Jahressitzung der Arbeitsgemeinschaft Geschichte der Dermatologie und Venerologie (AGDV) auf der FOBI München 2024 Posterpreise: Call for abstracts für die 53. DDG-Tagung 2025
Deborah Maria Gregersen, Martin Lorenz, Christoph Löser
{"title":"Jahressitzung der Arbeitsgemeinschaft Geschichte der Dermatologie und Venerologie (AGDV) auf der FOBI München 2024 Posterpreise: Call for abstracts für die 53. DDG-Tagung 2025","authors":"Deborah Maria Gregersen, Martin Lorenz, Christoph Löser","doi":"10.1111/ddg.15565_g","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"<p>Die Jahressitzung der AGDV fand traditionell eingebettet in das Hauptprogramm der Münchner FOBI statt. Friedrich Bahmer (Münster) stimmte die Teilnehmer mit „In der Hölle des Hürtgenwaldes“ zu einem künstlerisch-poetischen und persönlichen Gedenkbeitrag zu Günter Stüttgen (1919–2003) und Günter Eich (1907–1972) ein. Musikalisch passend untermalt durch die <i>Dire Straits</i> schilderte er auf berührende Weise amerikanische und deutsche Perspektiven der „Allerseelenschlacht“ im Hürtgenwald von 1944. Stüttgens humanes Engagement als Sanitätsoffizier wurde 1996 von Veteranen des US-amerikanischen Militärs geehrt: Stüttgen erwirkte Unterbrechungen der Kampfhandlungen zur Bergung von Verwundeten ohne nach Nationalität zu unterscheiden. So wurden auch zahlreiche amerikanische Soldaten versorgt. Günter Eichs Einblicke in dessen Nachkriegsjahre mit dem Gedicht “Latrine” sowie Bahmers persönliche Worte zur Kriegsgeneration rundeten den Beitrag ab.</p><p>Michael Geiges (Kloten, Schweiz) berichtete von der letzten Pockenepidemie in der Schweiz 1921. Besondere Bedeutung zur Frühdiagnostik kam dem Arzt Max Tièche (1878–1938) zu, der sich gegenüber den echten Pocken sensibilisierte. Mittels Skarifikation mit Serum von neuerkrankten Patienten gelang die Unterscheidung zwischen Pocken und Windpocken (ähnlich wie Pricktest). Damit konnte die Entscheidung zur Pockenquarantäne oder deren Aufhebung getroffen werden. Parallelen zur Corona-Pandemie zeigten sich in der Ablehnung der Pocken-Impfpflicht 1883. Einige der aus dieser Epidemie entstandenen Moulagen zu verschiedenen Pockenstadien sind heute im Züricher Moulagenmuseum zu sehen.</p><p>Deborah Gregersen (Jena) sprach über “das therapeutische Fenster” der Psoriasis-Phototherapie. Ende der 1970er Jahre untersuchte der Chemiker Hartmut Lang (*1943–2001) in Jena die UV-Absorption von Nukleinsäuren und Immunzellen. Seine Theorie des effektivsten und nebenwirkungsärmsten Wellenlängenspektrums von 320–335 nm als „Spezifische Hochintensitätstherapie der Psoriasis (SHIP-Therapie)“ scheiterte an den klinischen Ergebnissen. Trotz schlechter klinischer Ergebnisse wurde in der DDR-Mangelwirtschaft eine eigene Glühlampe für die SHIP-Therapie entwickelt. Zeitgleich wurde in den USA die wirksame Schmalspektrum-UVB311nm-Therapie etabliert.</p><p>Ulrich Meyer (Berlin) behandelte die Geschichte des Allergiebegriffs zunächst am Beispiel des Calciums, das zeitweise fester Bestandteil der Behandlung allergischer Erkrankungen war. Der Gebrauch der Antihistaminika ist seit 1942 ungebrochen. Das bis heute weltweit topisch genutzte Azelastin wurde bereits 1957 im Rodlebener Hydrierwerk in der DDR entwickelt. Roger Altounyan (1922-1987) entdeckte dank Eigenversuchen die Cromoglicinsäure. Zur Verdeutlichung des freien Vortrags dienten Freiexemplare der Dissertationsschrift für alle Anwesenden.</p><p>Christoph Löser (Ludwigshafen) sprach zu „Pornographie und Dermatologie“. Als pornographisch wird jegliches Medium definiert, das der sexuellen Erregung dient, die Wahrnehmung ist kulturell und individuell verschieden. Trotz fehlender Literatur sind die Verbindungen offenkundig, da (nackte) Haut jeweils eine Rolle spielt. Die Nutzung pornographischen Materials ist extrem verbreitet, aber kaum Thema in der Wissenschaft. Dabei können Einflüsse auf die Wahrnehmung von Hauterkrankungen und Stigmatisierungen ebenso wie die Darstellung von Praktiken hinsichtlich STI bedeutsam sein. Auch ein Missbrauch von (kinder)dermatologischen Bildmaterial ist möglich.</p><p>Hanka Lantzsch (Westerland, Sylt) berichtete zur Geschichte der Nordseeklinik Westerland. Das Reizklima wurde seit Bestehen der Klinik in den 1850er Jahren für chronisch Kranke genutzt. 