{"title":"Geheimnisse bei Terrasson und Lessing","authors":"Hans Lind","doi":"10.5771/9783835343993-153","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Mit seiner Behandlung des Geheimnisses innerhalb der freimaurerischen Logenpraxis in Ernst und Falk. Gespräche für Freimäurer () berührt Lessing nicht nur ein äußerst prekäres Problem der Freimaurerlehre. Vielmehr wendet er sich einer im zeitgenössischen Aufklärungsdiskurs äußerst virulenten Konstellation zu, von der gesagt wird, sie »habe die Forschung schwer belastet«: dem »antinomischen, oft konfusen Verhältnis zwischen den Extremen ›offenbar‹ (öffentlich) und ›geheim‹«. Es war tatsächlich schwer mit den Prämissen der Aufklärungslehre zu vereinbaren, dass ein der religio duplex nachgebildetes System – verstanden als religiöse Struktur, die Esoteriker und Exoteriker im Hinblick auf das sakrale Wissen trennt, und so über die Schaffung eines arkanen Innenraums zugleich gezielt eine Mehrheit in Unwissenheit oder gar Irrtum belässt – mit dem Freimauerorden gerade eine der maßgeblichen Institutionen der bürgerlichen Aufklärung kennzeichnen sollte. Lessing hatte es auf sich genommen, mittels einer publiken Schrift das »Geheimnis« des Freimauerordens zu lüften – und sich hierfür um eine Logenaufnahme bemüht. Als Ergebnis dieses Projektes finden sich nicht nur ein Textkonglomerat mit dem Titel Ernst und Falk, sondern auch Paralipomena zu diesem Themenkomplex, letztere vermutlich die Vorlage für jenes »Manuskript«, das »Hr. Lessing [...] will drucken lassen«, »betitelt [...] der wahre Orden der Freimaurer aus den ältesten Urkunden hergeleitet und mit Gründen bewiesen«. In Lessings Projekt tritt das Geheimnis zunächst in vereinfachter Form auf: als geheim gehaltene Gründungslegende (WB : -), die ursprüngliche Stoßrichtung von Lessings Bemühungen und der Grund von Lessings Aufnahmegesuch. Es mag hier besonders prägend für Ernst und Falk gewesen sein, dass Lessing mit der Hamburger »Loge zu den drei Rosen« gerade in eine dem Mystizismus verschriebene Loge eintrat. Entsprechend wandelte sich Lessings Fokus schnell ab von einer (bloßen) Genealogie des Freimaurerordens, und hin zu einer Kritik der zeitgenössischen Logenpraxis. Harsche Kritik erfolgt hier insbesondere im Hinblick auf die alchemistischen »Irrwege« bzw. »Grillen« der Maurer (»Goldmacherei«, »Stein des Weisen«; WB : -, ). Die »wahren Ziele« der »Freimäurer« scheinen bei Lessing nach Aufnahme dagegen deutlicher in den Vordergrund gerückt zu sein, und hier durchaus auch in Abgrenzung zu den »kätzerische[n]« Aberrationen in der Praxis (WB : -). Dies mündet in Falks Feststellung, weder seien alle Logenmitglieder wahre Freimaurer (WB : , ), noch müsse man Freimaurer heißen, um wahrer Freimaurer zu sein (WB","PeriodicalId":308761,"journal":{"name":"Lessing Yearbook/Jahrbuch XLVI","volume":"11 3-4","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"1900-01-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"1","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Lessing Yearbook/Jahrbuch XLVI","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.5771/9783835343993-153","RegionNum":0,"RegionCategory":null,"ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"","JCRName":"","Score":null,"Total":0}
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Abstract
Mit seiner Behandlung des Geheimnisses innerhalb der freimaurerischen Logenpraxis in Ernst und Falk. Gespräche für Freimäurer () berührt Lessing nicht nur ein äußerst prekäres Problem der Freimaurerlehre. Vielmehr wendet er sich einer im zeitgenössischen Aufklärungsdiskurs äußerst virulenten Konstellation zu, von der gesagt wird, sie »habe die Forschung schwer belastet«: dem »antinomischen, oft konfusen Verhältnis zwischen den Extremen ›offenbar‹ (öffentlich) und ›geheim‹«. Es war tatsächlich schwer mit den Prämissen der Aufklärungslehre zu vereinbaren, dass ein der religio duplex nachgebildetes System – verstanden als religiöse Struktur, die Esoteriker und Exoteriker im Hinblick auf das sakrale Wissen trennt, und so über die Schaffung eines arkanen Innenraums zugleich gezielt eine Mehrheit in Unwissenheit oder gar Irrtum belässt – mit dem Freimauerorden gerade eine der maßgeblichen Institutionen der bürgerlichen Aufklärung kennzeichnen sollte. Lessing hatte es auf sich genommen, mittels einer publiken Schrift das »Geheimnis« des Freimauerordens zu lüften – und sich hierfür um eine Logenaufnahme bemüht. Als Ergebnis dieses Projektes finden sich nicht nur ein Textkonglomerat mit dem Titel Ernst und Falk, sondern auch Paralipomena zu diesem Themenkomplex, letztere vermutlich die Vorlage für jenes »Manuskript«, das »Hr. Lessing [...] will drucken lassen«, »betitelt [...] der wahre Orden der Freimaurer aus den ältesten Urkunden hergeleitet und mit Gründen bewiesen«. In Lessings Projekt tritt das Geheimnis zunächst in vereinfachter Form auf: als geheim gehaltene Gründungslegende (WB : -), die ursprüngliche Stoßrichtung von Lessings Bemühungen und der Grund von Lessings Aufnahmegesuch. Es mag hier besonders prägend für Ernst und Falk gewesen sein, dass Lessing mit der Hamburger »Loge zu den drei Rosen« gerade in eine dem Mystizismus verschriebene Loge eintrat. Entsprechend wandelte sich Lessings Fokus schnell ab von einer (bloßen) Genealogie des Freimaurerordens, und hin zu einer Kritik der zeitgenössischen Logenpraxis. Harsche Kritik erfolgt hier insbesondere im Hinblick auf die alchemistischen »Irrwege« bzw. »Grillen« der Maurer (»Goldmacherei«, »Stein des Weisen«; WB : -, ). Die »wahren Ziele« der »Freimäurer« scheinen bei Lessing nach Aufnahme dagegen deutlicher in den Vordergrund gerückt zu sein, und hier durchaus auch in Abgrenzung zu den »kätzerische[n]« Aberrationen in der Praxis (WB : -). Dies mündet in Falks Feststellung, weder seien alle Logenmitglieder wahre Freimaurer (WB : , ), noch müsse man Freimaurer heißen, um wahrer Freimaurer zu sein (WB