Die Stille Reserve ist eine bedeutende Größe in der Arbeitsmarktberichterstattung, die sich nicht unmittelbar beobachten lässt. Es existieren unterschiedliche Konzepte bezüglich Definition, Datengewinnung und Blickwinkel auf den Arbeitsmarkt, mit denen eine Stille Reserve ermittelt wird. Der vorliegende Beitrag vergleicht die Schätzung der Stillen Reserve beim Statistischen Bundesamt (StBA) mit der beim Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).
Das Statistische Bundesamt schätzt sie aus einer mikroökonomischen Perspektive heraus und schließt aus Angaben von Befragten des Mikrozensus beziehungsweise der darin integrierten Arbeitskräfteerhebung auf die Zugehörigkeit zur Stillen Reserve. Zur Anwendung kommt dabei das Labour-Force-Konzept der Internationalen Arbeitsorganisation. Danach gehören zur Stillen Reserve zum einen Personen, die aktiv eine Arbeit suchen, für eine solche aber kurzfristig nicht zur Verfügung stehen und zum anderen Personen, die aktuell keine Arbeit suchen, aber grundsätzlich gerne arbeiten würden und dafür auch verfügbar sind.
Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung schätzt die Stille Reserve aus einer makroökonomischen Perspektive unmittelbar aufgrund der jeweiligen Arbeitsmarktlage. In einem regressionsanalytischen Modell wird zuerst die Abhängigkeit einer langen Zeitreihe der Erwerbsquoten von der Arbeitsmarktlage geschätzt. Dabei ist die Datengrundlage der Erwerbsquoten zum einen der Mikrozensus, während die Lage des Arbeitsmarktes unter anderem über Quoten von registrierten Arbeitslosen der Bundesagentur für Arbeit abgebildet wird. Darüber hinaus wird ein sogenannter „Vollbeschäftigungswert“ für diese Arbeitslosenquoten ermittelt und die Stille Reserve als Folge der Anspannung am Arbeitsmarkt interpretiert, das heißt, je mehr die Vollbeschäftigungsarbeitslosigkeit vom tatsächlichen Wert abweicht, umso höher ist die Stille Reserve.
Hinsichtlich der Ergebnisse zur Stillen Reserve war die vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung geschätzte Stille Reserve in früheren Jahren immer etwas umfangreicher als die des Statistischen Bundesamtes. Die Differenzen sanken jedoch, bis schließlich für 2019 beide Ergebnisse mit jeweils knapp 900.000 Personen nahezu gleichauf lagen.