachsenen Vitiligo-Patienten mit Placebo verglichen wurde, war der mittlere DLQI bei den Betroffenen wiederum höher, nämlich 12,4,<span><sup>30</sup></span> was auf die besondere therapeutische Situation der behandelten Studienkohorte hinweisen könnte. Neuere Studien zur Vitiligo-spezifischen Einschränkung der QoL existieren unseres Wissens für Deutschland nicht.</p><p>Eine große Anzahl von Studien ergab einen höheren mittleren DLQI bei Patienten mit Befall der sichtbaren Bereiche (Gesicht und Hände) und des Genitalbereichs. Zudem war die Lebensqualität bei Patienten im jüngeren Erwachsenenalter stärker eingeschränkt als bei den Über-60-Jährigen. Auch die prozentuale Ausdehnung der Vitiligo resultiert oft in höherem DLQI.<span><sup>25, 31</sup></span> Patienten mit dunkleren Hauttypen haben typischerweise einen höheren DLQI als hellhäutige Personen. Viele Studien zeigten zudem einen höheren DLQI bei unverheirateten und geschiedenen Patienten mit Vitiligo als bei verheirateten Personen.<span><sup>25</sup></span> Einem kürzlich erschienenen Review zur Messung des DLQI bei Patienten mit Vitiligo weltweit zufolge gibt es auch heterogene Ergebnisse zur Lebensqualität in bestimmten geografischen Regionen, zum Beispiel in Saudi-Arabien. Hier wurden mittlere DLQI-Werte zwischen 4 und 14,82 ermittelt,<span><sup>25</sup></span> was allerdings methodisch begründet sein könnte.</p><p>Die Einschränkung der Lebensqualität von mit Vitiligo betroffenen Kindern war gemessen an den wenigen Studien, die den C-DLQI benutzten, meist gering bis moderat. Bei den Kindern bestand jedoch eine signifikante Korrelation zwischen der Einschränkung der HR-QoL und dem Alter. Nur ein sehr geringer Anteil (4,1%) der 15–17-Jährigen berichtete über keine Beeinträchtigung der QoL durch ihre Vitiligo. Begleiterkrankungen wie Diabetes mellitus oder Schilddrüsenerkrankungen resultierten erwartungsgemäß in einer stärkeren Einschränkung der QoL bei Patienten mit Vitiligo. Zwei kleine Studien deuten darauf hin, dass auch Familienangehörige von Patienten mit Vitiligo eine Einschränkung der QoL erfahren, die mit dem Alter der Betroffenen ansteigt.<span><sup>25</sup></span></p><p>Trotz des deutlich negativen Einflusses der Vitiligo auf die Lebensqualität und der berichteten klinischen Behandlungserfolge konnte bisher keine der in der aktuellen S1-Leitlinie<span><sup>3</sup></span> zur Vitiligo empfohlenen Therapieoptionen zu einer signifikanten Verbesserung der gemessenen QoL führen.<span><sup>25</sup></span> Dies könnte an der eingeschränkten Effizienz der bisherigen Therapien liegen und/oder der limitierten Validität der eingesetzten generischen Instrumente zur Erfassung der QoL bei Patienten mit Vitiligo.</p><p>Eine krankheitsspezifischere Einschätzung der QoL erlaubt der VitiQol, der kürzlich in einer großen epidemiologischen Studie an Patienten mit Vitiligo eingesetzt wurde.<span><sup>9</sup></span> Neben der Prävalenz wurde der VitiQoL an insgesamt n = 35 694 Patienten aus den USA, Europa und Japan erhoben. Aus Deutschland nahmen 6590 Patienten teil. Hier zeigte sich eine Prävalenz von 1,1% (n = 75 Patienten). Der VitiQoL zeigte in der Gesamtstudienkohorte eine positive Assoziation mit Alter, Krankheitsausdehnung, Progression der Erkrankung, Therapiemanagement und Zeit seit der Diagnose. Patienten mit Vitiligoherden im Gesicht und an den Händen/Handgelenken zeigten höhere VitiQoL-Scores. Eine weitere Studie aus den USA bestätigt eine stärkere Einschränkung der VitiQoL bei weiblichen Patienten mit Vitiligo, stärkerer Ausdehnung oder Befall des Gesichts und bei Patienten mit hispanischer Ethnizität. Eine aktuelle Studie aus Frankreich konnte ebenfalls zeigen, dass sichtbare Vitiligoherde und Krankheitsausdehnung gemessen in Prozent der Körperoberfläche wichtige Einflussgrößen für generische und Vitiligo-spezifische HR-PROs (VitiQoL und VIPs) darstellen. Beide Instrumente konnten zudem Unterschiede in der Beeinträchtigung der QoL zwischen Patientensubgruppen mit Vitiligo sensitiv erfassen.<span><sup>32</sup></span></p><p>Insgesamt liegen also nur wenige, meist ältere und/oder vergleichsweise kleine Studien mit methodischen Limitationen zur Einschätzung der krankheitsspezifischen Einschränkung der QoL bei Patienten mit Vitiligo in Deutschland vor. Keine Daten existieren in Deutschland zudem zur Erfassung der Krankheitslast von Patienten mit Vitiligo anhand validierter HR-PRO-Fragebögen wie dem VIPs.</p><p>Aktuelle systematische Übersichtarbeiten und Metaanalysen zeigen, dass Vitiligo mit verschiedener psychosozialer und psychischer Komorbidität assoziiert ist (Abbildung 2).<span><sup>17, 33-35</sup></span> Depressive Symptome, depressive Störungen (41 Studien) und Angststörungen (20 Studien) wurden in den insgesamt 168 Studien, die in den aktuellsten Review eingeschlossenen werden konnten, am häufigsten berichtet.<span><sup>17</sup></span> Weitere berichtete psychische Störungen sind Anpassungsstörungen (12 Studien), Suizidalität (8 Studien), Schlafstörungen (7 Studien), Zwangsstörungen (5 Studien), somatoforme Störungen (3 Studien). Zudem werden häufig psychosoziale Belastungen und Begleitsymptome berichtet. Allein zehn Studien berichten über Beziehungsprobleme einschließlich sexueller Dysfunktion und acht Studien berichten über Stigmatisierung. Des Weiteren wird über Vermeidungsverhalten (9 Studien), vermindertes Selbstbewusstsein (8 Studien), Wut (6 Studien), Alexithymie (4 Studien), und geringes Selbstwertgefühl (4 Studien) berichtet.<span><sup>17</sup></span></p><p>Das Vorliegen psychosozialer Komorbidität ist assoziiert mit bestimmten soziodemografischen und klinischen Parametern, die daher in der Praxis besonderer Aufmerksamkeit bedürfen. Besonders betroffen sind Frauen,<span><sup>33, 35</sup></span> jüngere und ungebundene Patienten sowie Patienten mit niedrigem Bildungsstatus. Vitiligo-spezifische Parameter, die mit höherer psychischer Belastung einhergehen, sind Läsionen in sichtbaren Arealen oder im Genitalbereich, großflächiger Befall, längere Krankheitsdauer (&gt; 5 Jahre), Hauttyp IV–VI beziehungsweise nichtkaukasische Herkunft,<span><sup>33</sup></span> NSV und eine positive Familienanamnese.<span><sup>17</sup></span></p><p>Die Prävalenzen der psychischen Komorbidität variieren zum Teil stark. So liegt die Prävalenz depressiver Symptome in kaukasischen Populationen bei 24%, während sie bei Betroffenen asiatischer Herkunft bei 35% liegt.