{"title":"Sind „vulnerable Gruppen“ vor Kritik zu schützen?","authors":"Maria-Sybilla Lotter","doi":"10.22613/zfpp/9.2.16","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Der Artikel verteidigt den Wert und die Unverzichtbarkeit der freien Debatte gegen neuere Tendenzen, gewisse kontroverse Beiträge zur öffentlichen Diskussion als Schädigungen vulnerabler Menschen zu delegitimieren. In den Abschnitten 1–2 werden zwei elementare Funktionen der Redefreiheit für eine liberale Demokratie vorgestellt: Erstens ist die Möglichkeit zum gewaltfreien politischen Widerspruch gegen Mehrheitsentscheidungen eine Bedingung ihrer Geltung auch für Andersdenkende. Zweitens ist sie eine notwendige Bedingung für die Erzeugung der politischen Kompetenz, die eine Demokratie am Leben hält und vernünftige politische Entscheidungen ermöglicht. In Abschnitt 3 erläutere ich, welche individuellen und sozialen Schwierigkeiten auftreten, und welche Tugenden daher entwickelt werden müssen, damit sich in einer freien Debatte kollektive Kompetenz entwickeln kann. Ausgehend von der Frage nach den Grenzen der Redefreiheit geht der 4. Abschnitt auf neuere Debatten über Hate Speech ein und hinterfragt deren tendenzielle Gleichsetzung mit physischer Gewalt. Der 5. Abschnitt führt die suggestive Kraft der Rhetorik der Vulnerabilität auf Concept Creep zurück und beschreibt die ideologische Nutzung dieser Rhetorik für die Ziele von Interessengruppen, wodurch reale Macht- und Interessenkonflikte als moralische Fragen ausgegeben werden.","PeriodicalId":53352,"journal":{"name":"Zeitschrift fur Praktische Philosophie","volume":null,"pages":null},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"2023-03-28","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Zeitschrift fur Praktische Philosophie","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.22613/zfpp/9.2.16","RegionNum":0,"RegionCategory":null,"ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"Q3","JCRName":"Arts and Humanities","Score":null,"Total":0}
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Abstract
Der Artikel verteidigt den Wert und die Unverzichtbarkeit der freien Debatte gegen neuere Tendenzen, gewisse kontroverse Beiträge zur öffentlichen Diskussion als Schädigungen vulnerabler Menschen zu delegitimieren. In den Abschnitten 1–2 werden zwei elementare Funktionen der Redefreiheit für eine liberale Demokratie vorgestellt: Erstens ist die Möglichkeit zum gewaltfreien politischen Widerspruch gegen Mehrheitsentscheidungen eine Bedingung ihrer Geltung auch für Andersdenkende. Zweitens ist sie eine notwendige Bedingung für die Erzeugung der politischen Kompetenz, die eine Demokratie am Leben hält und vernünftige politische Entscheidungen ermöglicht. In Abschnitt 3 erläutere ich, welche individuellen und sozialen Schwierigkeiten auftreten, und welche Tugenden daher entwickelt werden müssen, damit sich in einer freien Debatte kollektive Kompetenz entwickeln kann. Ausgehend von der Frage nach den Grenzen der Redefreiheit geht der 4. Abschnitt auf neuere Debatten über Hate Speech ein und hinterfragt deren tendenzielle Gleichsetzung mit physischer Gewalt. Der 5. Abschnitt führt die suggestive Kraft der Rhetorik der Vulnerabilität auf Concept Creep zurück und beschreibt die ideologische Nutzung dieser Rhetorik für die Ziele von Interessengruppen, wodurch reale Macht- und Interessenkonflikte als moralische Fragen ausgegeben werden.