{"title":"„Ich bin ganz aus Disziplin zusammengesetzt!“","authors":"Joachim Scholtyseck","doi":"10.1515/vfzg-2022-0009","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"„So anregend es sein mag, einer gegenwärtig favorisierten Tendenz der Historiographie zufolge, Geschichte als ein vornehmlich subjektiv verstandenes Ensemble aus Sinneswahrnehmungen und Deutungsmustern, Symbolen und Repräsentationen, sozialer Praxis und Ritualen zu verstehen, geht es [...] darum, Sachverhalte zu rekonstruieren und Entscheidungslagen zu analysieren, also festzustellen, wie es eigentlich gewesen ist und warum es so gewesen ist. Die kulturalistische Tendenz unserer Tage mag, wenn sie den monographischen Test auf verschiedenen Feldern einmal in ausreichender Art und Weise bestanden hat, vielleicht Aufschlüsse geben, die jetzt noch verborgen sind; vorläufig jedenfalls sind die theoretischen Ansprüche ausgeprägter als die tatsächlichen Erträge. Denn auch in methodischer Hinsicht trifft zu, was im allgemeinen seine Geltung hat: Bewegung muß nicht immer mit Fortschritt und Wandel nicht unbedingt mit Verbesserung einhergehen. Diese Feststellung ist beileibe keine Absage an jene erforderliche Erneuerung des methodischen Rüstzeugs, um die sich die Geschichtswissenschaft ohne Unterlaß bemüht. Sie will aber durchaus als eine Warnung davor verstanden sein, nicht angesichts der Tatsache, daß Objektivität zu erreichen ein erkenntnistheoretisches Ideal bleiben muß, dem man sich nur annäherungsweise zu nähern vermag, jedem neuen ,turn‘ umgehend zu folgen und darüber die zentrale Aufgabe der Historiographie zu vernachlässigen, nämlich eine Geschichte darzustellen.“","PeriodicalId":51887,"journal":{"name":"VIERTELJAHRSHEFTE FUR ZEITGESCHICHTE","volume":"70 1","pages":"203 - 214"},"PeriodicalIF":0.1000,"publicationDate":"2021-12-25","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"VIERTELJAHRSHEFTE FUR ZEITGESCHICHTE","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.1515/vfzg-2022-0009","RegionNum":3,"RegionCategory":"历史学","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"Q3","JCRName":"HISTORY","Score":null,"Total":0}
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Abstract
„So anregend es sein mag, einer gegenwärtig favorisierten Tendenz der Historiographie zufolge, Geschichte als ein vornehmlich subjektiv verstandenes Ensemble aus Sinneswahrnehmungen und Deutungsmustern, Symbolen und Repräsentationen, sozialer Praxis und Ritualen zu verstehen, geht es [...] darum, Sachverhalte zu rekonstruieren und Entscheidungslagen zu analysieren, also festzustellen, wie es eigentlich gewesen ist und warum es so gewesen ist. Die kulturalistische Tendenz unserer Tage mag, wenn sie den monographischen Test auf verschiedenen Feldern einmal in ausreichender Art und Weise bestanden hat, vielleicht Aufschlüsse geben, die jetzt noch verborgen sind; vorläufig jedenfalls sind die theoretischen Ansprüche ausgeprägter als die tatsächlichen Erträge. Denn auch in methodischer Hinsicht trifft zu, was im allgemeinen seine Geltung hat: Bewegung muß nicht immer mit Fortschritt und Wandel nicht unbedingt mit Verbesserung einhergehen. Diese Feststellung ist beileibe keine Absage an jene erforderliche Erneuerung des methodischen Rüstzeugs, um die sich die Geschichtswissenschaft ohne Unterlaß bemüht. Sie will aber durchaus als eine Warnung davor verstanden sein, nicht angesichts der Tatsache, daß Objektivität zu erreichen ein erkenntnistheoretisches Ideal bleiben muß, dem man sich nur annäherungsweise zu nähern vermag, jedem neuen ,turn‘ umgehend zu folgen und darüber die zentrale Aufgabe der Historiographie zu vernachlässigen, nämlich eine Geschichte darzustellen.“
期刊介绍:
Die seit 1953 erscheinenden Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte zählen zu den auflagenstärksten wissenschaftlichen Zeitschriften der Bundesrepublik. Hier stellen herausragende Wissenschaftler aus dem In- und Ausland ihre neuesten Forschungen zu zentralen Problemen der jüngeren und jüngsten Geschichte Deutschlands und Europas vor.