{"title":"成为焦点","authors":"T. Scholle","doi":"10.5771/0023-4834-2019-3-245","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Kulturen und Gesellschaften gruppieren sich gerne um Pseudo-Tabus, um öffentlich inszenierte Geheimnisse, über die angeblich nicht gesprochen werden darf, auf die aber gerade deshalb ein großer Teil der Handlungen, Praktiken, Zeichen, Rituale, Erziehungsmaßnahmen und Frivolitäten der jeweiligen Kultur verweisen. Gemeinschaft entsteht auch dadurch, dass viele Menschen in Sprache, Kunst und Kultus verschlüsselt (aber für alle erkennbar und in diesem Verbergespiel offen und gemeinsam) das vollziehen, womit angeblich keiner von ihnen zu tun hat. Bezogen auf das mittlerweile längst historische Pseudo-Tabu der Sexualität hat Sigmund Freud dafür den Ausdruck des „Unbewussten“ geprägt, dessen rasche Karriere zeigt, dass das, was da „aufgedeckt“ worden ist, so verborgen und „unbewusst“ nicht gewesen sein kann. Das immer schon Vorhandene wurde von Freud allerdings so direkt formuliert, dass die jahrhundertelang offen praktizierten Verschlüsselungsund Umschreibungsstrategien hinfällig wurden − und mit ihnen der einst kulturprägende Umgang mit Doppeldeutigkeit, Anspielung, Verhüllung und reizvoll flüsternder Verlockung.","PeriodicalId":282992,"journal":{"name":"Kritische Justiz","volume":"23 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"1900-01-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"1","resultStr":"{\"title\":\"Zum Schwerpunkt\",\"authors\":\"T. Scholle\",\"doi\":\"10.5771/0023-4834-2019-3-245\",\"DOIUrl\":null,\"url\":null,\"abstract\":\"Kulturen und Gesellschaften gruppieren sich gerne um Pseudo-Tabus, um öffentlich inszenierte Geheimnisse, über die angeblich nicht gesprochen werden darf, auf die aber gerade deshalb ein großer Teil der Handlungen, Praktiken, Zeichen, Rituale, Erziehungsmaßnahmen und Frivolitäten der jeweiligen Kultur verweisen. Gemeinschaft entsteht auch dadurch, dass viele Menschen in Sprache, Kunst und Kultus verschlüsselt (aber für alle erkennbar und in diesem Verbergespiel offen und gemeinsam) das vollziehen, womit angeblich keiner von ihnen zu tun hat. Bezogen auf das mittlerweile längst historische Pseudo-Tabu der Sexualität hat Sigmund Freud dafür den Ausdruck des „Unbewussten“ geprägt, dessen rasche Karriere zeigt, dass das, was da „aufgedeckt“ worden ist, so verborgen und „unbewusst“ nicht gewesen sein kann. Das immer schon Vorhandene wurde von Freud allerdings so direkt formuliert, dass die jahrhundertelang offen praktizierten Verschlüsselungsund Umschreibungsstrategien hinfällig wurden − und mit ihnen der einst kulturprägende Umgang mit Doppeldeutigkeit, Anspielung, Verhüllung und reizvoll flüsternder Verlockung.\",\"PeriodicalId\":282992,\"journal\":{\"name\":\"Kritische Justiz\",\"volume\":\"23 1\",\"pages\":\"0\"},\"PeriodicalIF\":0.0000,\"publicationDate\":\"1900-01-01\",\"publicationTypes\":\"Journal Article\",\"fieldsOfStudy\":null,\"isOpenAccess\":false,\"openAccessPdf\":\"\",\"citationCount\":\"1\",\"resultStr\":null,\"platform\":\"Semanticscholar\",\"paperid\":null,\"PeriodicalName\":\"Kritische Justiz\",\"FirstCategoryId\":\"1085\",\"ListUrlMain\":\"https://doi.org/10.5771/0023-4834-2019-3-245\",\"RegionNum\":0,\"RegionCategory\":null,\"ArticlePicture\":[],\"TitleCN\":null,\"AbstractTextCN\":null,\"PMCID\":null,\"EPubDate\":\"\",\"PubModel\":\"\",\"JCR\":\"\",\"JCRName\":\"\",\"Score\":null,\"Total\":0}","platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Kritische Justiz","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.5771/0023-4834-2019-3-245","RegionNum":0,"RegionCategory":null,"ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"","JCRName":"","Score":null,"Total":0}
Kulturen und Gesellschaften gruppieren sich gerne um Pseudo-Tabus, um öffentlich inszenierte Geheimnisse, über die angeblich nicht gesprochen werden darf, auf die aber gerade deshalb ein großer Teil der Handlungen, Praktiken, Zeichen, Rituale, Erziehungsmaßnahmen und Frivolitäten der jeweiligen Kultur verweisen. Gemeinschaft entsteht auch dadurch, dass viele Menschen in Sprache, Kunst und Kultus verschlüsselt (aber für alle erkennbar und in diesem Verbergespiel offen und gemeinsam) das vollziehen, womit angeblich keiner von ihnen zu tun hat. Bezogen auf das mittlerweile längst historische Pseudo-Tabu der Sexualität hat Sigmund Freud dafür den Ausdruck des „Unbewussten“ geprägt, dessen rasche Karriere zeigt, dass das, was da „aufgedeckt“ worden ist, so verborgen und „unbewusst“ nicht gewesen sein kann. Das immer schon Vorhandene wurde von Freud allerdings so direkt formuliert, dass die jahrhundertelang offen praktizierten Verschlüsselungsund Umschreibungsstrategien hinfällig wurden − und mit ihnen der einst kulturprägende Umgang mit Doppeldeutigkeit, Anspielung, Verhüllung und reizvoll flüsternder Verlockung.