Die Tolerierung der Christen in der Zeit von Gallienus bis zur sogenannten Constantinischen Wende (260–313)

Q4 Social Sciences Millennium DIPr Pub Date : 2015-11-27 DOI:10.1515/mill-2015-0103
Frank M. Ausbüttel
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In 311 Galerius, Constantine, Licinius and Maximinus Daia, who didn′t accept Maxentius as emperor, issued an edict ending the persecution and declaring toleration for all Christians to gain their support. On 28 October 312 Constantine defeated Maxentius in the battle of the Milvian bridge. After this battle Licinius attacked Maximinus Daia on the Balkan regions, whose attitude towards the Christians was changing. With Constantine he devised a mandatum (not an edict!) to governors in the east, which effectively restored freedom to Christians. So the Christian church profited from the rivalry of the tetrarchs and would have succeeded without the help of Constantine, the first Christian emperor. In einem 1891 publizierten Aufsatz tat der Greifswalder Althistoriker O. Seeck die Tatsache, dass Constantin im Edikt von Mailand „den Christen im römischen Reiche gesetzliche Toleranz“ gewährte, als bloße Schulbuchweisheit ab. Kurz und bündig erklärte er, dass die als Edikt bezeichnete Urkunde eigentlich kein Edikt sei, nicht in Mailand und nicht von Constantin erlassen worden sei und lediglich eine regionale Bedeutung besessen habe, da die Christen bereits im gesamten Reich geduldet wurden.1 Seecks These stieß sofort auf heftigenWiderstand. Bereits 1892warf ihm F.Görres vor, „von der Aera der Toleranzedicte, überhaupt von Constantin′s genialer Religionspolitik keine Ahnung“ zu haben.2 Die Reaktion fiel deshalb so heftig aus, weil Seeck mit seiner These einen Mythos in Frage stellte, der entscheidend für das  Seeck, Otto, Das sogenannte Edikt von Mailand, ZKG ,, –.  Görres, Franz, Eine Bestreitung des Edicts von Mailand durch O. Seeck, Zeitschrift für wissenschaftliche Theologie ,, ; zu den Reaktionen auf Seecks These s. auch Crivellucci, Amedeo, L’editto di Milano, StudStor ,,  ff. und ders., Intorno all′editto di Milano (Risposta al Prof. O. Seeck), StudStor ,,  ff. und Sesan, Valerian, Die Religionspolitik der christlich-römischen Kaiser von Konstantin d.Gr. bis Theodosius d.Gr. (–), Czernwitz  (ND Leipzig ),  f. Selbstverständnis der katholischen Kirche war und ist; denn bislang ging man davon aus, dass Constantin als Dank für seinen Sieg, den er allein mit Gottes Hilfe am 28. Oktober 312 über seinen Widersacher Maxentius an der Milvischen Brücke vor den Toren Roms errungen hatte, die Christen 313 nach einer Zeit der Verfolgung tolerierte. Göttliche Unterstützung und Tolerierung der Christen hingen demnach eng zusammen. Die den Christen in einer schwierigen Situation erwiesene Gunst Gottes war letztlich die entscheidende Voraussetzung für den epochemachenden Wandel in der römischen (Religions‐)Politik. Seit dem Ende des 19. Jh.s haben sich angesichts dieser Kontroverse viele Alt-, Kirchenund Rechtshistoriker verstärkt mit der Frage befasst, wann und wie die Christen und ihre Religion toleriert wurden. Die intensiven und detaillierten Forschungen zu dem Thema fanden keine größere Resonanz in der Öffentlichkeit und blieben deshalb ohne nennenswerte Außenwirkung auf das gängige Geschichtsbild. In ihrenVerlautbarungen anlässlich derHundertjahrfeiern zumMailänder Edikt 1913 und 2013 hielt die katholische Kirche an dem traditionellen als dem offiziellen Geschichtsbild fest.3 Und auch neuere Geschichtsbücher übernehmenweiterhin kritiklos die von Seeck in Frage gestellte Schulbuchweisheit.4 Selbst in der Fachliteratur ist zu beobachten, dass wieder verstärkt von einem Mailänder Edikt beziehungsweise von einer Mailänder Vereinbarung gesprochen wird, wohl weil sich trotz der umfangreichen Forschungen auf diesem Gebiet keine communis opinio gebildet hat.5 Eine erneute Untersuchung des Themas