{"title":"以及民主德国的第一所文化科研学院。好的","authors":"Dietrich Mühlberg","doi":"10.2478/sck-2019-0011","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"DR Die Kulturinitiative 89 wird in diesem 30. Jubiläumsjahr des Mauerfalls ebenfalls 30 Jahre. Wir wollten gern wissen, was die Kulturinitiative 89 im Jahr 1989 war und was sie heute ist ? Sie gehören dem Gründungskomitee an ; wer waren Ihre Mitstreiter ? DM Die Kulturinitiative 89 ist heute ein kleiner gemeinnütziger Verein. Er ist hier in Berlin Ende der 1980er Jahre aus einem Verbund von Kulturwissenschaftlern hervorgegangen. In diesem Kreise waren wir schon zu Beginn der 80er Jahre der Meinung, dass es nötig wäre, all diejenigen, die auf unserem Gebiet studiert haben und dann im „kulturellen Leben“ arbeiteten, die promoviert waren, inzwischen lehrten und forschten, sie alle in einem Verband zu vereinen – ähnlich den Künstlerverbänden. Wir wollten damit gemeinsame Interessen geltend machen und die Kommunikation unter uns verstetigen. Solchen Austausch hatten wir schon in einem Arbeitskreis Kulturtheorie (er nannte sich „Problemrat“), der war bei der Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED (also beim Zentralkomitee der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands) angesiedelt. Ihn leitete der Kulturwissenschaftler Helmut Hanke, bis er 1986 nach Potsdam strafversetzt worden ist. In diese Diskussionsrunde kamen auch Kollegen aus Leipzig, wie Michael Hofmann und Lothar Parade. Aus Jena nahm Dieter Strützel teil, er war dort an der Universität für Kulturwissenschaft „zuständig“. Von den in Leipzig ansässigen „Jugendforschern“ war Lothar Bisky dabei, zuständig für Kultursoziologie. Wir kamen regelmäßig zusammen und haben neben wissenschaftlichen Themen immer auch die politische Großwetterlage behandelt. DR Das war wann genau, im November 89 ? DM Unser Problemrat existierte seit den 1970er Jahren. Der Entschluss, einen eigenen Verband zu gründen, reifte mit den Jahren. Vor allem durch gemeinsame Veranstaltungen. Entscheidend war 1986. Da haben wir versucht, unsere Position in der europäischen Kultur zu bestimmen. Ein ungünstiger Zeitpunkt, denn es gab gerade Streit zwischen Moskau und Honecker. Gorbatschow wollte verhindern, dass die DDR auch auf „höchster Ebene“ eigenständig mit der Bundesrepublik verhandelt. Honecker durfte nicht nach Bonn fahren. Denn : Helmut Kohl hatte Gorbatschow mit Goebbels verglichen. Darum musste er auf Drängen Moskaus die Reise nach Bonn absagen. Und wir Ahnungslosen machten in dieser Situation eine Tagung über Europa und den europäischen Charakter unserer sozialistischen Kultur. Ermuntert hatte uns, dass nicht nur von der westdeutschen SPD eine Politik vertreten wurde, die – wie wir meinten – auf Annäherung, Zusammenarbeit und eine mögliche Konföderation beider deutscher Staaten hinauslief. Wir machten also eine recht spannende Tagung, zusammen mit den „Problemräten“ für Kultursoziologie und für internationale Kulturprozesse. Dafür wurden wir dann hart abgestraft. Bis hin zur Forderung, den Studiengang Kulturwissenschaft aufzulösen. Das mag auch mehr eine Geste nach Moskau hin gewesen sein. Das konnte ich nachträglich nicht klären, obwohl ich mir im Bundesarchiv inzwischen alles angesehen habe, was die Kulturabteilung des ZK, was Kurt Hager und was Erich Honecker dazu notiert hatten. Es war jedenfalls recht dramatisch. Helmut Hanke wurde rausgeworfen und sein Chef Hans Koch, an der Gewi-Akademie (also der Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED) verantwortlich für alle Kulturwissenschaften, beging Selbstmord. Solche Situationen schweißen zusammen. Zwar blieben danach einige weg, aber die meisten dachten, wir müssen weitermachen. Das ging auch, denn Helmut Hanke wurde nur nach Babelsberg an die Filmhochschule versetzt, zu Lothar Bisky, der kurz davor dort als Rektor eingeführt worden war. Die Strafversetzung war also nicht so schlimm. Auch ich wurde für meinen Vortrag nicht abgesetzt, doch es wurde eine Kommission gebildet, die zu prüfen hatte, ob unser Studiengang nicht besser aufgelöst werden sollte. Das passte alles so gar nicht in die Zeit, geprägt von Reformdebatten und neuen kulturpolitischen Ideen. Auch das führte dazu, dass wir in den 80ern so eine Art Berufsverband gründen wollten. Wir kannten die Kulturpolitische Gesellschaft im Westen und unseren Kulturbund, der eine Dachorganisation aller Arten von Kulturvereinen der DDR war – beides kein Modell für uns. Wir mussten etwas Eigenes erfinden, speziell für Kulturwissenschaftler mit kulturpolitischen Ambitionen. 