<span><sup>33</sup></span> Gründe für diese Varianz können unterschiedliche Studiendesigns und Messinstrumente sein, aber auch soziokulturelle Aspekte wie die unterschiedliche Sichtbarkeit der Läsionen in Abhängigkeit vom Hauttyp nach Fitzpatrick oder religiöse Überzeugungen und damit verbundene regional unterschiedliche soziale Stigmatisierungserfahrungen. Für eine adäquate Versorgung ist es daher unerlässlich, die psychosoziale Krankheitslast unter Berücksichtigung des soziokulturellen Kontextes zu betrachten.</p><p>Weniger eindeutig hingegen sind die Daten zur Depression. Während Betroffene signifikant höhere Werte in der Skala „ängstlich-depressiv“ (<i>Adjustment to Chronic Skin Disorders Questionnaire</i>) zeigen als gesunde Personen (20,8% vs. 17,4%, p = 0,01),<span><sup>20</sup></span> konnten keine signifikanten Unterschiede zwischen Betroffenen und gesunden Kontrollen im Depressions-spezifischen Instrument <i>Beck Depressions-Inventar</i> gezeigt werden.<span><sup>20</sup></span> Eine längere Krankheitsdauer scheint jedoch mit höheren Depressionswerten einherzugehen, was die Notwendigkeit einer angemessenen und frühzeitigen therapeutischen Intervention unterstreicht. Sind sichtbare Bereiche betroffen, geht dies mit signifikant mehr depressiven Symptomen einher, als wenn nichtsichtbare Bereiche betroffen sind (p = 0,04).<span><sup>36</sup></span> Zu klinisch diagnostizierten Angststörungen und Depressionen liegen für Deutschland keine Daten vor. Insgesamt bleibt die Datenlage zur psychischen Komorbidität der Vitiligo in Deutschland unzureichend beziehungsweise sind die Ergebnisse bisheriger Studien heterogen. Für eine umfassende Bewertung der psychosozialen Krankheitslast bedarf es belastbarer Daten.</p><p>Vor dem Hintergrund der genetischen Prädisposition<span><sup>40</sup></span> und der Assoziation mit entzündlichen Erkrankungen (wie atopische Dermatitis und Psoriasis vulgaris),<span><sup>41</sup></span> autoimmunen Erkrankungen (zum Beispiel Schilddrüsenerkrankungen<span><sup>42</sup></span> und Diabetes mellitus<span><sup>43</sup></span>) sowie nicht autoimmunen Erkrankungen (wie sensineurale Schwerhörigkeit<span><sup>44</sup></span> oder Komponenten des metabolischen Syndroms<span><sup>45</sup></span>), und angesichts der bereits erwähnten psychischen Komorbidität, stellt sich die Frage, ob die nicht-segmentale Vitiligo als Hauptvertreter der Vitiligo möglicherweise eine entzündliche Systemerkrankung darstellt (Abbildung 3).</p><p>Das Konzept der entzündlichen Systemerkrankung mit sowohl kardiovaskulärer und metabolischer Komorbidität als auch psychischen Begleiterkrankungen ist bei Psoriasis vulgaris etabliert.<span><sup>46</sup></span> Metabolische Inflammation, ausgelöst durch bestimmte Muster zirkulierender Zytokine wie Interleukin (IL)-23, IL-17, Tumornekrosefaktor (TNF)-α, IL-6 und IL-8, wird dabei als pathogenetisches Schlüsselelement angesehen, das neben den psychosozialen Faktoren auch zu einer entzündlich bedingten Entwicklung von Angstsymptomen und depressiver Symptomatik beitragen kann.<span><sup>47</sup></span> Neuere neuroendokrinologische Untersuchungen weisen darauf hin, dass bei vielen Patienten mit Psoriasis vulgaris eine Abschwächung der Reaktionsfähigkeit der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse (HHNA) vorliegt. Der reduzierte systemische Cortisolspiegel begünstigt hierbei die metabolische Inflammation.<span><sup>48</sup></span></p><p>Bei Patienten mit NSV ist die kutane Expression von Zytokinen des angeborenen Immunsystems ebenfalls heraufreguliert. Die Blutspiegel solcher Zytokine, aber auch von IL-17, sind erhöht.<span><sup>49, 50</sup></span> Melanozyten sind zudem eng in das neuroendokrine System der Haut eingebettet und sezernieren selbst neuroendokrine Mediatoren.<span><sup>51</sup></span> In einer Pilotstudie konnten kürzlich erhöhte periphere Spiegel des Corticotropin-Releasing-Hormons (CRH) und erniedrigte Konzentrationen des <i>brain-derived neurotrophic factor</i> (BDNF) im Blut von Vitiligo-Patienten nachgewiesen werden. Hierbei konnte eine positive Korrelation zwischen dem Serumspiegel von CRH und dem Ausmaß der depressiven Symptome und Angst gemessen mit den PHQ-9- und GAD-7-Scores festgestellt werden.<span><sup>52</sup></span> Ob veränderte neuroendokrine Signale der Haut das Immungeschehen der Vitiligo modulieren oder ob die klassische HHNA-Achse bei Patienten mit Vitiligo verändert ist und damit die Erkrankung inklusive der psychosomatischen Komorbidität und/oder assoziierter Erkrankungen beeinflusst, ist bislang nicht untersucht.</p><p>In der Zusammenschau der hier vorgestellten Daten kann Vitiligo also sowohl mit erheblicher körperlicher als auch psychischer Komorbidität einhergehen und bedarf daher einer ganzheitlichen Betrachtung und Behandlung. Die medikamentöse Behandlung ist leitliniengerecht zu gestalten. Angesichts der hohen Inzidenz und Prävalenz psychosozialer Belastungen und psychischer Erkrankungen bei Vitiligo ist eine entsprechende Diagnostik und gegebenenfalls eine psychotherapeutische Mitbehandlung sinnvoll und zu erwägen, um langfristig das Wohlbefinden der Betroffenen zu verbessern, eine Chronifizierung der Erkrankung und ihrer Komorbidität zu vermeiden und destruktiven Krankheitsverläufen vorzubeugen (Abbildung 4).</p><p>Open access Veröffentlichung ermöglicht und organisiert durch Projekt DEAL.</p><p>M. B. hat Beraterhonorare von AbbVie, Incyte, MSD and Pfizer (Firmen, die Medikamente für Vitiligo entwickeln) zum Thema Vitiligo erhalten. Er hat Honorare von AbbVie, Incyte, Jansen-Cilag and Pfizer für Vorträge über Vitiligo erhalten.</p><p>Er ist Prüfer oder stellvertretender Studienleiter für klinische Studien von AbbVie, Incyte, MSD und Pfizer an Patienten mit Vitiligo.</p>","PeriodicalId":14758,"journal":{"name":"Journal Der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft","volume":"22 10","pages":"1327-1336"},"PeriodicalIF":5.5000,"publicationDate":"2024-10-11","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"https://onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.1111/ddg.15503_g","citationCount":"0","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Journal Der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft","FirstCategoryId":"3","ListUrlMain":"https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/ddg.15503_g","RegionNum":4,"RegionCategory":"医学","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"Q1","JCRName":"DERMATOLOGY","Score":null,"Total":0}
引用次数: 0

