{"title":"Legalbewährung ehemaliger Maßregelvollzugs-patienten nach einer Verhältnismäßigkeits-erledigung gem. § 67 d Abs. 6 Strafgesetzbuch","authors":"J. Querengässer, Nora Hein, B. Schiffer","doi":"10.1515/mks-2022-0013","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Zusammenfassung 2016 erfolgte eine Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Dabei wurden die Voraussetzungen für eine Erledigung der Maßregel gem. § 63 StGB aus Gründen der Unverhältnismäßigkeit explizit geregelt. Seither kam es gerade in Nordrhein-Westfalen zu zahlreichen Entlassungen, die auf dieser Grundlage erfolgten. Die vorliegende Studie untersucht anhand von Bundeszentralregisterauszügen die Legalbewährung aller in diesem Bundesland zwischen August 2016 und Juli 2018 entsprechend entlassenen Patienten in einem mittleren Beobachtungszeitraum von knapp 4 Jahren. Verglichen wird diese Gruppe einerseits mit bewährungsentlassenen Patienten derselben Entlasskohorte und andererseits mit einer gematchten Gruppe aus entlassenen Patienten früherer Jahre. Das Matching dieser Zwillingsgruppe erfolgte u. a. hinsichtlich der Delikt- und Diagnosenverteilung. Während von den Bewährungsentlassenen lediglich 9 % erneute Eintragungen im BZR aufwiesen, liegt diese Quote bei den »Erledigern« mit 28 % knapp dreimal so hoch. Fast dasselbe Verhältnis ergibt sich im direkten Zwillingsgruppenvergleich. Entsprechende Diskrepanzen in den Überlebenszeitanalysen zeigen sich auch auf allen anderen erhobenen Parametern (einschlägige, Gewalt- und Sexualdelikte sowie unterschiedliche Sanktionsformen als Schätzer der Deliktschwere). Da die Zwillingsgruppenvergleiche diese Befunde bestätigen, scheinen die Unterschiede nicht ausschließlich durch Selektionseffekte erklärbar zu sein. Eine Verhältnismäßigkeitserledigung bzw. deren strukturell-systemische Implikationen scheinen somit aus anderen Gründen einen Risikofaktor für eine ungünstige Legalbewährung darzustellen.","PeriodicalId":43577,"journal":{"name":"Monatsschrift Fur Kriminologie Und Strafrechtsreform","volume":"12 1","pages":"293 - 303"},"PeriodicalIF":0.6000,"publicationDate":"2022-10-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Monatsschrift Fur Kriminologie Und Strafrechtsreform","FirstCategoryId":"90","ListUrlMain":"https://doi.org/10.1515/mks-2022-0013","RegionNum":4,"RegionCategory":"社会学","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"Q4","JCRName":"CRIMINOLOGY & PENOLOGY","Score":null,"Total":0}
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Abstract
Zusammenfassung 2016 erfolgte eine Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Dabei wurden die Voraussetzungen für eine Erledigung der Maßregel gem. § 63 StGB aus Gründen der Unverhältnismäßigkeit explizit geregelt. Seither kam es gerade in Nordrhein-Westfalen zu zahlreichen Entlassungen, die auf dieser Grundlage erfolgten. Die vorliegende Studie untersucht anhand von Bundeszentralregisterauszügen die Legalbewährung aller in diesem Bundesland zwischen August 2016 und Juli 2018 entsprechend entlassenen Patienten in einem mittleren Beobachtungszeitraum von knapp 4 Jahren. Verglichen wird diese Gruppe einerseits mit bewährungsentlassenen Patienten derselben Entlasskohorte und andererseits mit einer gematchten Gruppe aus entlassenen Patienten früherer Jahre. Das Matching dieser Zwillingsgruppe erfolgte u. a. hinsichtlich der Delikt- und Diagnosenverteilung. Während von den Bewährungsentlassenen lediglich 9 % erneute Eintragungen im BZR aufwiesen, liegt diese Quote bei den »Erledigern« mit 28 % knapp dreimal so hoch. Fast dasselbe Verhältnis ergibt sich im direkten Zwillingsgruppenvergleich. Entsprechende Diskrepanzen in den Überlebenszeitanalysen zeigen sich auch auf allen anderen erhobenen Parametern (einschlägige, Gewalt- und Sexualdelikte sowie unterschiedliche Sanktionsformen als Schätzer der Deliktschwere). Da die Zwillingsgruppenvergleiche diese Befunde bestätigen, scheinen die Unterschiede nicht ausschließlich durch Selektionseffekte erklärbar zu sein. Eine Verhältnismäßigkeitserledigung bzw. deren strukturell-systemische Implikationen scheinen somit aus anderen Gründen einen Risikofaktor für eine ungünstige Legalbewährung darzustellen.