Lennart May, A. Stein, Thomas Gundlach, R. Volbert
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Abstract
Abstract Die vorliegende Studie untersucht, ob in Beschuldigtenvernehmungen eine positive Prüfstrategie angewendet wird, die bei uneindeutiger Beweislage aufgrund einer strukturbedingten Schuldannahme schuldverzerrend sein kann und wie einer solchen entgegengewirkt werden kann. Hierzu lasen Studierende einer Polizeihochschule (N = 73) eine Fallvignette zu einem Einbruchsdelikt und sollten, a) Fragen zur Vorbereitung der Beschuldigtenvernehmung selbst formulieren und b) geeignete Fragen aus einem Fragenkatalog auswählen. Die Instruktion für die Teilnehmenden wurde dabei variiert: Sie sollten die Beschuldigtenvernehmung entweder ohne nähere Instruktion vorbereiten (offen-instruierte Bedingung) oder wurden explizit aufgefordert herauszufinden, ob der zu Vernehmende schuldig (schuldig-instruierte Bedingung) bzw. ob er unschuldig ist (unschuldig-instruierte Bedingung). Die aus dem Fragenkatalog ausgewählten Fragen waren in der unschuldig-instruierten Bedingung eher unschuldsverzerrt, während in den anderen beiden Instruktionsbedingungen ergebnisoffene Fragen präferiert wurden. Die drei Instruktionsbedingungen unterschieden sich jedoch nicht signifikant voneinander. Sollten die Teilnehmer selbst Fragen formulieren, fand sich in allen drei Bedingungen eine Tendenz in Richtung schuldverzerrter Fragen; zwischen den drei Instruktionsbedingungen traten wiederum keine signifikanten Unterschiede auf. Die bloße Instruktion, die Unschuld des Beschuldigten zu prüfen, schwächte die schuldverzerrende Tendenz bei der eigenständigen Fragenformulierung also nicht bedeutsam ab.