Abstract

Die Vitiligo ist eine Erkrankung, bei der es durch den Verlust der pigmentbildenden Zellen der Haut, der Melanozyten, zu einem meist deutlich sichtbaren Farbverlust der Haut kommt. Die häufigste Form, die nicht-segmentale Vitiligo (NSV), wird allgemein als Autoimmunerkrankung angesehen. Auf dem Boden genetischer Disposition und erhöhter Vulnerabilität der Melanozyten, unter anderem gegenüber oxidativem Stress und mechanischer Irritation, kommt es zu einer CD8+-vermittelten Immunreaktion.1 Inflammatorische somatische Komorbidität wie Neurodermitis und andere Autoimmunerkrankungen sind häufig. Die Zulassung des Januskinase-1/2-Inihibitors Ruxolitinib als erste vitiligospezifische topische Therapie ist ein wichtiger Schritt zur besseren Patientenversorgung.2 Trotz des Vorliegens nationaler Leitlinien3 und internationaler Konsensusempfehlungen zur Diagnostik und Therapie dieser Erkrankung4, 5 besteht ein erheblicher Bedarf an zielgerichteten und effizienteren personalisierten Therapiekonzepten.

Vitiligo wird nicht selten als rein kosmetisches Problem verkannt. Die Patienten werden stigmatisiert und als nicht behandelbar abgewiesen. Neueste Untersuchungen belegen, dass Vitiligo in erheblichem Maße gravierende psychosoziale Konsequenzen hat. Dies verschärft die klinische Unterversorgung betroffener Patienten. Ziel dieser Übersicht und Positionspapieres ist es daher, die Vitiligo inklusive ihrer oftmals signifikanten Einschränkung der Lebensqualität und der häufig auftretenden psychischen Komorbidität in den Fokus der deutschen dermatologischen Versorgung zu rücken. Zur Optimierung der klinischen Versorgung der Patienten schlagen wir ein integriertes interdisziplinäres Vorgehen vor, das somatische und psychosoziale Faktoren im Sinne des biopsychosozialen Models gleichermaßen berücksichtigt.

Die erste Untersuchung zur weltweiten Prävalenz von Vitiligo basierte auf mehr als 50 Studien bei Erwachsenen und Kindern und errechnete eine Prävalenz von 0,06%–2,28% in der erwachsenen Gesamtbevölkerung und von 0,0%–2,16% bei Kindern.6 Eine aktuelle Metaanalyse mit 103 Studien ergab eine gepoolte Prävalenz von 0,2% (basierend auf 82 populations- und bevölkerungsbasierten Studien) bis 1,5% (basierend auf Punktprävalenzen aus 22 krankenhausbasierten Studien).7 Zwei neuere Fragebogenstudien aus den USA,8 sowie Europa (inklusive Deutschland als teilnehmendes Land mit 75 Patienten von n = 6590 Befragten), USA und Japan,9 zur gesicherten und ungesicherten Diagnose der Vitiligo ergaben Gesamtprävalenzen von 1,11% beziehungsweise 1,3%, wobei bis zu 40% der Fälle aus den USA keine formale Diagnose hatten. Für Deutschland untersuchte jüngst eine Studie Diagnosedaten einer großen gesetzlichen Versicherungsgesellschaft (n = 1 619 678) aus dem Jahre 2014 und primäre Daten einer großen Kohorte von durch Dermatologen untersuchten Beschäftigten im Alter von 16–70 Jahren über einen Zeitraum von 2004 bis 2014 (n = 121 783). Die ermittelte Prävalenz lag bei 0,77% beziehungsweise 0,17%,10 wobei hier von einer erheblichen Dunkelziffer auszugehen ist, da nur erfasste ICD-Abrechnungsdiagnosen dargestellt wurden. Aktuelle epidemiologische Daten zur altersabhängigen Entwicklung der Inzidenz und Prävalenz der Vitiligo in den letzten 10 Jahren liegen noch nicht abschließend vor.

