Grundzüge einer demokratischen Ethik der freien (Wider-)Rede

Q3 Arts and Humanities Zeitschrift fur Praktische Philosophie Pub Date : 2023-03-28 DOI:10.22613/zfpp/9.2.11
M. Frick
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Abstract

Die Frage moralischer und/oder rechtlicher Grenzen der Meinungsfreiheit, der Grenzen des Sagbaren und Tolerierbaren, stellt zunehmend eine gesellschaftliche und politische Metadebatte dar, in der Versuche, komplexe Phänomene des Aushandelns von Grenzen des Zulässigen bzw. Notwendigen semantisch zu fixieren, von erheblichem Lagerdenken zeugen. Wer von „Politischer Korrektheit“, „Cancel Culture“, „Meinungsdiktatur“ oder „Kontaktschuld“ spricht, steht klar auf der einen Seite, so scheint es; wer von „Diskriminierung“, „Rassismus“, „Hassrede“ oder „weißen Privilegien“ spricht, auf der anderen. Vor dem Hintergrund solch verfestigter Diskursbahnen stellt die Frage, ob wir alles tolerieren müssen, was andere sagen, eine Erwägungsaufgabe dar, die nur mit einem Schritt zurück überhaupt adressierbar ist, will man nicht mit dem Jargon der einen Seite die Anliegen der anderen ausschließen und damit den ungeprüften Eindruck befördern, es handle sich hier tatsächlich um eine unversöhnliche Polarisierung, der die Philosophie nichts hinzuzufügen habe, außer vielleicht ein Lamento oder eine moralische Geste. Der Umweg, über den ich im Folgenden die von dieser Schwerpunktausgabe gestellte Frage behandeln möchte, führt zunächst zu einer Analyse der Ansprüche, die plurale Demokratien an ihre Mitglieder stellen. Diese sind nicht nur grundsätzlich hoch, sondern mitunter auch in sich konfliktträchtig. Konkret betrifft dies die Anforderung an Mitglieder demokratischer Gemeinwesen, sowohl bürgerliche Toleranz zu üben als auch diskursives Engagement als Vorbedingung qualitätsvoller demokratischer Meinungsbildung und Entscheidungsfindung an den Tag zu legen. Die jeweils ‚richtige Mitte‘ lässt sich dann am besten finden, wenn die Risiken zweier Extreme bewusstgemacht werden, die daran geknüpft sind, dass einerseits ein zu hohes Maß an ziviler Toleranz zulasten diskursiven Engagements geht und andererseits ein Mangel an bürgerlicher Toleranz diskursives Engagement gefährdet. Entlang dieser beiden Formen einer verhängnisvollen Dysbalance des demokratischen Ethos möchte ich Grundzüge einer demokratischen Ethik der freien Rede und freien Widerrede herausarbeiten und Implikationen für Grenzen von Meinungsfreiheit bzw. Kritik beleuchten. 
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言论自由民主伦理的基本特征
言论自由的道德和(或)法律限制问题,即言论和容忍的限制问题,越来越成为一场社会和政治元辩论,在这场辩论中,人们试图解决就允许或允许的范围进行谈判的复杂现象。从语义上解决必要的问题,证明了相当大的阵营思维。那些谈论“政治正确”、“取消文化”、“舆论独裁”或“接触罪”的人显然站在一边;那些谈论“歧视”、“种族主义”、“仇恨言论”或“白人特权”的人。在这种根深蒂固的话语路径的背景下,如果一个人不想用一方的行话排除另一方的担忧,从而助长这种不受约束的印象,那么我们是否必须容忍他人所说的一切,这是一项考虑任务,只有退一步才能解决。这是一个不可调和的两极分化问题,哲学对此没有任何补充,除了一种哀叹或道德姿态。我想绕过这一优先问题,首先分析多元民主国家对其成员提出的要求。这些数字不仅从根本上很高,而且有时天生就容易发生冲突。具体而言,这涉及到要求民主社区成员行使公民宽容和话语参与,作为高质量的民主意见形成和决策的先决条件。找到“正确中间”的最佳方法是提高对两个极端风险的认识,这两个极端与以下事实有关:一方面,过高的公民容忍度以牺牲话语参与为代价,另一方面,缺乏公民容忍会危及话语参与。关于这两种形式的民主精神的致命失衡,我想强调言论自由和言论自由的民主伦理的基本特征,以及对言论或表达自由限制的影响。讨论批评。
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