{"title":"Vom «autistischen Psychopathen» zum Autismusspektrum. Verhaltensdiagnostik und Persönlichkeitsbehauptung in der Geschichte des Autismus","authors":"R. Graf","doi":"10.24894/gesn-de.2020.77012","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Der Aufsatz untersucht das Verhältnis von Persönlichkeit und Verhalten in der Defi nition und Diagnostik des Autismus von Kanner und Asperger in den 1940er Jahren bis in die neueren Ausgaben des DSM und ICD. Dazu unterscheidet er drei verschiedene epistemische Zugänge zum Autismus: ein externes Wissen der dritten Person, das über Verhaltensbeobachtungen, Testverfahren und Elterninterviews gewonnen wird; ein stärker praktisches Wissen der zweiten Person, das in der andauernden, alltäglichen Interaktion bei Eltern und Betreuer*innen entsteht, und schließlich das introspektive Wissen der ersten Person, d.h. der Autist*innen selbst. Dabei resultiert die Kerndifferenz in der Behandlung des Autismus daraus, ob man meint, die Persönlichkeit eines Menschen allein über die Beobachtung von Verhaltensweisen erschließen zu können oder ob es sich um eine vorgängige Struktur handelt, die introspektiv zugänglich ist, Verhalten prägt und ihm Sinn verleihen kann. Die Entscheidung hierüber führt zu grundlegend anderen Positionierungen zu verhaltenstherapeutischen Ansätzen, wie insbesondere zu Ole Ivar Lovaas’ Applied Behavior Analysis.","PeriodicalId":42764,"journal":{"name":"Gesnerus-Swiss Journal of the History of Medicine and Sciences","volume":null,"pages":null},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"2020-01-29","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Gesnerus-Swiss Journal of the History of Medicine and Sciences","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.24894/gesn-de.2020.77012","RegionNum":0,"RegionCategory":null,"ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"Q4","JCRName":"Arts and Humanities","Score":null,"Total":0}
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Abstract
Der Aufsatz untersucht das Verhältnis von Persönlichkeit und Verhalten in der Defi nition und Diagnostik des Autismus von Kanner und Asperger in den 1940er Jahren bis in die neueren Ausgaben des DSM und ICD. Dazu unterscheidet er drei verschiedene epistemische Zugänge zum Autismus: ein externes Wissen der dritten Person, das über Verhaltensbeobachtungen, Testverfahren und Elterninterviews gewonnen wird; ein stärker praktisches Wissen der zweiten Person, das in der andauernden, alltäglichen Interaktion bei Eltern und Betreuer*innen entsteht, und schließlich das introspektive Wissen der ersten Person, d.h. der Autist*innen selbst. Dabei resultiert die Kerndifferenz in der Behandlung des Autismus daraus, ob man meint, die Persönlichkeit eines Menschen allein über die Beobachtung von Verhaltensweisen erschließen zu können oder ob es sich um eine vorgängige Struktur handelt, die introspektiv zugänglich ist, Verhalten prägt und ihm Sinn verleihen kann. Die Entscheidung hierüber führt zu grundlegend anderen Positionierungen zu verhaltenstherapeutischen Ansätzen, wie insbesondere zu Ole Ivar Lovaas’ Applied Behavior Analysis.
本文研究了20世纪40年代以来,直到DSM和ICD的最新版本,Kanner和Asperger自闭症的定义和诊断中人格和行为之间的关系。为此,他区分了三种不同的自闭症认知方法:通过行为观察、测试程序和父母访谈获得的第三人的外部知识;从父母和照顾者之间持续的日常互动中获得的对第二人更实用的知识,最后是对第一人,即自闭症患者自己的内省知识。自闭症治疗的核心区别在于,人们是否认为可以仅仅通过观察行为来揭示一个人的个性,或者这是一种可以内省的、塑造行为并赋予其意义的先验结构。这一决定导致了对行为治疗方法的根本不同立场,例如Ole Ivar Lovaas的应用行为分析。
期刊介绍:
Gesnerus is the official journal of the Swiss Society for the History of Medicine and Sciences (SSHMS). It publishes original articles, short communications and documents on different periods and aspects of the history of medicine and sciences and also focuses on theoretical and social aspects of this subject.