erscheint auf den ersten Blick wenig lohnenswert, da alle bekannten Dokumente zur Tolerierung der Christen bereits mehrfach eingehend analysiert worden und neue Dokumente, sei es durch Papyrusoder Inschriftenfunde, nicht hinzugekommen sind. Nur durch eine andere Herangehensweise und Schwerpunktsetzung ließe sich ein Fortschritt erzielen. Hierfür bieten sich bei einer näheren Betrachtung des Themas zwei Ansatzpunkte an: 1. die Bewertung der Rolle Constantins, 2. die konsequente systematische Analyse der vorhandenen prochristlichen Dokumente. Bei den meisten Darstellungen über die Tolerierung der Christen fällt auf, dass Constantin im Mittelpunkt der Betrachtung steht, weil sie in erster Linie der Berichterstattung der christlichen Autoren Lactanz und Eusebius folgen. Beiden Autoren war vor allem daran gelegen, mit einer einprägsamen, dramatischen Schilderung die Bedeutung des ersten christlichen Kaisers für den Siegeszug der Christen nach Jahren der Verfolgungen hervorzuheben, was ihnen, wie die Rezeption ihrer Darstellungen zeigt, letztlich gelungen ist. Angesichts der einseitigen Quellenlage drängt sich ge So  Papst Pius X. in den Acta Apostolicae Sedis ,,  ff. Zum Jahr  s. die Verlautbarungen des Bischofs von Mailand im Internet s. v. Mailänder Vereinbarung.  Als Beispiele sei hier verwiesen auf Buchners Kolleg Geschichte. Ausgabe Hessen. Einführungsphase, Bamberg ,  und Das waren Zeiten Bd , Neue Ausgabe Hessen G , Bamberg , .  S. hierzu Barnes, Timothy D., Constantine. Dynasty, religion and power in the later Roman empire, Oxford , –; vgl. Wallraff, Martin, Sonnenkönig der Spätantike. Die Religionspolitik Konstantins des Großen, Freiburg , –. 42 Frank M. Ausbüttel","PeriodicalId":36600,"journal":{"name":"Millennium DIPr","volume":null,"pages":null},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"2015-11-27","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Millennium DIPr","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.1515/mill-2015-0103","RegionNum":0,"RegionCategory":null,"ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"Q4","JCRName":"Social Sciences","Score":null,"Total":0}
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Abstract

It is still a generally accepted view that Constantine tolerated the Christian church in 313 in the so-called edict of Milan. In the following article at least 18 constitutiones issued by eight Roman emperors for the toleration of the Christians are analysed. 260 Gallienus ended the persecution of Valerian, when he ordered the property of the Christians to be restored. After Christianity had extended successfully, Diocletian initiated the great persecution in 303, which failed in most parts of the empire. Constantine and Maxentius, who were declared emperor in 306, adopted therefore a policy of toleration in Britannia, Gallia, Italia and Africa. In 311 Galerius, Constantine, Licinius and Maximinus Daia, who didn′t accept Maxentius as emperor, issued an edict ending the persecution and declaring toleration for all Christians to gain their support. On 28 October 312 Constantine defeated Maxentius in the battle of the Milvian bridge. After this battle Licinius attacked Maximinus Daia on the Balkan regions, whose attitude towards the Christians was changing. With Constantine he devised a mandatum (not an edict!) to governors in the east, which effectively restored freedom to Christians. So the Christian church profited from the rivalry of the tetrarchs and would have succeeded without the help of Constantine, the first Christian emperor. In einem 1891 publizierten Aufsatz tat der Greifswalder Althistoriker O. Seeck die Tatsache, dass Constantin im Edikt von Mailand „den Christen im römischen Reiche gesetzliche Toleranz“ gewährte, als bloße Schulbuchweisheit ab. Kurz und bündig erklärte er, dass die als Edikt bezeichnete Urkunde eigentlich kein Edikt sei, nicht in Mailand und nicht von Constantin erlassen worden sei und lediglich eine regionale Bedeutung besessen habe, da die Christen bereits im gesamten Reich geduldet wurden.1 Seecks These stieß sofort auf heftigenWiderstand. Bereits 1892warf ihm F.Görres vor, „von der Aera der Toleranzedicte, überhaupt von Constantin′s genialer Religionspolitik keine Ahnung“ zu haben.2 Die Reaktion fiel deshalb so heftig aus, weil Seeck mit seiner These einen Mythos in Frage stellte, der entscheidend für das  Seeck, Otto, Das sogenannte Edikt von Mailand, ZKG ,, –.  