{"title":"病毒,人类和上帝,从存在感危机到存在感危机再回来","authors":"Martin Splett","doi":"10.5771/9783748910589-359","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Die Corona-Pandemie hat eine weltweite Krise ausgelöst, die praktisch jeden auf die eine oder andere Weise betrifft – wenn nicht durch Infektion oder die Angst davor, dann durch vielfältige Auswirkungen von Schutzmaßnahmen; wenn nicht durch eigenes Leid, dann durch Mitgefühl mit Leidenden. Diese Krise drängt zum Nachdenken darüber, was nun praktisch zu tun ist; und das geschieht auch vielfach. Dieser philosophischtheologische Text hingegen beschäftigt sich mit der Frage, was die CoronaKrise und ihre Bekämpfung über unsere menschliche Existenz und über Gott aussagt bzw. in Erinnerung ruft1. Für die These, dass die Beschäftigung mit Sinnfragen kein intellektuelles Glasperlenspiel ist, sei als glaubwürdiger Zeuge der jüdische Psychiater Viktor Frankl2 angeführt: Er hat eine schlimme Zeit im Konzentrationslager überlebt, weil er ihr Sinn abgewinnen konnte. Die von ihm entwickelte Logotherapie hilft dabei, bedrohliche Situationen durch Sinngebung besser in den Griff zu bekommen. Einer Not und Krise, die man erklären kann, scheint man nicht mehr so ohnmächtig ausgeliefert zu sein. Dieser Mechanismus wirkt in verquerer Weise auch bei Verschwörungserzählungen (von Theorien sollte man hier wirklich nicht sprechen) rund um die Corona-Pandemie. Dasselbe gilt auch für das Phänomen „Schuld“: Sowohl massive Selbstvorwürfe wie die Suche nach Schuldigen bzw. Sündenböcken bieten Sinnzusammenhänge und verschaffen dadurch zunächst eine gewisse Erleichterung; doch Vorwürfe und Bestrafungen lösen langfristig keine Krise. Des Weiteren sei vor einer zu einseitigen Rede von der „Krise als Chance“ gewarnt: Natürlich soll man nach Ursachen forschen und Lehren für die Zukunft ziehen – für menschliches Zusammenleben, für den Umgang mit der Natur oder auch für Kirche und Seelsorge. Zudem begünstigt eine","PeriodicalId":441173,"journal":{"name":"Die Corona-Pandemie","volume":"93 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"2020-07-28","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":"{\"title\":\"Das Virus, der sterbliche Mensch und Gott – vom existentiellen Sinn in der Krise zur existentiellen Sinn-Krise und zurück\",\"authors\":\"Martin Splett\",\"doi\":\"10.5771/9783748910589-359\",\"DOIUrl\":null,\"url\":null,\"abstract\":\"Die Corona-Pandemie hat eine weltweite Krise ausgelöst, die praktisch jeden auf die eine oder andere Weise betrifft – wenn nicht durch Infektion oder die Angst davor, dann durch vielfältige Auswirkungen von Schutzmaßnahmen; wenn nicht durch eigenes Leid, dann durch Mitgefühl mit Leidenden. Diese Krise drängt zum Nachdenken darüber, was nun praktisch zu tun ist; und das geschieht auch vielfach. 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Sündenböcken bieten Sinnzusammenhänge und verschaffen dadurch zunächst eine gewisse Erleichterung; doch Vorwürfe und Bestrafungen lösen langfristig keine Krise. Des Weiteren sei vor einer zu einseitigen Rede von der „Krise als Chance“ gewarnt: Natürlich soll man nach Ursachen forschen und Lehren für die Zukunft ziehen – für menschliches Zusammenleben, für den Umgang mit der Natur oder auch für Kirche und Seelsorge. 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Das Virus, der sterbliche Mensch und Gott – vom existentiellen Sinn in der Krise zur existentiellen Sinn-Krise und zurück
Die Corona-Pandemie hat eine weltweite Krise ausgelöst, die praktisch jeden auf die eine oder andere Weise betrifft – wenn nicht durch Infektion oder die Angst davor, dann durch vielfältige Auswirkungen von Schutzmaßnahmen; wenn nicht durch eigenes Leid, dann durch Mitgefühl mit Leidenden. Diese Krise drängt zum Nachdenken darüber, was nun praktisch zu tun ist; und das geschieht auch vielfach. Dieser philosophischtheologische Text hingegen beschäftigt sich mit der Frage, was die CoronaKrise und ihre Bekämpfung über unsere menschliche Existenz und über Gott aussagt bzw. in Erinnerung ruft1. Für die These, dass die Beschäftigung mit Sinnfragen kein intellektuelles Glasperlenspiel ist, sei als glaubwürdiger Zeuge der jüdische Psychiater Viktor Frankl2 angeführt: Er hat eine schlimme Zeit im Konzentrationslager überlebt, weil er ihr Sinn abgewinnen konnte. Die von ihm entwickelte Logotherapie hilft dabei, bedrohliche Situationen durch Sinngebung besser in den Griff zu bekommen. Einer Not und Krise, die man erklären kann, scheint man nicht mehr so ohnmächtig ausgeliefert zu sein. Dieser Mechanismus wirkt in verquerer Weise auch bei Verschwörungserzählungen (von Theorien sollte man hier wirklich nicht sprechen) rund um die Corona-Pandemie. Dasselbe gilt auch für das Phänomen „Schuld“: Sowohl massive Selbstvorwürfe wie die Suche nach Schuldigen bzw. Sündenböcken bieten Sinnzusammenhänge und verschaffen dadurch zunächst eine gewisse Erleichterung; doch Vorwürfe und Bestrafungen lösen langfristig keine Krise. Des Weiteren sei vor einer zu einseitigen Rede von der „Krise als Chance“ gewarnt: Natürlich soll man nach Ursachen forschen und Lehren für die Zukunft ziehen – für menschliches Zusammenleben, für den Umgang mit der Natur oder auch für Kirche und Seelsorge. Zudem begünstigt eine