1965 öffnete eine dermatologische Abteilung für die Behandlung chronisch-entzündlicher Hauterkrankungen. In den 1990er Jahren wurde die Klinik der Asklepios Gruppe angegliedert und kooperiert mit dem Hamburger St. Georg-Krankenhaus. 2018 übernahm Frau Lantzsch die Leitung und etablierte eine naturheilkundliche Komplexbehandlung. Eine Besonderheit ist die Nutzung einer Heliotherapie-Düne seit 1968, die mit einem patientenindividuellen Dünenpass betreten werden darf. Dazu passend kommentierte unser Ehrenmitglied Gerd Plewig von Ausflügen an den Sylter Strand mit den ärztlichen Kollegen seiner Kieler Studienzeit für Untersuchungen zur Dynamik der Körperkerntemperatur vor und nach dem Baden im kalten Nordseewasser.</p><p>In der Mitgliederversammlung berichtete Christoph Löser u.a. über das DDG-Archiv im Berlin-Brandenburgischen Wirtschaftsarchiv. Wichtigster Punkt war die Ernennung von Michael Geiges zum Ehrenmitglied (Abbildung 1). Die Laudatio gestaltete Christoph Löser als Interview, was persönliche und biografische Einblicke gewährte. Die Frage nach Ratschlägen für junge Mediziner trifft den Kern historischer Arbeit: Gute alte Bücher lesen, stets auf Primärquellen zurückgreifen und die Texte in ihrer Zeit verstehen.</p><p>Wir laden herzlich zur Sitzung der AGDV am 29.04.2025 bei der 53. DDG-Tagung 2025 nach Berlin ein. Abstracts zur Fachgeschichte sollen in der Rubrik “Dermatologie im gesellschaftlichen Kontext” regulär bei der DDG eingereicht und als Kurzvortrag bei der AGDV präsentiert werden. Zur Bewerbung für den Posterpreis der AGDV zusätzlich als PDF-Dokument an <span>[email protected]</span> senden. Die besten drei Poster werden prämiert, die Preisverleihung erfolgt nach der Mitgliederversammlung.</p>","PeriodicalId":14758,"journal":{"name":"Journal Der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft","volume":"22 10","pages":"1471-1472"},"PeriodicalIF":5.5000,"publicationDate":"2024-10-11","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"https://onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.1111/ddg.15565_g","citationCount":"0","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Journal Der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft","FirstCategoryId":"3","ListUrlMain":"https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/ddg.15565_g","RegionNum":4,"RegionCategory":"医学","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"Q1","JCRName":"DERMATOLOGY","Score":null,"Total":0}
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Abstract
Die Jahressitzung der AGDV fand traditionell eingebettet in das Hauptprogramm der Münchner FOBI statt. Friedrich Bahmer (Münster) stimmte die Teilnehmer mit „In der Hölle des Hürtgenwaldes“ zu einem künstlerisch-poetischen und persönlichen Gedenkbeitrag zu Günter Stüttgen (1919–2003) und Günter Eich (1907–1972) ein. Musikalisch passend untermalt durch die Dire Straits schilderte er auf berührende Weise amerikanische und deutsche Perspektiven der „Allerseelenschlacht“ im Hürtgenwald von 1944. Stüttgens humanes Engagement als Sanitätsoffizier wurde 1996 von Veteranen des US-amerikanischen Militärs geehrt: Stüttgen erwirkte Unterbrechungen der Kampfhandlungen zur Bergung von Verwundeten ohne nach Nationalität zu unterscheiden. So wurden auch zahlreiche amerikanische Soldaten versorgt. Günter Eichs Einblicke in dessen Nachkriegsjahre mit dem Gedicht “Latrine” sowie Bahmers persönliche Worte zur Kriegsgeneration rundeten den Beitrag ab.
Michael Geiges (Kloten, Schweiz) berichtete von der letzten Pockenepidemie in der Schweiz 1921. Besondere Bedeutung zur Frühdiagnostik kam dem Arzt Max Tièche (1878–1938) zu, der sich gegenüber den echten Pocken sensibilisierte. Mittels Skarifikation mit Serum von neuerkrankten Patienten gelang die Unterscheidung zwischen Pocken und Windpocken (ähnlich wie Pricktest). Damit konnte die Entscheidung zur Pockenquarantäne oder deren Aufhebung getroffen werden. Parallelen zur Corona-Pandemie zeigten sich in der Ablehnung der Pocken-Impfpflicht 1883. Einige der aus dieser Epidemie entstandenen Moulagen zu verschiedenen Pockenstadien sind heute im Züricher Moulagenmuseum zu sehen.