Dass Patienten mit Vitiligo bislang unzureichend therapiert sind, ist durch eine Reihe von Studien belegt. So hatten in einer deutschlandweiten Fragebogenstudie aus den Jahren 2006–2007 lediglich 38,7% aller Patienten (n = 1.023) einen Patienten-Benefit-Index > 1, was einen minimalen Nutzen durch die verfügbaren Therapien entspricht.11 Diese Zahlen dürften sich bei der noch bis vor kurzem unveränderten Therapielandschaft der Vitiligo in den letzten Jahren kaum geändert haben. Eine aktuelle und global durchgeführte Querschnittsstudie, an der 17 Länder aus sieben geographischen Bereichen teilnahmen, belegt die klinische Unterversorgung und die Auswirkungen von Vitiligo auf die psychosoziale Gesundheit.12, 13 Zum Einfluss der Erkrankung auf ihr Leben wurden erwachsene Patienten mit Vitiligo (n = 3541) befragt. Zur angewendeten Diagnostik und durchgeführten Therapie wurden auch medizinische Fachkräfte (n = 1203) befragt. Im Schnitt vergingen von den ersten Hautveränderungen bis zur formellen Diagnosestellung 2,4 Jahre für die Patienten. Nach eigenen Angaben wurden 44,9% der Patienten zuvor falsch diagnostiziert. Darüber hinaus gaben 56,7% der befragten Patienten an, dass ihnen von ärztlicher Seite gesagt wurde, dass es keine Behandlungsmöglichkeiten gäbe. Die unzureichende Therapie hatte profunde Veränderungen im Alltag der betroffenen Patienten zur Folge. Mehr als 40% der Befragten gab an, dass die Vitiligo ihr tägliches Leben beeinträchtige, wobei zu den mit Belastung verbundenen Aktivitäten unter anderem Kleiderwahl, soziale Aktivitäten, Händeschütteln oder intime Aktivitäten mit dem Partner gehörten. Circa 25% der Befragten gab an, dass die Erkrankung die berufliche Karrierewahl beeinflusse.13 Mehr als die Hälfte der Befragten gab an, dass „ihr Leben ohne Vitiligo völlig anders verlaufen wäre“ und dass sie an einer psychischen Erkrankung wie einer Angsterkrankung oder einer depressiven Erkrankung litten (siehe unten). Leider liegen für Patienten mit Vitiligo in Deutschland keine solchen epidemiologischen Daten und Informationen zur Behandlungsgeschichte vor.

Stigmatisierung wird als vielschichtiges Konstrukt verstanden, und umfasst die Dimensionen (1) Identifikation und Kennzeichnung eines Unterschiedes, (2) Verknüpfung des Unterschieds mit einem negativen Stereotyp, (3) soziale Distanzierung und Unterscheidung zwischen „uns“ und „ihnen“ sowie (4) Statusverlust und Diskriminierung durch Ablehnung und Ausschluss begleitet von direkten sozialen und wirtschaftlichen Konsequenzen.14 Das Konstrukt kann unterteilt werden in externe Stigmatisierung und Selbst-/internalisierte Stigmatisierung. Dabei wird die Diskriminierung einer Gruppe von Menschen aufgrund von Stereotypen und Vorurteilen gegenüber einem bestimmten Merkmal als ersteres bezeichnet, während die Selbstdiskriminierung aufgrund verinnerlichter Stereotypen und Vorurteile als letzteres bezeichnet wird. Entsprechend umfasst ein kürzlich entwickeltes konzeptuelles Modell für die Stigmatisierung bei sichtbaren Hauterkrankungen eine externe und eine interne Dimension und berücksichtigt auch die Interaktion zwischen diesen Dimensionen und die Auswirkung soziodemografischer und krankheitsspezifischer Faktoren auf die Stigmatisierung.15

Unabhängig von der Art der Stigmatisierung sind die Konsequenzen für Betroffene schwerwiegend (Abbildung 1a–c). So konnte gezeigt werden, dass das Erleben von Stigmatisierung bei Menschen mit Hauterkrankungen die Lebensqualität beeinträchtigt, zu mehr Angst- und depressiven Störungen führt und sogar zu einem erhöhten Risiko für Suizidalität.15, 16 Ein aktueller systematischer Literaturreview zu den psychosozialen Folgen der Vitiligo konnte zeigen, dass das Gefühl der Stigmatisierung die häufigste psychosoziale Belastung der Betroffenen ist.17 Insgesamt acht in das Review eingeschlossene Studien (davon n = 2 in Deutschland, jeweils n = 1 in Indien, Nepal, UK und n = 3 in den USA) erfassten Stigmatisierung bei Vitiligo. Keine der Studien verwendete jedoch einen validierten Fragebogen. Auch fand keine Differenzierung zwischen externer und Selbststigmatisierung statt, welches im Hinblick auf die Entwicklung von Interventionen zur Reduktion von Stigmatisierung von Relevanz ist. Da sieben der acht Studien acht Jahre und älter sind, ist vor dem Hintergrund der enormen Zunahme der Nutzung sozialer Medien in den vergangenen Jahren zudem eine Aktualisierung der Datenerhebung zum Stigmatisierungserleben von Menschen mit Vitiligo notwendig, denn es ist davon auszugehen, dass sich die Thematik durch die breite Verfügbarkeit und gewachsene Nutzung der sozialen Medien seither verändert hat.

Die Erfassung von Stigmatisierung bei Kindern und Jugendlichen mit Vitiligo ist von besonderer Wichtigkeit, um der Entwicklung und/oder Chronifizierung von psychischen Komorbidität wie Angst- und depressiven Erkrankungen vorzubeugen.18 Verpasste Chancen im Beruf (missed opportunities) und weitere negative psychosoziale Folgen einer Erkrankung an Vitiligo können zu einer kumulativen und möglicherweise irreversiblen Beeinträchtigung (cumulative life course impairment) im Laufe der Erkrankung führen.19

