Dass am Anfang der Geschichte einer Institution, eines Unternehmens, eines Staats, einer Zeitung oder einer Zeitschrift ein knorriger Alter steht, mit Ideen, Charisma und Arbeitswut ausgestattet, mit einem oft widersprüchlichen biografischen Hintergrund und einem enormen, durch die Jahre der Diktatur und des Kriegs gewissermaßen aufgestauten Gestaltungswillen, ist für die Anfangsjahre der Bundesrepublik in der Wirtschaft, in der Politik, in der Kultur nicht selten, sondern geradezu kennzeichnend – und gilt für die hier zu belobigenden Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte in ganz besonderem Maße. Hans Rothfels war für die deutsche Geschichtswissenschaft nach 1945 ein Glücksfall. EinNationalkonservativer, der in Königsberg die Perspektive eines deutsch dominierten Reichsverbands in Ostmitteleuropa konzipiert hatte, als Jude emigrieren musste, in Providence und Chicago mit den fortgeschrittenen Methoden der amerikanischen Geschichtswissenschaft vertraut wurde und nach 1945 mit einem Buch über die „deutsche Opposition gegen Hitler“1 seine Landsleute generell, den deutschen Nationalkonservatismus im Besonderen, von Schuld und Mitverantwortung an den Untaten des Dritten Reichs weitgehend freisprach, der kam den deutschen Historikern nach dem Krieg gerade recht. Einerseits weil seine Biografie so etwas wie eine nationalkonservative Phantasie ohne NaziSündenfall darstellte– und in dieser Spezifität zum erträumten Leitbild all jener Konservativer wurde, bei denen der Sündenfall nicht ausgeblieben war. Andererseits weil Rothfels mit diesem biografischen und intellektuellen Hintergrund die deutsche Zeitgeschichte und damit vor allem die Auseinandersetzung mit der eben erst beendetenNS-Diktatur nahezu imAlleingang konstituieren konnte und an vorderster Stelle dafür verantwortlich war, dass in der Bundesrepu-
{"title":"70 Jahre Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte","authors":"U. Herbert","doi":"10.1515/vfzg-2023-0030","DOIUrl":"https://doi.org/10.1515/vfzg-2023-0030","url":null,"abstract":"Dass am Anfang der Geschichte einer Institution, eines Unternehmens, eines Staats, einer Zeitung oder einer Zeitschrift ein knorriger Alter steht, mit Ideen, Charisma und Arbeitswut ausgestattet, mit einem oft widersprüchlichen biografischen Hintergrund und einem enormen, durch die Jahre der Diktatur und des Kriegs gewissermaßen aufgestauten Gestaltungswillen, ist für die Anfangsjahre der Bundesrepublik in der Wirtschaft, in der Politik, in der Kultur nicht selten, sondern geradezu kennzeichnend – und gilt für die hier zu belobigenden Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte in ganz besonderem Maße. Hans Rothfels war für die deutsche Geschichtswissenschaft nach 1945 ein Glücksfall. EinNationalkonservativer, der in Königsberg die Perspektive eines deutsch dominierten Reichsverbands in Ostmitteleuropa konzipiert hatte, als Jude emigrieren musste, in Providence und Chicago mit den fortgeschrittenen Methoden der amerikanischen Geschichtswissenschaft vertraut wurde und nach 1945 mit einem Buch über die „deutsche Opposition gegen Hitler“1 seine Landsleute generell, den deutschen Nationalkonservatismus im Besonderen, von Schuld und Mitverantwortung an den Untaten des Dritten Reichs weitgehend freisprach, der kam den deutschen Historikern nach dem Krieg gerade recht. Einerseits weil seine Biografie so etwas wie eine nationalkonservative Phantasie ohne NaziSündenfall darstellte– und in dieser Spezifität zum erträumten Leitbild all jener Konservativer wurde, bei denen der Sündenfall nicht ausgeblieben war. Andererseits weil Rothfels mit diesem biografischen und intellektuellen Hintergrund die deutsche Zeitgeschichte und damit vor allem die Auseinandersetzung mit der eben erst beendetenNS-Diktatur nahezu imAlleingang konstituieren konnte und an vorderster Stelle dafür verantwortlich war, dass in der Bundesrepu-","PeriodicalId":51887,"journal":{"name":"VIERTELJAHRSHEFTE FUR ZEITGESCHICHTE","volume":"71 1","pages":"641 - 652"},"PeriodicalIF":0.2,"publicationDate":"2023-06-05","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"47949297","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":3,"RegionCategory":"历史学","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
Abstract Die Flugzeugentführung nach Entebbe im Sommer 1976 wird häufig neben dem versuchten Anschlag auf das Jüdische Gemeindehaus in West-Berlin am 9. November 1969 als die schlimmste antisemitische Gewalttat des bundesdeutschen Linksterrorismus gewertet. Robert Wolff vertritt die These, dass es einer kritischen Überprüfung des Themenkomplexes Entebbe unter Berücksichtigung von bisher nicht beachteten, jedoch für das Gesamtverständnis der Ereignisse wichtigen Perspektiven und Quellen bedarf. Dazu analysiert er auf der Basis weitgehend unbekannter Dokumente die Vorgeschichte der Flugzeugentführung sowie die Ereignisse in Entebbe zwischen dem 27. Juni und dem 4. Juli 1976.
