{"title":"Jacques R. Pauwels, The Great Class War 1914–1918, Toronto: James Lorimer & Company 2016, 632 S., £ 14.95 [ISBN 978-1-4594-1105-0]","authors":"Günther Kronenbitter","doi":"10.1515/MGZS-2019-0034","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Jacques R. Pauwels beginnt seine Darstellung des Ersten Weltkriegs mit persönlichen Erinnerungen. Der Film Paths of Glory habe ihm die Augen dafür geöffnet, dass der Große Krieg eigentlich ein Gegeneinander von oben und unten in den europäischen Gesellschaften gewesen sei. Diesen »Great Class War« sichtbar zu machen, der hinter den überlieferten Erzählungen der militärischen Ereignisse kaum zu erkennen sei, ist das Anliegen des Verfassers. Dazu interpretiert Pauwels das Geschehen der Kriegsjahre als Teil einer länger dauernden Auseinandersetzung zwischen Eliten und Volk – Pauwels schreibt von »plebeians«. Er greift dafür weit zurück und entwickelt auf 140 Seiten seine Sicht auf das lange 19. Jahrhundert, von der Französischen Revolution bis zum Sommer 1914. Es geht dabei um die Furcht der Eliten vor dem Volk und um die Methoden, der Demokratisierung durch Repression und Propaganda Widerstand zu leisten. Religion und Monarchismus, Nationalismus, Sozialdarwinismus und Bellizismus erwiesen sich nach Pauwels als besonders wirksame Instrumente der Beeinflussung. Der Durchlauf durch mehr als hundert Jahre europäischer Geschichte erlaubt nur sehr kursorische Betrachtungen einzelner Aspekte. Sehr stark an Arno Mayer und Eric Hobsbawm, aber auch dem Ideenhistoriker Domenico Losurdo orientiert, berücksichtigt Pauwels viele Facetten des Geschehens, kann aber nicht ausreichend genau analysieren, wie die geschilderten Phänomene zusammenhingen. Wer beispielsweise etwas über die Beziehung von Kapitalismus und Imperialismus erfahren möchte, wird enttäuscht und sollte besser direkt zu den Werken von Eric Hobsbawm greifen. Der Begriff »elites« fasst Adel und Bourgeoisie flächendeckend zusammen. Er wird meist ebenso undifferenziert gebraucht wie jener der »plebeians« und eine Klärung dessen, was er unter »Klassen« als analytischem Begriff versteht, bleibt Pauwels schuldig. Krieg bot sich nach Pauwels als Weg zur Stabilisierung gesellschaftlicher Hierarchie an und wurde in den Kreisen der »elites« dementsprechend 1914 auch begrüßt. Durch Erziehung und Propaganda, nicht zuletzt auch durch die Militarisierung der Vorkriegsgesellschaften auf dem europäischen Kontinent im Kontext der Wehrpflichtsysteme, sei Widerstand gegen den Krieg im Volk ausgeblieben, MGZ 78/1 (2019): 223–224 OLDENBOURG","PeriodicalId":40790,"journal":{"name":"MILITARGESCHICHTLICHE ZEITSCHRIFT","volume":"78 1","pages":"223 - 224"},"PeriodicalIF":0.1000,"publicationDate":"2019-05-08","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"https://sci-hub-pdf.com/10.1515/MGZS-2019-0034","citationCount":"0","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"MILITARGESCHICHTLICHE ZEITSCHRIFT","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.1515/MGZS-2019-0034","RegionNum":4,"RegionCategory":"历史学","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"Q4","JCRName":"HISTORY","Score":null,"Total":0}
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Abstract
Jacques R. Pauwels beginnt seine Darstellung des Ersten Weltkriegs mit persönlichen Erinnerungen. Der Film Paths of Glory habe ihm die Augen dafür geöffnet, dass der Große Krieg eigentlich ein Gegeneinander von oben und unten in den europäischen Gesellschaften gewesen sei. Diesen »Great Class War« sichtbar zu machen, der hinter den überlieferten Erzählungen der militärischen Ereignisse kaum zu erkennen sei, ist das Anliegen des Verfassers. Dazu interpretiert Pauwels das Geschehen der Kriegsjahre als Teil einer länger dauernden Auseinandersetzung zwischen Eliten und Volk – Pauwels schreibt von »plebeians«. Er greift dafür weit zurück und entwickelt auf 140 Seiten seine Sicht auf das lange 19. Jahrhundert, von der Französischen Revolution bis zum Sommer 1914. Es geht dabei um die Furcht der Eliten vor dem Volk und um die Methoden, der Demokratisierung durch Repression und Propaganda Widerstand zu leisten. Religion und Monarchismus, Nationalismus, Sozialdarwinismus und Bellizismus erwiesen sich nach Pauwels als besonders wirksame Instrumente der Beeinflussung. Der Durchlauf durch mehr als hundert Jahre europäischer Geschichte erlaubt nur sehr kursorische Betrachtungen einzelner Aspekte. Sehr stark an Arno Mayer und Eric Hobsbawm, aber auch dem Ideenhistoriker Domenico Losurdo orientiert, berücksichtigt Pauwels viele Facetten des Geschehens, kann aber nicht ausreichend genau analysieren, wie die geschilderten Phänomene zusammenhingen. Wer beispielsweise etwas über die Beziehung von Kapitalismus und Imperialismus erfahren möchte, wird enttäuscht und sollte besser direkt zu den Werken von Eric Hobsbawm greifen. Der Begriff »elites« fasst Adel und Bourgeoisie flächendeckend zusammen. Er wird meist ebenso undifferenziert gebraucht wie jener der »plebeians« und eine Klärung dessen, was er unter »Klassen« als analytischem Begriff versteht, bleibt Pauwels schuldig. Krieg bot sich nach Pauwels als Weg zur Stabilisierung gesellschaftlicher Hierarchie an und wurde in den Kreisen der »elites« dementsprechend 1914 auch begrüßt. Durch Erziehung und Propaganda, nicht zuletzt auch durch die Militarisierung der Vorkriegsgesellschaften auf dem europäischen Kontinent im Kontext der Wehrpflichtsysteme, sei Widerstand gegen den Krieg im Volk ausgeblieben, MGZ 78/1 (2019): 223–224 OLDENBOURG