Weitere Studien aus Deutschland beziehen sich auf erwachsene Patienten.20 In einer Studie wurde das Ausmaß der Stigmatisierung unter Berücksichtigung sichtbarer Areale mit dem Fragebogen zum Erleben von Hautbeschwerden (Questionnaire on Experience with Skin Complaints; QES) an einer Stichprobe von 363 Menschen mit Vitiligo erfasst. Die Studie zeigte einen signifikanten Einfluss des Geschlechts auf die QES-Skalen „Rückzug“ (p = 0,03) und „Gelassenheit“ (p < 0,001). Frauen zogen sich demnach häufiger zurück und waren besorgter als Männer. Die Sichtbarkeit der Läsionen übte ebenfalls einen signifikanten Einfluss aus. In der Gruppe mit „sichtbaren“ Läsionen zeigten sich im Vergleich mit der Gruppe mit nicht sichtbaren Arealen signifikant höhere Werte in den Skalen „Rückzug“ (p = 0,034) und „Selbstwertgefühl“ (p = 0,041).20

Für die Erfassung und Bewertung von Stigmatisierungserleben ist die Verwendung validierter Messinstrumente wichtig. Eine kürzlich publizierte systematische Literaturübersicht zu Messinstrumenten für Stigmatisierung bei sichtbaren Hauterkrankungen konnte zwölf von 21 verwendeten Instrumenten zur Nutzung empfehlen.21 Die meisten validierten Instrumente lagen für Lepra gefolgt von Psoriasis und Verbrennungen vor. Es konnte kein validiertes Instrument für den Einsatz bei Vitiligo identifiziert werden. Entsprechend ist die Datenlage zur Stigmatisierung von Menschen mit Vitiligo in Deutschland unzureichend. Um diese systematisch und standardisiert erfassen zu können, sollten bestehende Fragebögen wie beispielsweise der Perceived Stigmatization Questionnaire für Vitiligo adaptiert und validiert und/oder neue Fragebögen entwickelt werden.

Für Interventionen zur Entstigmatisierung unter anderem von Vitiligo liegt ebenfalls ein systematischer Review mit insgesamt 19 Studien vor.22 Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Patienten von kognitiver Verhaltenstherapie im Hinblick auf den Umgang mit Vitiligo und das Leben mit der Erkrankung profitieren können. Jedoch wurde der Effekt des Programms nicht durch die Erfassung von Selbststigmatisierung direkt, sondern über verwandte Konstrukte wie Körperbild, Selbstwertgefühl und Lebensqualität evaluiert.23 Ein derartiges Programm liegt derzeit für Deutschland nicht vor, Studien zu weiteren Therapieverfahren fehlen weitgehend.

Das Ausmaß und die Art der Stigmatisierung haben einen direkten Einfluss auf die Lebensqualität von Patienten mit Hautkrankheiten, einschließlich Vitiligo.15 Unter den Messinstrumenten für die gesundheitsbezogene Lebensqualität (QoL) ist der Dermatology Life Quality Index (DLQI)24 das weltweit am häufigsten (n = 144 Publikationen) bei Vitiligo-Patienten eingesetzte Patient-Reported Outcome Measure (PROM).25

Es handelt sich jedoch nicht um ein spezifisches Health-Related (HR) PROM für Vitiligo. Der DLQI erfasst Symptome wie Juckreiz, Brennen, Wundsein und Schmerzen (Frage 1 des DLQI), die keine typischen Symptome der Vitiligo sind, obwohl Juckreiz als gelegentliches Symptom in einer indischen Kohorte von Vitiligo-Patienten beschrieben wurde.26 Noch weniger Verwendung findet der Children's DLQI (C-DLQI), der dermatologisch ebenso unspezifisch ist. Obwohl es eine Reihe von validierten HR-QoL-Instrumenten für Hauterkrankungen gibt, wurden die Vitiligo (Viti)QoL27 und die Vitiligo Impact Patient Scale (VIPs)28 als Vitiligo-spezifische Instrumente bisher nur 15-mal beziehungsweise sieben Mal in publizierten Studien verwendet.25 In der Routineversorgung von Patienten mit Vitiligo spielt die Erhebung der QoL in Deutschland bislang keine Rolle, während dies bei Patienten mit Psoriasis vulgaris oder atopischer Dermatitis, die für eine Systemtherapie mit Biologika oder systemischen JAK-Inhibitoren in Frage kommen, ein standardisiertes Vorgehen ist. Bei anderen chronisch entzündlichen Hauterkrankungen, wie zum Beispiel chronischer Urtikaria, stehen krankheitsspezifische Scores wie der Urticaria Quality of Life Questionnaire (Cu QOL) oder der Urticaria Control Test (UCT) als validierte gut etablierte Messinstrumente zur Verfügung und erlauben das Messen des spezifischen Therapieerfolges.

Aufgrund dieser Situation liegt aktuell eine sehr begrenzte Zahl von Studien zur Messung der Beeinträchtigung der Lebensqualität von Patienten mit Vitiligo in Deutschland vor. Die umfangreichste Untersuchung bildet bislang eine deutschlandweite Fragebogenaktion aus dem Jahre 2009 an 3319 Patienten, die von zwei deutschen Vitiligo-Selbsthilfevereinigungen durchgeführt wurde. Dabei wurden Kinder und Erwachsene befragt, allerdings wurde kein Kinder-spezifischer DLQI verwendet. Der mittlere DLQI betrug bei n = 1023 zurückgesandten Fragebögen 7,0 (7,5 bei Frauen, 5,5 bei Männern). Patienten mit Psoriasis vulgaris hatten im Vergleich dazu einen DLQI von 8,6.29 Bei 24,6% der Patienten mit Vitiligo bestand ein DLQI > 10, was eine schwere Beeinträchtigung der QoL anzeigt. Zwischen dem Ausmaß der Einschränkung der QoL und der willingness to pay (WTP), ein Konstrukt zur Einschätzung der Krankheitslast, bestand eine signifikante Korrelation (χ2 = 65,43, p < 0,001). Die WTP war am höchsten bei Patienten mit Vitiligo im Alter von 30–60 Jahren und korrelierte mit der Dauer der Erkrankung und der betroffenen Körperoberfläche. Von den Patienten mit Vitiligo gaben 32,9% an, mehr als 5000 € für eine komplette Remission bezahlen zu wollen.29 In einer weiteren kleinen Studie von Krüger und Schallreuter aus dem Jahr 2015 war der mittlere DLQI bei erwachsenen Patienten (n = 96) zwar höher als bei den Kontrollpersonen (4,9 vs. 1,6, p = 0,03), allerdings war die Kontrollkohorte ungleich kleiner (n = 23) und bestand aus Freunden und Verwandten der befragten Patienten, was die Interpretierbarkeit dieses Ergebnisses einschränkt.20 In einer dritten, noch kleineren randomisierten kontrollierten Studie, in der die Wirkung von 0,1%iger Tacrolimus-Salbe unter Okklusion bei 30 erwachsenen Vitiligo-Patienten mit Placebo verglichen wurde, war der mittlere DLQI bei den Betroffenen wiederum höher, nämlich 12,4,30 was auf die besondere therapeutische Situation der behandelten Studienkohorte hinweisen könnte. Neuere Studien zur Vitiligo-spezifischen Einschränkung der QoL existieren unseres Wissens für Deutschland nicht.