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Aus Jena nahm Dieter Strützel teil, er war dort an der Universität für Kulturwissenschaft „zuständig“. Von den in Leipzig ansässigen „Jugendforschern“ war Lothar Bisky dabei, zuständig für Kultursoziologie. Wir kamen regelmäßig zusammen und haben neben wissenschaftlichen Themen immer auch die politische Großwetterlage behandelt. DR Das war wann genau, im November 89 ? DM Unser Problemrat existierte seit den 1970er Jahren. Der Entschluss, einen eigenen Verband zu gründen, reifte mit den Jahren. Vor allem durch gemeinsame Veranstaltungen. Entscheidend war 1986. Da haben wir versucht, unsere Position in der europäischen Kultur zu bestimmen. Ein ungünstiger Zeitpunkt, denn es gab gerade Streit zwischen Moskau und Honecker. Gorbatschow wollte verhindern, dass die DDR auch auf „höchster Ebene“ eigenständig mit der Bundesrepublik verhandelt. Honecker durfte nicht nach Bonn fahren. Denn : Helmut Kohl hatte Gorbatschow mit Goebbels verglichen. Darum musste er auf Drängen Moskaus die Reise nach Bonn absagen. Und wir Ahnungslosen machten in dieser Situation eine Tagung über Europa und den europäischen Charakter unserer sozialistischen Kultur. Ermuntert hatte uns, dass nicht nur von der westdeutschen SPD eine Politik vertreten wurde, die – wie wir meinten – auf Annäherung, Zusammenarbeit und eine mögliche Konföderation beider deutscher Staaten hinauslief. Wir machten also eine recht spannende Tagung, zusammen mit den „Problemräten“ für Kultursoziologie und für internationale Kulturprozesse. Dafür wurden wir dann hart abgestraft. Bis hin zur Forderung, den Studiengang Kulturwissenschaft aufzulösen. Das mag auch mehr eine Geste nach Moskau hin gewesen sein. Das konnte ich nachträglich nicht klären, obwohl ich mir im Bundesarchiv inzwischen alles angesehen habe, was die Kulturabteilung des ZK, was Kurt Hager und was Erich Honecker dazu notiert hatten. Es war jedenfalls recht dramatisch. Helmut Hanke wurde rausgeworfen und sein Chef Hans Koch, an der Gewi-Akademie (also der Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED) verantwortlich für alle Kulturwissenschaften, beging Selbstmord. Solche Situationen schweißen zusammen. Zwar blieben danach einige weg, aber die meisten dachten, wir müssen weitermachen. Das ging auch, denn Helmut Hanke wurde nur nach Babelsberg an die Filmhochschule versetzt, zu Lothar Bisky, der kurz davor dort als Rektor eingeführt worden war. Die Strafversetzung war also nicht so schlimm. Auch ich wurde für meinen Vortrag nicht abgesetzt, doch es wurde eine Kommission gebildet, die zu prüfen hatte, ob unser Studiengang nicht besser aufgelöst werden sollte. Das passte alles so gar nicht in die Zeit, geprägt von Reformdebatten und neuen kulturpolitischen Ideen. Auch das führte dazu, dass wir in den 80ern so eine Art Berufsverband gründen wollten. 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Kulturinitiative 89 und das erste kulturwissenschaftliche Institut in der DDR. Gespräch mit Dietrich Mühlberg.