Deborah Gregersen (Jena) sprach über “das therapeutische Fenster” der Psoriasis-Phototherapie. Ende der 1970er Jahre untersuchte der Chemiker Hartmut Lang (*1943–2001) in Jena die UV-Absorption von Nukleinsäuren und Immunzellen. Seine Theorie des effektivsten und nebenwirkungsärmsten Wellenlängenspektrums von 320–335 nm als „Spezifische Hochintensitätstherapie der Psoriasis (SHIP-Therapie)“ scheiterte an den klinischen Ergebnissen. Trotz schlechter klinischer Ergebnisse wurde in der DDR-Mangelwirtschaft eine eigene Glühlampe für die SHIP-Therapie entwickelt. Zeitgleich wurde in den USA die wirksame Schmalspektrum-UVB311nm-Therapie etabliert.
Ulrich Meyer (Berlin) behandelte die Geschichte des Allergiebegriffs zunächst am Beispiel des Calciums, das zeitweise fester Bestandteil der Behandlung allergischer Erkrankungen war. Der Gebrauch der Antihistaminika ist seit 1942 ungebrochen. Das bis heute weltweit topisch genutzte Azelastin wurde bereits 1957 im Rodlebener Hydrierwerk in der DDR entwickelt. Roger Altounyan (1922-1987) entdeckte dank Eigenversuchen die Cromoglicinsäure. Zur Verdeutlichung des freien Vortrags dienten Freiexemplare der Dissertationsschrift für alle Anwesenden.
Christoph Löser (Ludwigshafen) sprach zu „Pornographie und Dermatologie“. Als pornographisch wird jegliches Medium definiert, das der sexuellen Erregung dient, die Wahrnehmung ist kulturell und individuell verschieden. Trotz fehlender Literatur sind die Verbindungen offenkundig, da (nackte) Haut jeweils eine Rolle spielt. Die Nutzung pornographischen Materials ist extrem verbreitet, aber kaum Thema in der Wissenschaft. Dabei können Einflüsse auf die Wahrnehmung von Hauterkrankungen und Stigmatisierungen ebenso wie die Darstellung von Praktiken hinsichtlich STI bedeutsam sein. Auch ein Missbrauch von (kinder)dermatologischen Bildmaterial ist möglich.
Hanka Lantzsch (Westerland, Sylt) berichtete zur Geschichte der Nordseeklinik Westerland. Das Reizklima wurde seit Bestehen der Klinik in den 1850er Jahren für chronisch Kranke genutzt. 1965 öffnete eine dermatologische Abteilung für die Behandlung chronisch-entzündlicher Hauterkrankungen. In den 1990er Jahren wurde die Klinik der Asklepios Gruppe angegliedert und kooperiert mit dem Hamburger St. Georg-Krankenhaus. 2018 übernahm Frau Lantzsch die Leitung und etablierte eine naturheilkundliche Komplexbehandlung. Eine Besonderheit ist die Nutzung einer Heliotherapie-Düne seit 1968, die mit einem patientenindividuellen Dünenpass betreten werden darf. Dazu passend kommentierte unser Ehrenmitglied Gerd Plewig von Ausflügen an den Sylter Strand mit den ärztlichen Kollegen seiner Kieler Studienzeit für Untersuchungen zur Dynamik der Körperkerntemperatur vor und nach dem Baden im kalten Nordseewasser.
In der Mitgliederversammlung berichtete Christoph Löser u.a. über das DDG-Archiv im Berlin-Brandenburgischen Wirtschaftsarchiv. Wichtigster Punkt war die Ernennung von Michael Geiges zum Ehrenmitglied (Abbildung 1). Die Laudatio gestaltete Christoph Löser als Interview, was persönliche und biografische Einblicke gewährte. Die Frage nach Ratschlägen für junge Mediziner trifft den Kern historischer Arbeit: Gute alte Bücher lesen, stets auf Primärquellen zurückgreifen und die Texte in ihrer Zeit verstehen.
Wir laden herzlich zur Sitzung der AGDV am 29.04.2025 bei der 53. DDG-Tagung 2025 nach Berlin ein. Abstracts zur Fachgeschichte sollen in der Rubrik “Dermatologie im gesellschaftlichen Kontext” regulär bei der DDG eingereicht und als Kurzvortrag bei der AGDV präsentiert werden. Zur Bewerbung für den Posterpreis der AGDV zusätzlich als PDF-Dokument an [email protected] senden. Die besten drei Poster werden prämiert, die Preisverleihung erfolgt nach der Mitgliederversammlung.
期刊介绍:
The JDDG publishes scientific papers from a wide range of disciplines, such as dermatovenereology, allergology, phlebology, dermatosurgery, dermatooncology, and dermatohistopathology. Also in JDDG: information on medical training, continuing education, a calendar of events, book reviews and society announcements.
Papers can be submitted in German or English language. In the print version, all articles are published in German. In the online version, all key articles are published in English.