{"title":"Blinde Flecken, Erzählungen, Mythen","authors":"R. Wolff","doi":"10.1515/vfzg-2023-0026","DOIUrl":"https://doi.org/10.1515/vfzg-2023-0026","url":null,"abstract":"Abstract Die Flugzeugentführung nach Entebbe im Sommer 1976 wird häufig neben dem versuchten Anschlag auf das Jüdische Gemeindehaus in West-Berlin am 9. November 1969 als die schlimmste antisemitische Gewalttat des bundesdeutschen Linksterrorismus gewertet. Robert Wolff vertritt die These, dass es einer kritischen Überprüfung des Themenkomplexes Entebbe unter Berücksichtigung von bisher nicht beachteten, jedoch für das Gesamtverständnis der Ereignisse wichtigen Perspektiven und Quellen bedarf. Dazu analysiert er auf der Basis weitgehend unbekannter Dokumente die Vorgeschichte der Flugzeugentführung sowie die Ereignisse in Entebbe zwischen dem 27. Juni und dem 4. Juli 1976.","PeriodicalId":51887,"journal":{"name":"VIERTELJAHRSHEFTE FUR ZEITGESCHICHTE","volume":"71 1","pages":"525 - 555"},"PeriodicalIF":0.2,"publicationDate":"2023-06-05","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"43931698","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":3,"RegionCategory":"历史学","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
Abstract Die Veröffentlichung der gefälschten Hitler-Tagebücher im April 1983 löste unter den bundesdeutschen Historikern erregte Diskussionen aus. Konnten die Tagebücher überhaupt echt sein? Das Institut für Zeitgeschichte (IfZ) war bereits vor ihrer Veröffentlichung in Kontakt mit maßgeblichen Akteuren des späteren Skandals. In der Phase zwischen der Ankündigung des Funds und der Entlarvung als Fälschung spielten sich vielschichtige Prozesse der Selbstverortung in der Institutsleitung ab. Die Dokumente aus dem IfZ-Archiv zeigen, dass die gefälschten Tagebücher auch ein Prüfstein für die gesellschaftliche Rolle der Zeitgeschichte und ihrer maßgeblichen Vertreter waren.
{"title":"Das Institut für Zeitgeschichte und die Affäre um die gefälschten Hitler-Tagebücher 1982/83","authors":"M. Kutzner","doi":"10.1515/vfzg-2023-0028","DOIUrl":"https://doi.org/10.1515/vfzg-2023-0028","url":null,"abstract":"Abstract Die Veröffentlichung der gefälschten Hitler-Tagebücher im April 1983 löste unter den bundesdeutschen Historikern erregte Diskussionen aus. Konnten die Tagebücher überhaupt echt sein? Das Institut für Zeitgeschichte (IfZ) war bereits vor ihrer Veröffentlichung in Kontakt mit maßgeblichen Akteuren des späteren Skandals. In der Phase zwischen der Ankündigung des Funds und der Entlarvung als Fälschung spielten sich vielschichtige Prozesse der Selbstverortung in der Institutsleitung ab. Die Dokumente aus dem IfZ-Archiv zeigen, dass die gefälschten Tagebücher auch ein Prüfstein für die gesellschaftliche Rolle der Zeitgeschichte und ihrer maßgeblichen Vertreter waren.","PeriodicalId":51887,"journal":{"name":"VIERTELJAHRSHEFTE FUR ZEITGESCHICHTE","volume":"71 1","pages":"599 - 631"},"PeriodicalIF":0.2,"publicationDate":"2023-06-05","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"47035451","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":3,"RegionCategory":"历史学","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
Abstract Karl Epting war einer der wichtigsten Köpfe der intellektuellen Kollaboration im besetzten Paris der Jahre 1940 bis 1944. Wie der mit ihm befreundete Botschafter Otto Abetz so verwandelte sich der als graue Eminenz der deutsch-französischen Kulturbeziehungen geltende Epting von einem scheinbar harmlosen Frankreich-Enthusiasten in einen rassistischen NS-Ideologen. Eptings Leben kennzeichnete eine doppelte Kontinuität: zunächst die Integration eines pietistischen Missionarssohns in das NS-Regime und anschließend die mühelose Integration eines überzeugten Nationalsozialisten und aggressiven Antisemiten in die Nachkriegsgesellschaft. In den 1960er Jahren galt der inzwischen zum Direktor eines humanistischen Gymnasiums avancierte Epting sogar als „besonderer Glücksfall“.
