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Rahmenbedingungen einer künftigen Fehlurteilskultur in Deutschland
Zusammenfassung In der deutschen Strafjustiz wird das Auftreten von Fehlurteilen institutionell nicht akzeptiert. Die Tatsachengrundlage schwerer Verurteilungen ist nicht mit Rechtsmitteln zu überprüfen und die Beweisaufnahme wird weder in der Hauptverhandlung noch im Ermittlungsverfahren flächendeckend und systematisch dokumentiert. Die Hürden für eine Wiederaufnahme liegen so hoch, dass ein großer Teil inhaftierter Verurteilter faktisch keinen Zugang zum Recht erhält. Der Beitrag plädiert für eine Fehlurteilskultur in Deutschland. Die setzt einen Willen der Strafverfolgungsorgane und Gerichte voraus, eigene Entscheidungen kritisch zu analysieren und zu prüfen. Den Verurteilten muss bspw. über ein in Berlin neu entstandenes pro-bono Projekt der Zugang zum Wiederaufnahmeverfahren erleichtert werden. Das Thema muss in der Juristenausbildung verankert werden. In erster Linie aber sind die Strafverfolgungsorgane gefragt: Sie müssen akzeptieren, dass ein rationaler Umgang mit Fehlern keinen Autoritätsverlust bedeutet, sondern Vertrauen schafft. Es gibt keinen Grund, die Strafverfolgung und Strafjustiz den Erkenntnissen und Methoden moderner Compliance zu entziehen.