Eine große Anzahl von Studien ergab einen höheren mittleren DLQI bei Patienten mit Befall der sichtbaren Bereiche (Gesicht und Hände) und des Genitalbereichs. Zudem war die Lebensqualität bei Patienten im jüngeren Erwachsenenalter stärker eingeschränkt als bei den Über-60-Jährigen. Auch die prozentuale Ausdehnung der Vitiligo resultiert oft in höherem DLQI.25, 31 Patienten mit dunkleren Hauttypen haben typischerweise einen höheren DLQI als hellhäutige Personen. Viele Studien zeigten zudem einen höheren DLQI bei unverheirateten und geschiedenen Patienten mit Vitiligo als bei verheirateten Personen.25 Einem kürzlich erschienenen Review zur Messung des DLQI bei Patienten mit Vitiligo weltweit zufolge gibt es auch heterogene Ergebnisse zur Lebensqualität in bestimmten geografischen Regionen, zum Beispiel in Saudi-Arabien. Hier wurden mittlere DLQI-Werte zwischen 4 und 14,82 ermittelt,25 was allerdings methodisch begründet sein könnte.

Die Einschränkung der Lebensqualität von mit Vitiligo betroffenen Kindern war gemessen an den wenigen Studien, die den C-DLQI benutzten, meist gering bis moderat. Bei den Kindern bestand jedoch eine signifikante Korrelation zwischen der Einschränkung der HR-QoL und dem Alter. Nur ein sehr geringer Anteil (4,1%) der 15–17-Jährigen berichtete über keine Beeinträchtigung der QoL durch ihre Vitiligo. Begleiterkrankungen wie Diabetes mellitus oder Schilddrüsenerkrankungen resultierten erwartungsgemäß in einer stärkeren Einschränkung der QoL bei Patienten mit Vitiligo. Zwei kleine Studien deuten darauf hin, dass auch Familienangehörige von Patienten mit Vitiligo eine Einschränkung der QoL erfahren, die mit dem Alter der Betroffenen ansteigt.25

Trotz des deutlich negativen Einflusses der Vitiligo auf die Lebensqualität und der berichteten klinischen Behandlungserfolge konnte bisher keine der in der aktuellen S1-Leitlinie3 zur Vitiligo empfohlenen Therapieoptionen zu einer signifikanten Verbesserung der gemessenen QoL führen.25 Dies könnte an der eingeschränkten Effizienz der bisherigen Therapien liegen und/oder der limitierten Validität der eingesetzten generischen Instrumente zur Erfassung der QoL bei Patienten mit Vitiligo.

Eine krankheitsspezifischere Einschätzung der QoL erlaubt der VitiQol, der kürzlich in einer großen epidemiologischen Studie an Patienten mit Vitiligo eingesetzt wurde.9 Neben der Prävalenz wurde der VitiQoL an insgesamt n = 35 694 Patienten aus den USA, Europa und Japan erhoben. Aus Deutschland nahmen 6590 Patienten teil. Hier zeigte sich eine Prävalenz von 1,1% (n = 75 Patienten). Der VitiQoL zeigte in der Gesamtstudienkohorte eine positive Assoziation mit Alter, Krankheitsausdehnung, Progression der Erkrankung, Therapiemanagement und Zeit seit der Diagnose. Patienten mit Vitiligoherden im Gesicht und an den Händen/Handgelenken zeigten höhere VitiQoL-Scores. Eine weitere Studie aus den USA bestätigt eine stärkere Einschränkung der VitiQoL bei weiblichen Patienten mit Vitiligo, stärkerer Ausdehnung oder Befall des Gesichts und bei Patienten mit hispanischer Ethnizität. Eine aktuelle Studie aus Frankreich konnte ebenfalls zeigen, dass sichtbare Vitiligoherde und Krankheitsausdehnung gemessen in Prozent der Körperoberfläche wichtige Einflussgrößen für generische und Vitiligo-spezifische HR-PROs (VitiQoL und VIPs) darstellen. Beide Instrumente konnten zudem Unterschiede in der Beeinträchtigung der QoL zwischen Patientensubgruppen mit Vitiligo sensitiv erfassen.32

Insgesamt liegen also nur wenige, meist ältere und/oder vergleichsweise kleine Studien mit methodischen Limitationen zur Einschätzung der krankheitsspezifischen Einschränkung der QoL bei Patienten mit Vitiligo in Deutschland vor. Keine Daten existieren in Deutschland zudem zur Erfassung der Krankheitslast von Patienten mit Vitiligo anhand validierter HR-PRO-Fragebögen wie dem VIPs.

Aktuelle systematische Übersichtarbeiten und Metaanalysen zeigen, dass Vitiligo mit verschiedener psychosozialer und psychischer Komorbidität assoziiert ist (Abbildung 2).17, 33-35 Depressive Symptome, depressive Störungen (41 Studien) und Angststörungen (20 Studien) wurden in den insgesamt 168 Studien, die in den aktuellsten Review eingeschlossenen werden konnten, am häufigsten berichtet.17 Weitere berichtete psychische Störungen sind Anpassungsstörungen (12 Studien), Suizidalität (8 Studien), Schlafstörungen (7 Studien), Zwangsstörungen (5 Studien), somatoforme Störungen (3 Studien). Zudem werden häufig psychosoziale Belastungen und Begleitsymptome berichtet. Allein zehn Studien berichten über Beziehungsprobleme einschließlich sexueller Dysfunktion und acht Studien berichten über Stigmatisierung. Des Weiteren wird über Vermeidungsverhalten (9 Studien), vermindertes Selbstbewusstsein (8 Studien), Wut (6 Studien), Alexithymie (4 Studien), und geringes Selbstwertgefühl (4 Studien) berichtet.17