{"title":"Ein NS-Ideologe als „besonderer Glücksfall“","authors":"Conrad Lay","doi":"10.1515/vfzg-2023-0025","DOIUrl":"https://doi.org/10.1515/vfzg-2023-0025","url":null,"abstract":"Abstract Karl Epting war einer der wichtigsten Köpfe der intellektuellen Kollaboration im besetzten Paris der Jahre 1940 bis 1944. Wie der mit ihm befreundete Botschafter Otto Abetz so verwandelte sich der als graue Eminenz der deutsch-französischen Kulturbeziehungen geltende Epting von einem scheinbar harmlosen Frankreich-Enthusiasten in einen rassistischen NS-Ideologen. Eptings Leben kennzeichnete eine doppelte Kontinuität: zunächst die Integration eines pietistischen Missionarssohns in das NS-Regime und anschließend die mühelose Integration eines überzeugten Nationalsozialisten und aggressiven Antisemiten in die Nachkriegsgesellschaft. In den 1960er Jahren galt der inzwischen zum Direktor eines humanistischen Gymnasiums avancierte Epting sogar als „besonderer Glücksfall“.","PeriodicalId":51887,"journal":{"name":"VIERTELJAHRSHEFTE FUR ZEITGESCHICHTE","volume":"71 1","pages":"483 - 523"},"PeriodicalIF":0.2,"publicationDate":"2023-06-05","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"42055719","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":3,"RegionCategory":"历史学","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
Abstract Die Einflussmöglichkeiten von Opfern der nationalsozialistischen Terrorherrschaft in den bundesdeutschen Strafverfahren gegen NS-Verbrecher waren sehr begrenzt, denn als Zeuginnen und Zeugen hatten sie den streng formalisierten Anforderungen der Strafjustiz zu entsprechen. Seit den 1950er Jahren versuchten jüdische Organisationen daher, über Nebenklagen in den Prozessen mehr Einfluss zu gewinnen und eigene Forderungen deutlich zu artikulieren. Katharina Stengel zeichnet die teils kontroversen Diskussionen innerhalb der internationalen jüdischen Organisationen nach, untersucht die Bedeutung der Nebenklage im Frankfurter Auschwitz-Prozess und einigen anderen NS-Verfahren und geht auf die wichtige, aber kaum bekannte Mithilfe der jüdischen Organisationen bei der Vorbereitung der Prozesse ein.
{"title":"Eine jüdische Stimme vor Gericht","authors":"Katharina Stengel","doi":"10.1515/vfzg-2023-0024","DOIUrl":"https://doi.org/10.1515/vfzg-2023-0024","url":null,"abstract":"Abstract Die Einflussmöglichkeiten von Opfern der nationalsozialistischen Terrorherrschaft in den bundesdeutschen Strafverfahren gegen NS-Verbrecher waren sehr begrenzt, denn als Zeuginnen und Zeugen hatten sie den streng formalisierten Anforderungen der Strafjustiz zu entsprechen. Seit den 1950er Jahren versuchten jüdische Organisationen daher, über Nebenklagen in den Prozessen mehr Einfluss zu gewinnen und eigene Forderungen deutlich zu artikulieren. Katharina Stengel zeichnet die teils kontroversen Diskussionen innerhalb der internationalen jüdischen Organisationen nach, untersucht die Bedeutung der Nebenklage im Frankfurter Auschwitz-Prozess und einigen anderen NS-Verfahren und geht auf die wichtige, aber kaum bekannte Mithilfe der jüdischen Organisationen bei der Vorbereitung der Prozesse ein.","PeriodicalId":51887,"journal":{"name":"VIERTELJAHRSHEFTE FUR ZEITGESCHICHTE","volume":"71 1","pages":"449 - 481"},"PeriodicalIF":0.2,"publicationDate":"2023-06-05","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"42046780","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":3,"RegionCategory":"历史学","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
Abstract Die Geschichte schwuler Befreiung in den 1970er Jahren ist bisher hauptsächlich aus dem Blickwinkel radikaler oder links-alternativer Aktivisten erzählt worden, mit einem Fokus auf Gruppen wie der Gay Liberation Front in New York oder der Homosexuellen Aktion Westberlin. Um dieses Narrativ zu differenzieren, analysiert der Autor Kulturen des Konservativen in der Schwulenbewegung der 1970er Jahre durch einen Vergleich der Bundesrepublik mit den USA. Craig Griffiths beleuchtet Diskurse über Verantwortung und Vorsicht näher und konzentriert sich darauf, dass es schwule Männer gab, die sich als normal und vernünftig charakterisierten. Sie lehnten Konfrontation oder Extravaganz ab, und schon darin zeigt sich, dass Begriffe wie Befreiung, Emanzipation oder sogar gay power keine festen Bedeutungen hatten – schon gar nicht solche, die ausschließlich radikal oder konservativ gewesen wären.