DR Die Kulturinitiative 89 wird in diesem 30. Jubiläumsjahr des Mauerfalls ebenfalls 30 Jahre. Wir wollten gern wissen, was die Kulturinitiative 89 im Jahr 1989 war und was sie heute ist ? Sie gehören dem Gründungskomitee an ; wer waren Ihre Mitstreiter ? DM Die Kulturinitiative 89 ist heute ein kleiner gemeinnütziger Verein. Er ist hier in Berlin Ende der 1980er Jahre aus einem Verbund von Kulturwissenschaftlern hervorgegangen. In diesem Kreise waren wir schon zu Beginn der 80er Jahre der Meinung, dass es nötig wäre, all diejenigen, die auf unserem Gebiet studiert haben und dann im „kulturellen Leben“ arbeiteten, die promoviert waren, inzwischen lehrten und forschten, sie alle in einem Verband zu vereinen – ähnlich den Künstlerverbänden. Wir wollten damit gemeinsame Interessen geltend machen und die Kommunikation unter uns verstetigen. Solchen Austausch hatten wir schon in einem Arbeitskreis Kulturtheorie (er nannte sich „Problemrat“), der war bei der Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED (also beim Zentralkomitee der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands) angesiedelt. Ihn leitete der Kulturwissenschaftler Helmut Hanke, bis er 1986 nach Potsdam strafversetzt worden ist. In diese Diskussionsrunde kamen auch Kollegen aus Leipzig, wie Michael Hofmann und Lothar Parade. Aus Jena nahm Dieter Strützel teil, er war dort an der Universität für Kulturwissenschaft „zuständig“. Von den in Leipzig ansässigen „Jugendforschern“ war Lothar Bisky dabei, zuständig für Kultursoziologie. Wir kamen regelmäßig zusammen und haben neben wissenschaftlichen Themen immer auch die politische Großwetterlage behandelt. DR Das war wann genau, im November 89 ? DM Unser Problemrat existierte seit den 1970er Jahren. Der Entschluss, einen eigenen Verband zu gründen, reifte mit den Jahren. Vor allem durch gemeinsame Veranstaltungen. Entscheidend war 1986. Da haben wir versucht, unsere Position in der europäischen Kultur zu bestimmen. Ein ungünstiger Zeitpunkt, denn es gab gerade Streit zwischen Moskau und Honecker. Gorbatschow wollte verhindern, dass die DDR auch auf „höchster Ebene“ eigenständig mit der Bundesrepublik verhandelt. Honecker durfte nicht nach Bonn fahren. Denn : Helmut Kohl hatte Gorbatschow mit Goebbels verglichen. Darum musste er auf Drängen Moskaus die Reise nach Bonn absagen. Und wir Ahnungslosen machten in dieser Situation eine Tagung über Europa und den europäischen Charakter unserer sozialistischen Kultur. Ermuntert hatte uns, dass nicht nur von der westdeutschen SPD eine Politik vertreten wurde, die – wie wir meinten – auf Annäherung, Zusammenarbeit und eine mögliche Konföderation beider deutscher Staaten hinauslief. Wir machten also eine recht spannende Tagung, zusammen mit den „Problemräten“ für Kultursoziologie und für internationale Kulturprozesse. Dafür wurden wir dann hart abgestraft. Bis hin zur Forderung, den Studiengang Kulturwissenschaft aufzulösen. Das mag auch mehr eine Geste nach Moskau hin gewesen sein. Das konnte ich nachträglich nicht klären, obwohl ich mir im Bundesarchiv inzwischen alles angesehen habe, was die Kulturabteilung des ZK, was Kurt Hager und was Erich Honecker dazu notiert hatten. Es war jedenfalls recht dramatisch. Helmut Hanke wurde rausgeworfen und sein Chef Hans Koch, an der Gewi-Akademie (also der Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED) verantwortlich für alle Kulturwissenschaften, beging Selbstmord. Solche Situationen schweißen zusammen. Zwar blieben danach einige weg, aber die meisten dachten, wir müssen weitermachen. Das ging auch, denn Helmut Hanke wurde nur nach Babelsberg an die Filmhochschule versetzt, zu Lothar Bisky, der kurz davor dort als Rektor eingeführt worden war. Die Strafversetzung war also nicht so schlimm. Auch ich wurde für meinen Vortrag nicht abgesetzt, doch es wurde eine Kommission gebildet, die zu prüfen hatte, ob unser Studiengang nicht besser aufgelöst werden sollte. Das passte alles so gar nicht in die Zeit, geprägt von Reformdebatten und neuen kulturpolitischen Ideen. Auch das führte dazu, dass wir in den 80ern so eine Art Berufsverband gründen wollten. Wir kannten die Kulturpolitische Gesellschaft im Westen und unseren Kulturbund, der eine Dachorganisation aller Arten von Kulturvereinen der DDR war – beides kein Modell für uns. Wir mussten etwas Eigenes erfinden, speziell für Kulturwissenschaftler mit kulturpolitischen Ambitionen. (Ich bleibe hier etwas in der Sprache der Zeit, wenn ich die