Das Vorliegen psychosozialer Komorbidität ist assoziiert mit bestimmten soziodemografischen und klinischen Parametern, die daher in der Praxis besonderer Aufmerksamkeit bedürfen. Besonders betroffen sind Frauen,33, 35 jüngere und ungebundene Patienten sowie Patienten mit niedrigem Bildungsstatus. Vitiligo-spezifische Parameter, die mit höherer psychischer Belastung einhergehen, sind Läsionen in sichtbaren Arealen oder im Genitalbereich, großflächiger Befall, längere Krankheitsdauer (> 5 Jahre), Hauttyp IV–VI beziehungsweise nichtkaukasische Herkunft,33 NSV und eine positive Familienanamnese.17

Die Prävalenzen der psychischen Komorbidität variieren zum Teil stark. So liegt die Prävalenz depressiver Symptome in kaukasischen Populationen bei 24%, während sie bei Betroffenen asiatischer Herkunft bei 35% liegt.33 Gründe für diese Varianz können unterschiedliche Studiendesigns und Messinstrumente sein, aber auch soziokulturelle Aspekte wie die unterschiedliche Sichtbarkeit der Läsionen in Abhängigkeit vom Hauttyp nach Fitzpatrick oder religiöse Überzeugungen und damit verbundene regional unterschiedliche soziale Stigmatisierungserfahrungen. Für eine adäquate Versorgung ist es daher unerlässlich, die psychosoziale Krankheitslast unter Berücksichtigung des soziokulturellen Kontextes zu betrachten.

Weniger eindeutig hingegen sind die Daten zur Depression. Während Betroffene signifikant höhere Werte in der Skala „ängstlich-depressiv“ (Adjustment to Chronic Skin Disorders Questionnaire) zeigen als gesunde Personen (20,8% vs. 17,4%, p = 0,01),20 konnten keine signifikanten Unterschiede zwischen Betroffenen und gesunden Kontrollen im Depressions-spezifischen Instrument Beck Depressions-Inventar gezeigt werden.20 Eine längere Krankheitsdauer scheint jedoch mit höheren Depressionswerten einherzugehen, was die Notwendigkeit einer angemessenen und frühzeitigen therapeutischen Intervention unterstreicht. Sind sichtbare Bereiche betroffen, geht dies mit signifikant mehr depressiven Symptomen einher, als wenn nichtsichtbare Bereiche betroffen sind (p = 0,04).36 Zu klinisch diagnostizierten Angststörungen und Depressionen liegen für Deutschland keine Daten vor. Insgesamt bleibt die Datenlage zur psychischen Komorbidität der Vitiligo in Deutschland unzureichend beziehungsweise sind die Ergebnisse bisheriger Studien heterogen. Für eine umfassende Bewertung der psychosozialen Krankheitslast bedarf es belastbarer Daten.

Vor dem Hintergrund der genetischen Prädisposition40 und der Assoziation mit entzündlichen Erkrankungen (wie atopische Dermatitis und Psoriasis vulgaris),41 autoimmunen Erkrankungen (zum Beispiel Schilddrüsenerkrankungen42 und Diabetes mellitus43) sowie nicht autoimmunen Erkrankungen (wie sensineurale Schwerhörigkeit44 oder Komponenten des metabolischen Syndroms45), und angesichts der bereits erwähnten psychischen Komorbidität, stellt sich die Frage, ob die nicht-segmentale Vitiligo als Hauptvertreter der Vitiligo möglicherweise eine entzündliche Systemerkrankung darstellt (Abbildung 3).

Das Konzept der entzündlichen Systemerkrankung mit sowohl kardiovaskulärer und metabolischer Komorbidität als auch psychischen Begleiterkrankungen ist bei Psoriasis vulgaris etabliert.46 Metabolische Inflammation, ausgelöst durch bestimmte Muster zirkulierender Zytokine wie Interleukin (IL)-23, IL-17, Tumornekrosefaktor (TNF)-α, IL-6 und IL-8, wird dabei als pathogenetisches Schlüsselelement angesehen, das neben den psychosozialen Faktoren auch zu einer entzündlich bedingten Entwicklung von Angstsymptomen und depressiver Symptomatik beitragen kann.47 Neuere neuroendokrinologische Untersuchungen weisen darauf hin, dass bei vielen Patienten mit Psoriasis vulgaris eine Abschwächung der Reaktionsfähigkeit der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse (HHNA) vorliegt. Der reduzierte systemische Cortisolspiegel begünstigt hierbei die metabolische Inflammation.48

Bei Patienten mit NSV ist die kutane Expression von Zytokinen des angeborenen Immunsystems ebenfalls heraufreguliert. Die Blutspiegel solcher Zytokine, aber auch von IL-17, sind erhöht.49, 50 Melanozyten sind zudem eng in das neuroendokrine System der Haut eingebettet und sezernieren selbst neuroendokrine Mediatoren.51 In einer Pilotstudie konnten kürzlich erhöhte periphere Spiegel des Corticotropin-Releasing-Hormons (CRH) und erniedrigte Konzentrationen des brain-derived neurotrophic factor (BDNF) im Blut von Vitiligo-Patienten nachgewiesen werden. Hierbei konnte eine positive Korrelation zwischen dem Serumspiegel von CRH und dem Ausmaß der depressiven Symptome und Angst gemessen mit den PHQ-9- und GAD-7-Scores festgestellt werden.52 Ob veränderte neuroendokrine Signale der Haut das Immungeschehen der Vitiligo modulieren oder ob die klassische HHNA-Achse bei Patienten mit Vitiligo verändert ist und damit die Erkrankung inklusive der psychosomatischen Komorbidität und/oder assoziierter Erkrankungen beeinflusst, ist bislang nicht untersucht.