{"title":"„Schwul gleich links?“","authors":"Craig Griffiths","doi":"10.1515/vfzg-2023-0027","DOIUrl":"https://doi.org/10.1515/vfzg-2023-0027","url":null,"abstract":"Abstract Die Geschichte schwuler Befreiung in den 1970er Jahren ist bisher hauptsächlich aus dem Blickwinkel radikaler oder links-alternativer Aktivisten erzählt worden, mit einem Fokus auf Gruppen wie der Gay Liberation Front in New York oder der Homosexuellen Aktion Westberlin. Um dieses Narrativ zu differenzieren, analysiert der Autor Kulturen des Konservativen in der Schwulenbewegung der 1970er Jahre durch einen Vergleich der Bundesrepublik mit den USA. Craig Griffiths beleuchtet Diskurse über Verantwortung und Vorsicht näher und konzentriert sich darauf, dass es schwule Männer gab, die sich als normal und vernünftig charakterisierten. Sie lehnten Konfrontation oder Extravaganz ab, und schon darin zeigt sich, dass Begriffe wie Befreiung, Emanzipation oder sogar gay power keine festen Bedeutungen hatten – schon gar nicht solche, die ausschließlich radikal oder konservativ gewesen wären.","PeriodicalId":51887,"journal":{"name":"VIERTELJAHRSHEFTE FUR ZEITGESCHICHTE","volume":"71 1","pages":"557 - 597"},"PeriodicalIF":0.2,"publicationDate":"2023-06-05","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"44920940","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":3,"RegionCategory":"历史学","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
Verehrter Jubilar, lieber Herr Möller! Verehrte Frau Möller! Verehrter Direktor des Instituts für Zeitgeschichte, lieber Andreas Wirsching! Meine Damen und Herren! Als ich damit begann, über die Ehrung des heutigen Tages nachzudenken, wurdemir bewusst, dass wir uns im Jahr Ihres 80. Geburtstags inzwischen vierzig Jahre kennen. 1983 begegneten wir uns an der Universität Erlangen im dortigen Institut für Geschichte. Was für eine lange Zeit sind allein diese vierzig Jahre! Aber wir wussten schon vor dem ersten Zusammentreffen in Erlangen einiges übereinander, und mit diesem „Vorher“ möchte ich auch beginnen. – Es kreist um den jungen Horst Möller als Assistent, Doktorand und Habilitand am Friedrich-Meinecke-Institut der Freien Universität Berlin. Sie waren dort acht Jahre tätig, von 1969 bis 1977. Am Anfang war Friedrich Nicolai, der eminente preußische Aufklärer und Publizist. Sie habenmit Ihrer Dissertation die erste umfassende historische Studie über Nicolai geschrieben und wurden darüber zu einem intimen Kenner der Aufklärungsgeschichte, namentlich der preußischen Aufklärung und der aufklärerischen Kontaktkreise in Berlin. Aber Sie wussten früh – und haben es später immer wieder betont –, dass die Aufklärung europäisch war, bevor sie national werden konnte. Der europäische Horizont ist das Charakteristikum jeder nationalen Aufklärungsgeschichte. Die Geschichte der Aufklärung war derGegenstand, an dem Sie in den späten 1960er und den frühen 1970er Jahren Ihre Kritikfähigkeit ausbildeten – die kritische Einschätzung der Sie umgebenden Welt: das Berlin der Nachkriegszeit, das Berlin der Studentenbewegung, die Freie Universität als ein Zentrum der Neuen Linken. Ich gehe gleich noch ausführlicher darauf ein. A us er R edktion 632 Horst Möller zum 80. Geburtstag
