Empirische Erkenntnisse zur Reform des Sexualstrafrechts in Bezug auf die §§ 177 und 184 i StGB und daraus resultierende Schlussfolgerungen für die Vernehmungsgestaltung
{"title":"Empirische Erkenntnisse zur Reform des Sexualstrafrechts in Bezug auf die §§ 177 und 184 i StGB und daraus resultierende Schlussfolgerungen für die Vernehmungsgestaltung","authors":"Jürgen Biedermann, R. Volbert","doi":"10.1515/mks-2020-2058","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Zusammenfassung Im November 2016 erfolgte eine bedeutsame Reform des deutschen Sexualstrafrechts, welche in der wissenschaftlichen Literatur und öffentlichen Debatte sowohl mit Hoffnungen als auch Befürchtungen einherging. Die vorliegende Untersuchung widmet sich aktuellen empirischen Erkenntnissen zu den Straftatbeständen des veränderten § 177 StGB (Sexueller Übergriff; sexuelle Nötigung; Vergewaltigung) und des neugeschaffenen § 184 i StGB (Sexuelle Belästigung). So wird für beide Deliktkategorien anhand der bundesweiten Polizeilichen Kriminalstatistik und der Strafverfolgungsstatistik die Entwicklung des polizeilich registrierten Fallaufkommens aufgezeigt und mit der Anzahl der gerichtlichen Entscheidungen verglichen. Eine Analyse der Tatmerkmale aller im Jahr 2018 in Brandenburg registrierten Fälle nach den §§ 177 StGB (n = 390) und 184 i StGB (n = 387) auf Basis der POLAS-Datenbank verwies hinsichtlich der Aufklärung und Beweisbarkeit der fraglichen Taten auf die zentrale Bedeutung der Opferaussage als Personalbeweis. Im Weiteren werden Schlussfolgerungen für eine geeignete Vernehmungstechnik und -protokollierung dargestellt, um das infolge der Reform nunmehr zentrale Tatbestandsmerkmal– den erkennbar den sexuellen Handlungen entgegenstehenden Willen – adäquat aufklären zu können. Eine derartige Vernehmungsgestaltung verbessert zudem die Möglichkeiten, mittels wissenschaftlich etablierter Methoden der Glaubhaftigkeitsbeurteilung sowohl tatsächlich stattgefundene Taten als auch mögliche Falschbeschuldigungen als solche zu identifizieren.","PeriodicalId":43577,"journal":{"name":"Monatsschrift Fur Kriminologie Und Strafrechtsreform","volume":"5 1","pages":"250 - 268"},"PeriodicalIF":0.6000,"publicationDate":"2020-10-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Monatsschrift Fur Kriminologie Und Strafrechtsreform","FirstCategoryId":"90","ListUrlMain":"https://doi.org/10.1515/mks-2020-2058","RegionNum":4,"RegionCategory":"社会学","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"Q4","JCRName":"CRIMINOLOGY & PENOLOGY","Score":null,"Total":0}
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Abstract
Zusammenfassung Im November 2016 erfolgte eine bedeutsame Reform des deutschen Sexualstrafrechts, welche in der wissenschaftlichen Literatur und öffentlichen Debatte sowohl mit Hoffnungen als auch Befürchtungen einherging. Die vorliegende Untersuchung widmet sich aktuellen empirischen Erkenntnissen zu den Straftatbeständen des veränderten § 177 StGB (Sexueller Übergriff; sexuelle Nötigung; Vergewaltigung) und des neugeschaffenen § 184 i StGB (Sexuelle Belästigung). So wird für beide Deliktkategorien anhand der bundesweiten Polizeilichen Kriminalstatistik und der Strafverfolgungsstatistik die Entwicklung des polizeilich registrierten Fallaufkommens aufgezeigt und mit der Anzahl der gerichtlichen Entscheidungen verglichen. Eine Analyse der Tatmerkmale aller im Jahr 2018 in Brandenburg registrierten Fälle nach den §§ 177 StGB (n = 390) und 184 i StGB (n = 387) auf Basis der POLAS-Datenbank verwies hinsichtlich der Aufklärung und Beweisbarkeit der fraglichen Taten auf die zentrale Bedeutung der Opferaussage als Personalbeweis. Im Weiteren werden Schlussfolgerungen für eine geeignete Vernehmungstechnik und -protokollierung dargestellt, um das infolge der Reform nunmehr zentrale Tatbestandsmerkmal– den erkennbar den sexuellen Handlungen entgegenstehenden Willen – adäquat aufklären zu können. Eine derartige Vernehmungsgestaltung verbessert zudem die Möglichkeiten, mittels wissenschaftlich etablierter Methoden der Glaubhaftigkeitsbeurteilung sowohl tatsächlich stattgefundene Taten als auch mögliche Falschbeschuldigungen als solche zu identifizieren.