Görres, Franz, Eine Bestreitung des Edicts von Mailand durch O. Seeck, Zeitschrift für wissenschaftliche Theologie ,, ; zu den Reaktionen auf Seecks These s. auch Crivellucci, Amedeo, L’editto di Milano, StudStor ,,  ff. und ders., Intorno all′editto di Milano (Risposta al Prof. O. Seeck), StudStor ,,  ff. und Sesan, Valerian, Die Religionspolitik der christlich-römischen Kaiser von Konstantin d.Gr. bis Theodosius d.Gr. (–), Czernwitz  (ND Leipzig ),  f. Selbstverständnis der katholischen Kirche war und ist; denn bislang ging man davon aus, dass Constantin als Dank für seinen Sieg, den er allein mit Gottes Hilfe am 28. Oktober 312 über seinen Widersacher Maxentius an der Milvischen Brücke vor den Toren Roms errungen hatte, die Christen 313 nach einer Zeit der Verfolgung tolerierte. Göttliche Unterstützung und Tolerierung der Christen hingen demnach eng zusammen. Die den Christen in einer schwierigen Situation erwiesene Gunst Gottes war letztlich die entscheidende Voraussetzung für den epochemachenden Wandel in der römischen (Religions‐)Politik. Seit dem Ende des 19. Jh.s haben sich angesichts dieser Kontroverse viele Alt-, Kirchenund Rechtshistoriker verstärkt mit der Frage befasst, wann und wie die Christen und ihre Religion toleriert wurden. Die intensiven und detaillierten Forschungen zu dem Thema fanden keine größere Resonanz in der Öffentlichkeit und blieben deshalb ohne nennenswerte Außenwirkung auf das gängige Geschichtsbild. In ihrenVerlautbarungen anlässlich derHundertjahrfeiern zumMailänder Edikt 1913 und 2013 hielt die katholische Kirche an dem traditionellen als dem offiziellen Geschichtsbild fest.3 Und auch neuere Geschichtsbücher übernehmenweiterhin kritiklos die von Seeck in Frage gestellte Schulbuchweisheit.4 Selbst in der Fachliteratur ist zu beobachten, dass wieder verstärkt von einem Mailänder Edikt beziehungsweise von einer Mailänder Vereinbarung gesprochen wird, wohl weil sich trotz der umfangreichen Forschungen auf diesem Gebiet keine communis opinio gebildet hat.5 Eine erneute Untersuchung des Themas erscheint auf den ersten Blick wenig lohnenswert, da alle bekannten Dokumente zur Tolerierung der Christen bereits mehrfach eingehend analysiert worden und neue Dokumente, sei es durch Papyrusoder Inschriftenfunde, nicht hinzugekommen sind. Nur durch eine andere Herangehensweise und Schwerpunktsetzung ließe sich ein Fortschritt erzielen. Hierfür bieten sich bei einer näheren Betrachtung des Themas zwei Ansatzpunkte an: 1. die Bewertung der Rolle Constantins, 2. die konsequente systematische Analyse der vorhandenen prochristlichen Dokumente. Bei den meisten Darstellungen über die Tolerierung der Christen fällt auf, dass Constantin im Mittelpunkt der Betrachtung steht, weil sie in erster Linie der Berichterstattung der christlichen Autoren Lactanz und Eusebius folgen. Beiden Autoren war vor allem daran gelegen, mit einer einprägsamen, dramatischen Schilderung die Bedeutung des ersten christlichen Kaisers für den Siegeszug der Christen nach Jahren der Verfolgungen hervorzuheben, was ihnen, wie die Rezeption ihrer Darstellungen zeigt, letztlich gelungen ist. Angesichts der einseitigen Quellenlage drängt sich ge So  Papst Pius X. in den Acta Apostolicae Sedis ,,  ff. Zum Jahr  s. die Verlautbarungen des Bischofs von Mailand im Internet s. v. 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