{"title":"Horst Möller zum 80. Geburtstag","authors":"A. Doering-Manteuffel","doi":"10.1515/vfzg-2023-0029","DOIUrl":"https://doi.org/10.1515/vfzg-2023-0029","url":null,"abstract":"Verehrter Jubilar, lieber Herr Möller! Verehrte Frau Möller! Verehrter Direktor des Instituts für Zeitgeschichte, lieber Andreas Wirsching! Meine Damen und Herren! Als ich damit begann, über die Ehrung des heutigen Tages nachzudenken, wurdemir bewusst, dass wir uns im Jahr Ihres 80. Geburtstags inzwischen vierzig Jahre kennen. 1983 begegneten wir uns an der Universität Erlangen im dortigen Institut für Geschichte. Was für eine lange Zeit sind allein diese vierzig Jahre! Aber wir wussten schon vor dem ersten Zusammentreffen in Erlangen einiges übereinander, und mit diesem „Vorher“ möchte ich auch beginnen. – Es kreist um den jungen Horst Möller als Assistent, Doktorand und Habilitand am Friedrich-Meinecke-Institut der Freien Universität Berlin. Sie waren dort acht Jahre tätig, von 1969 bis 1977. Am Anfang war Friedrich Nicolai, der eminente preußische Aufklärer und Publizist. Sie habenmit Ihrer Dissertation die erste umfassende historische Studie über Nicolai geschrieben und wurden darüber zu einem intimen Kenner der Aufklärungsgeschichte, namentlich der preußischen Aufklärung und der aufklärerischen Kontaktkreise in Berlin. Aber Sie wussten früh – und haben es später immer wieder betont –, dass die Aufklärung europäisch war, bevor sie national werden konnte. Der europäische Horizont ist das Charakteristikum jeder nationalen Aufklärungsgeschichte. Die Geschichte der Aufklärung war derGegenstand, an dem Sie in den späten 1960er und den frühen 1970er Jahren Ihre Kritikfähigkeit ausbildeten – die kritische Einschätzung der Sie umgebenden Welt: das Berlin der Nachkriegszeit, das Berlin der Studentenbewegung, die Freie Universität als ein Zentrum der Neuen Linken. Ich gehe gleich noch ausführlicher darauf ein. A us er R edktion 632 Horst Möller zum 80. Geburtstag","PeriodicalId":51887,"journal":{"name":"VIERTELJAHRSHEFTE FUR ZEITGESCHICHTE","volume":"71 1","pages":"632 - 640"},"PeriodicalIF":0.2,"publicationDate":"2023-06-05","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"44162521","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":3,"RegionCategory":"历史学","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
{"title":"Neu: Ein weiterer Beitrag in der Rubrik „VfZ Hören und Sehen“ und regelmäßige Meldungen in der Rubrik „Aktuelles“","authors":"","doi":"10.1515/vfzg-2023-0031","DOIUrl":"https://doi.org/10.1515/vfzg-2023-0031","url":null,"abstract":"","PeriodicalId":51887,"journal":{"name":"VIERTELJAHRSHEFTE FUR ZEITGESCHICHTE","volume":" ","pages":""},"PeriodicalIF":0.2,"publicationDate":"2023-06-05","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"49149736","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":3,"RegionCategory":"历史学","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
Abstract Der Parlamentarische Rat war 1948/49 nicht nur Verfassungsgeber, er erließ auch das Wahlgesetz zur ersten Bundestagswahl. Zu den umstrittensten Themen unter den Abgeordneten gehörte die Frage, ob nationalsozialistisch belastete Personen das volle Wahlrecht erhalten oder von der Wahl ausgeschlossen werden sollten. Die Diskussionen über den Wahlausschluss ehemaliger Nationalsozialistinnen und Nationalsozialisten sind von der Forschung bislang kaum thematisiert worden. Wie im vorliegenden Beitrag gezeigt werden soll, geben sie Aufschluss über grundlegende Fragen des zeitgenössischen Demokratieverständnisses. Sie zeigen, wie sich Diskurse um Schuld, Verantwortung und Belastung in der Nachkriegszeit mit Fragen von Demokratie und Gleichheit verbanden.
