{"title":"Deprescribing: Substitution durch Phytotherapie als Option bei\n älteren multimorbiden PatientInnen","authors":"Karin Kraft","doi":"10.1055/a-1857-8977","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Bei älteren multimorbiden PatientInnen ist Polypharmazie mit\n rezeptpflichtigen Arzneimitteln die Regel. Allerdings sind sie oft gerade bei den\n rezeptpflichtigen Arzneimitteln nicht sehr adhärent, weil sie nach dem\n Studium der Beipackzettel oder durch Internetforen Angst vor den Nebenwirkungen\n haben. Dies gilt z. B. für nicht-steroidale Antirheumatika oder\n niedrig dosierte Glukokortikoide. Bei den chemisch definierten psychotropen\n Arzneimitteln ist in der Bevölkerung zudem die Angst vor\n Abhängigkeit weitverbreitet. Diese Arzneimittel werden deshalb oft von den\n PatientInnen ohne Rücksprache mit den behandelnden ÄrztInnen durch\n intensiv beworbene Nahrungsergänzungsmittel ersetzt, die bekanntlich nicht\n den von den Arzneimitteln geforderten Nachweis von Qualität, Wirksamkeit und\n Unbedenklichkeit erbringen müssen. Dass die Qualität aber durchaus\n problematisch sein kann, wurde bereits in einigen zurückliegenden Heften der\n ZPT erschienenen Publikationen gezeigt, zuletzt zu Produkten aus Heidelbeeren 1. Auch das Problem der Dosierung von nicht\n verschreibungspflichtigen Wirksubstanzen ist bisher zu wenig beachtet worden. So\n sollte z. B. vermehrt auf additiv bedingte Überdosierungen von\n Vitamin D geachtet werden, wenn mehrere Multivitamin- oder\n Spurenelementpräparate als Selbstmedikation eingenommen werden. Eine\n aktuelle Publikation zu Grüntee-Extrakt zeigt zudem, dass das seit\n Jahrzehnten vielgepriesene antioxidative Potenzial von pflanzlichen Inhaltsstoffen,\n wie z. B. den Polyphenolen, offenbar differenzierter betrachtet werden muss.\n Bislang wurde propagiert, dass die Grüntee-Katechine Sauerstoffradikale\n neutralisieren, dadurch Schäden an Zellen oder der DNA verhindern und so dem\n Alterungsprozess entgegenwirken. In einer Studie bei Fadenwürmern wurde\n aktuell nun gezeigt, dass diese Katechine aber tatsächlich kurzzeitig\n pro-oxidativ wirken. Dadurch aktivieren sie – vergleichbar zu\n mäßigen Sportaktivitäten oder kalorienreduzierter\n Ernährung – Gene, die für die Produktion der antioxidativ\n wirksamen körpereigenen Enzyme Superoxid-Dismutase (SOD) und Catalase (CTL)\n zuständig sind 2. Hochdosierte\n Katechine, die in verschiedenen im Handel befindlichen Produkten erhältlich\n sind, hemmen dagegen die Mitochondrien so stark, dass dies zum Zelltod und damit zu\n Organschäden führen kann.","PeriodicalId":36002,"journal":{"name":"Zeitschrift fur Phytotherapie : offizielles Organ der Ges. f. Phytotherapie e.V","volume":" ","pages":""},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"2022-08-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Zeitschrift fur Phytotherapie : offizielles Organ der Ges. f. Phytotherapie e.V","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.1055/a-1857-8977","RegionNum":0,"RegionCategory":null,"ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"Q4","JCRName":"Pharmacology, Toxicology and Pharmaceutics","Score":null,"Total":0}
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Abstract
Bei älteren multimorbiden PatientInnen ist Polypharmazie mit
rezeptpflichtigen Arzneimitteln die Regel. Allerdings sind sie oft gerade bei den
rezeptpflichtigen Arzneimitteln nicht sehr adhärent, weil sie nach dem
Studium der Beipackzettel oder durch Internetforen Angst vor den Nebenwirkungen
haben. Dies gilt z. B. für nicht-steroidale Antirheumatika oder
niedrig dosierte Glukokortikoide. Bei den chemisch definierten psychotropen
Arzneimitteln ist in der Bevölkerung zudem die Angst vor
Abhängigkeit weitverbreitet. Diese Arzneimittel werden deshalb oft von den
PatientInnen ohne Rücksprache mit den behandelnden ÄrztInnen durch
intensiv beworbene Nahrungsergänzungsmittel ersetzt, die bekanntlich nicht
den von den Arzneimitteln geforderten Nachweis von Qualität, Wirksamkeit und
Unbedenklichkeit erbringen müssen. Dass die Qualität aber durchaus
problematisch sein kann, wurde bereits in einigen zurückliegenden Heften der
ZPT erschienenen Publikationen gezeigt, zuletzt zu Produkten aus Heidelbeeren 1. Auch das Problem der Dosierung von nicht
verschreibungspflichtigen Wirksubstanzen ist bisher zu wenig beachtet worden. So
sollte z. B. vermehrt auf additiv bedingte Überdosierungen von
Vitamin D geachtet werden, wenn mehrere Multivitamin- oder
Spurenelementpräparate als Selbstmedikation eingenommen werden. Eine
aktuelle Publikation zu Grüntee-Extrakt zeigt zudem, dass das seit
Jahrzehnten vielgepriesene antioxidative Potenzial von pflanzlichen Inhaltsstoffen,
wie z. B. den Polyphenolen, offenbar differenzierter betrachtet werden muss.
Bislang wurde propagiert, dass die Grüntee-Katechine Sauerstoffradikale
neutralisieren, dadurch Schäden an Zellen oder der DNA verhindern und so dem
Alterungsprozess entgegenwirken. In einer Studie bei Fadenwürmern wurde
aktuell nun gezeigt, dass diese Katechine aber tatsächlich kurzzeitig
pro-oxidativ wirken. Dadurch aktivieren sie – vergleichbar zu
mäßigen Sportaktivitäten oder kalorienreduzierter
Ernährung – Gene, die für die Produktion der antioxidativ
wirksamen körpereigenen Enzyme Superoxid-Dismutase (SOD) und Catalase (CTL)
zuständig sind 2. Hochdosierte
Katechine, die in verschiedenen im Handel befindlichen Produkten erhältlich
sind, hemmen dagegen die Mitochondrien so stark, dass dies zum Zelltod und damit zu
Organschäden führen kann.