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Abstract
Unzuverlässiges Erzählen beruht auf gezielter literarischer Irreführung. Doch wer führt wen mit welcher Agenda in die Irre? Folgt man den theoretischen Ansätzen des Narratologen Ansgar Nünnig, kann erst durch eine spezifische Kommunikation zwischen Text und Lesenden von unzuverlässigem Erzählen gesprochen werden. Es bedarf einerseits charakteristischer Textsignale und andererseits signifikanter Analyserahmen, in die das Gelesene von den Rezipierenden eingeordnet werden kann. Diese Analyserahmen basieren sowohl auf der literarischen Erfahrung mit Erzählkonventionen, als auch auf dem Weltwissen und der Welt-Wahrnehmung der Leserinnen und Leser.
Daraus resultieren Varianten eines Erzählens, das nicht nur auf (radikaler) Subjektivität basiert, sondern dessen Subjektivität auch Unsicherheiten bezüglich der Verlässlichkeit sowohl der Ich-Erzählerinnen und Ich-Erzähler (und ihrer psychischen Konstitution) als auch des Erzählten birgt. Gewählt werden drei jugendliterarische Aspekte: Defizitäre Ich-Erzähler und Ich-Erzählerinnen, deren Unzuverlässigkeit aus einer deutlichen Diskrepanz zwischen dem eigenen Weltwissen respektive den eigenen körperlichen und sprachlichen Fähigkeiten und jenen der Leserinnen und Leser resultiert. Beschädigte Ich-Erzählerinnen und Ich-Erzähler, deren Unzuverlässigkeit in jener psychischen Disposition zu suchen ist, aus der heraus sie erzählen. Und zuletzt Ich-Erzähler und Ich-Erzählerinnen, deren überlagerte Wahrnehmungen gleichermaßen auf ihre Fragilität (als literarische Konstrukte gleichermaßen wie im Sinne ihres Person-Seins) wie auf die Fragmentarität der sie umgebenden Wirklichkeit verweisen. Dabei kommt der Tatsache besondere Aufmerksamkeit zu, dass eine mögliche Täuschung der Lesenden vielfach verknüpft ist mit der Selbsttäuschung der Erzählenden.