{"title":"Demokratisierung durch Wahlausschluss?","authors":"T. Holzhauser, Paul Treffenfeldt","doi":"10.1515/vfzg-2023-0017","DOIUrl":"https://doi.org/10.1515/vfzg-2023-0017","url":null,"abstract":"Abstract Der Parlamentarische Rat war 1948/49 nicht nur Verfassungsgeber, er erließ auch das Wahlgesetz zur ersten Bundestagswahl. Zu den umstrittensten Themen unter den Abgeordneten gehörte die Frage, ob nationalsozialistisch belastete Personen das volle Wahlrecht erhalten oder von der Wahl ausgeschlossen werden sollten. Die Diskussionen über den Wahlausschluss ehemaliger Nationalsozialistinnen und Nationalsozialisten sind von der Forschung bislang kaum thematisiert worden. Wie im vorliegenden Beitrag gezeigt werden soll, geben sie Aufschluss über grundlegende Fragen des zeitgenössischen Demokratieverständnisses. Sie zeigen, wie sich Diskurse um Schuld, Verantwortung und Belastung in der Nachkriegszeit mit Fragen von Demokratie und Gleichheit verbanden.","PeriodicalId":51887,"journal":{"name":"VIERTELJAHRSHEFTE FUR ZEITGESCHICHTE","volume":"71 1","pages":"351 - 369"},"PeriodicalIF":0.2,"publicationDate":"2023-03-08","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"49255865","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":3,"RegionCategory":"历史学","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
Abstract Die Autorin untersucht eugenische Ehe- und Familienberatung als transnationale Verflechtungsgeschichte am Beispiel zweier Sozialexperten, des US-amerikanischen Eugenik-Pioniers und Familienberaters Paul B. Popenoe und des führenden NS-Rassenhygienikers und späteren Ordinarius für Humangenetik in Münster, Otmar Freiherr von Verschuer. In der langen Perspektive von den 1920er bis in die 1970er Jahre zeigt sich, dass die NS-Zeit keine Zäsur markierte. Vielmehr wurde auf beiden Seiten des Atlantiks eugenisches Wissen mobilisiert, um die Familie als Grundlage der Nation vor den Zumutungen der Moderne zu schützen. Die Quellengrundlage bilden wissenschaftliche Texte, Ratgeber, Briefwechsel, Institutsakten und ein bislang nicht genutzter Bestand an Patienten- und Beratungsakten.
摘要作者以两位社会专家为例,研究了优生学婚姻和家庭咨询作为一种跨国相互依存的历史,他们是美国优生学先驱和家庭顾问Paul B.Popenoe,以及著名的纳粹种族卫生学家,后来的明斯特人类遗传学普通人Otmar Freiherr von Verschuer。从20世纪20年代到70年代的长期视角表明,纳粹时代并没有标志着一个转折点。相反,优生学知识在大西洋两岸被动员起来,以保护作为国家基础的家庭免受现代性要求的影响。来源包括科学文本、指南、信件、研究所档案以及以前未使用的患者和咨询档案。
{"title":"Die „erbgesunde“ Familie als transatlantisches Projekt","authors":"Isabel Heinemann","doi":"10.1515/vfzg-2023-0014","DOIUrl":"https://doi.org/10.1515/vfzg-2023-0014","url":null,"abstract":"Abstract Die Autorin untersucht eugenische Ehe- und Familienberatung als transnationale Verflechtungsgeschichte am Beispiel zweier Sozialexperten, des US-amerikanischen Eugenik-Pioniers und Familienberaters Paul B. Popenoe und des führenden NS-Rassenhygienikers und späteren Ordinarius für Humangenetik in Münster, Otmar Freiherr von Verschuer. In der langen Perspektive von den 1920er bis in die 1970er Jahre zeigt sich, dass die NS-Zeit keine Zäsur markierte. Vielmehr wurde auf beiden Seiten des Atlantiks eugenisches Wissen mobilisiert, um die Familie als Grundlage der Nation vor den Zumutungen der Moderne zu schützen. Die Quellengrundlage bilden wissenschaftliche Texte, Ratgeber, Briefwechsel, Institutsakten und ein bislang nicht genutzter Bestand an Patienten- und Beratungsakten.","PeriodicalId":51887,"journal":{"name":"VIERTELJAHRSHEFTE FUR ZEITGESCHICHTE","volume":"71 1","pages":"237 - 271"},"PeriodicalIF":0.2,"publicationDate":"2023-03-08","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"45290532","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":3,"RegionCategory":"历史学","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}