In der Zusammenschau der hier vorgestellten Daten kann Vitiligo also sowohl mit erheblicher körperlicher als auch psychischer Komorbidität einhergehen und bedarf daher einer ganzheitlichen Betrachtung und Behandlung. Die medikamentöse Behandlung ist leitliniengerecht zu gestalten. Angesichts der hohen Inzidenz und Prävalenz psychosozialer Belastungen und psychischer Erkrankungen bei Vitiligo ist eine entsprechende Diagnostik und gegebenenfalls eine psychotherapeutische Mitbehandlung sinnvoll und zu erwägen, um langfristig das Wohlbefinden der Betroffenen zu verbessern, eine Chronifizierung der Erkrankung und ihrer Komorbidität zu vermeiden und destruktiven Krankheitsverläufen vorzubeugen (Abbildung 4).

Open access Veröffentlichung ermöglicht und organisiert durch Projekt DEAL.

M. B. hat Beraterhonorare von AbbVie, Incyte, MSD and Pfizer (Firmen, die Medikamente für Vitiligo entwickeln) zum Thema Vitiligo erhalten. Er hat Honorare von AbbVie, Incyte, Jansen-Cilag and Pfizer für Vorträge über Vitiligo erhalten.

Er ist Prüfer oder stellvertretender Studienleiter für klinische Studien von AbbVie, Incyte, MSD und Pfizer an Patienten mit Vitiligo.

Abstract Image

查看原文
分享 分享
微信好友 朋友圈 QQ好友 复制链接
本刊更多论文
白癜风疾病--关于污名化、生活质量下降和社会心理并发症的立场文件
此外,与 60 岁以上的患者相比,年轻成年患者的生活质量受到的影响更大。25、31 肤色较深的患者的 DLQI 通常高于肤色白皙的患者。许多研究还表明,未婚和离异的白癜风患者的 DLQI 要高于已婚患者。25 最近对全球白癜风患者的 DLQI 测量结果进行的回顾还发现,在某些地理区域,如沙特阿拉伯,生活质量的测量结果存在差异。25 在少数使用 C-DLQI 的研究中,儿童白癜风患者生活质量的下降程度大多为低度至中度。然而,在儿童中,HR-QoL 的下降与年龄有明显的相关性。在 15-17 岁的儿童中,只有很小一部分(4.1%)报告说他们的 QoL 没有受到白癜风的影响。不出所料,糖尿病或甲状腺疾病等并发症会导致白癜风患者的生活质量下降。25 尽管白癜风对生活质量有明显的负面影响,而且据报道临床治疗也取得了成功,但目前关于白癜风的S1指南3中推荐的治疗方案迄今为止都未能显著改善所测量的生活质量。这可能是由于以往疗法的疗效有限,和/或用于测量白癜风患者 QoL 的通用工具的有效性有限。9 最近在一项针对白癜风患者的大型流行病学研究中使用的 VitiQol 可以对 QoL 进行更具疾病特异性的评估。德国有 6590 名患者参加了评估。患病率为 1.1%(n = 75 名患者)。在整个研究队列中,VitiQoL 与年龄、疾病程度、疾病进展、治疗管理和确诊时间呈正相关。面部和手/腕部白癜风患者的 VitiQoL 得分更高。另一项来自美国的研究证实,女性白癜风患者、面部白斑面积较大或受累部位较多的患者以及西班牙裔患者的VitiQoL下降幅度更大。法国最近的一项研究也表明,可见的白癜风病灶和以体表面积百分比衡量的疾病程度是通用和白癜风特异性 HR-PROs (VitiQoL 和 VIPs)的重要决定因素。32 因此,总体而言,德国仅有少数几项研究评估了白癜风患者因疾病而受损的 QoL,这些研究大多较老和/或规模相对较小,在方法上存在局限性。此外,德国还没有数据可用来使用有效的 HR-PRO 问卷(如 VIPs)评估白癜风患者的疾病负担。其他报告的精神障碍包括适应障碍(12 项研究)、自杀(8 项研究)、睡眠障碍(7 项研究)、强迫症(5 项研究)和躯体形式障碍(3 项研究)。心理社会压力和伴随症状也经常被报道。仅有 10 项研究报告了包括性功能障碍在内的人际关系问题,8 项研究报告了污名化问题。此外,还报告了回避行为(9 项研究)、自尊心降低(8 项研究)、愤怒(6 项研究)、自闭症(4 项研究)和自卑(4 项研究)。女性、33、35 较年轻和无伴侣的患者以及受教育程度低的患者尤其会受到影响。
本文章由计算机程序翻译,如有差异,请以英文原文为准。
求助全文
约1分钟内获得全文 去求助
来源期刊
CiteScore
3.50
自引率
25.00%
发文量
406
审稿时长
1 months
期刊介绍: The JDDG publishes scientific papers from a wide range of disciplines, such as dermatovenereology, allergology, phlebology, dermatosurgery, dermatooncology, and dermatohistopathology. Also in JDDG: information on medical training, continuing education, a calendar of events, book reviews and society announcements. Papers can be submitted in German or English language. In the print version, all articles are published in German. In the online version, all key articles are published in English.
期刊最新文献
Combined flap for the reconstruction of Upper-third auricular complex defects involving the helix root. The use of a ChatGPT-4-based chatbot in teledermatology: A retrospective exploratory study. Ulceronecrotic facial masses with nasal destruction in an Epstein-Barr virus negative East Asian adult male. Papulonodular mucinosis: a systematic review on clinicopathologic characteristics, course and treatment options. Treatment of cutaneous larva migrans.
×
引用
GB/T 7714-2015
复制
MLA
复制
APA
复制
导出至
BibTeX EndNote RefMan NoteFirst NoteExpress
×
×
提示
您的信息不完整,为了账户安全,请先补充。
现在去补充
×
提示
您因"违规操作"
具体请查看互助需知
我知道了
×
提示
现在去查看 取消
×
提示
确定
0
微信
客服QQ
Book学术公众号 扫码关注我们
反馈
×
意见反馈
请填写您的意见或建议
请填写您的手机或邮箱
已复制链接
已复制链接
快去分享给好友吧!
我知道了
×
扫码分享
扫码分享
Book学术官方微信
Book学术文献互助
Book学术文献互助群
群 号:481959085
Book学术
文献互助 智能选刊 最新文献 互助须知 联系我们:info@booksci.cn
Book学术提供免费学术资源搜索服务,方便国内外学者检索中英文文献。致力于提供最便捷和优质的服务体验。
Copyright © 2023 Book学术 All rights reserved.
ghs 京公网安备 11010802042870号 京ICP备2023020795号-1