{"title":"Der Markt für Bioenergie","authors":"C. Schaper, L. Theuvsen","doi":"10.30430/69.2020.5.142-162","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Das vergangene Jahr verlief aus Sicht der Märkte für Bioenergie widersprüchlich. Auf der einen Seite setzte sich der Ausbau der Bioenergieerzeugung weiter fort, auf der anderen Seite wurde sie in ungewohnt heftiger Form kritisch diskutiert, weil erstmals die Folgen des stark beschleunigten Ausbaus der Bioenergien sowie die Schwachpunkte des in Deutschland eingeschlagenen Weges sichtbar wurden. Die Landwirtschaft wird im Zusammenhang mit dem Klimawandel zunehmend in ihrer Verursacherrolle gesehen. Der IPCC (2007) beziffert den Anteil der Landwirtschaft an den globalen Emissionen klimarelevanter Gase im Jahr 2004 auf immerhin 13,5 %; andere Studien veranschlagen ihn sogar noch höher (BELLARBY et al., 2008). Nicht alle in diesem Zusammenhang diskutierten Aspekte sind aus Sicht der Bioenergieerzeugung von Bedeutung, etwa die Methanemissionen aus der Tierhaltung und dem Reisanbau. Andere Emissionen, z.B. die Lachgasemissionen infolge der mikrobiellen Umsetzung von Stickstoffverbindungen im Boden, Emissionen bei der Herstellung von Düngeund Pflanzenschutzmitteln sowie der Treibstoffbedarf für Transporte und landwirtschaftliche Fahrzeuge verschlechtern dagegen auch die Klimabilanz der Bioenergien (HIRSCHFELD et al., 2008; VON WITZKE, 2008). Diese Aspekte sind in hohem Maße relevant für die Abschätzung des Beitrags von Bioenergien zum Klimaschutz. Den in Deutschland dominierenden Bioenergielinien Biogas auf Maisbasis und Biokraftstoffe wird unter diesem Gesichtspunkt kein gutes Zeugnis ausgestellt. Ursächlich für dieses Urteil sind insbesondere die geringe Flächenproduktivität, die zusammen mit den Lachgasemissionen des Energiepflanzenanbaus sowie dem großen Energiebedarf der Biokraftstoffproduktion zu einem Vermeidungspotential von allenfalls 3 t CO2äq/ha führt. Im Verein mit den hohen Kosten der Biokraftstoffproduktion aus heimischen Rohstoffen führt dies zu sehr hohen CO2-Vermeidungskosten von 150 bis über 300 €/t CO2äq, so dass die Effektivität und Effizienz des deutschen Bioenergieweges in Frage gestellt werden (WBA, 2007, 2008). Daneben werden auch ethische Fragen aufgeworfen, die an der Konkurrenz zwischen Bioenergieund Nahrungsmittelproduktion und den sich daraus ergebenden Auswirkungen auf die Lebensmittelpreise anknüpfen. Zwar wird immer wieder auf den weltweit geringen Anteil der Flächen und Agrarprodukte, die für die Bioenergieproduktion genutzt werden, verwiesen (O.V., 2008a), bei genauerer Betrachtung wird allerdings deutlich, dass von dem für die Preisentwicklung besonders bedeutsamen Verbrauchszuwachs erheblich größere Anteile auf die gestiegene Nachfrage nach erneuerbaren Ressourcen entfallen. Von 2006/07 auf 2007/08 bspw. stieg der weltweite Getreidebedarf um 57 Mio. Tonnen; davon entfielen immerhin 23 Mio. Tonnen auf die Ethanolproduktion. Die für die zwischenzeitliche Preishausse auf dem Getreidemarkt verantwortlich gemachte Verknappung der weltweiten Getreidevorräte wiederum wäre ohne den hohen Bedarf der US-amerikanischen Bioethanolproduktion, in die inzwischen etwa 25 bis 30 % der US-Getreideproduktion fließen, deutlich moderater ausgefallen. Auch in Relation zu den US-amerikanischen Maisexporten, die 2008/09 voraussichtlich etwa 50 Mio. Tonnen betragen werden, ist der Maisbedarf für die US-Ethanolproduktion im Umfang von etwa 102 Mio. Tonnen sehr beachtlich (CHILLA, 2008). Es wird daher allgemein angenommen, dass die Bioenergieproduktion nicht ohne Folgen für die Preise für Agrarprodukte bleiben kann (WBA, 2008); die Weltbank meint sogar, dass 70 bis 75 % des zwischen 2002 und 2008 zu beobachtenden Anstiegs der Nahrungsmittelpreise der Bioenergieproduktion anzulasten seien (MITCHELL, 2008). In der Folge werden kurzfristig erhebliche negative Auswirkungen auf die Ernährungssicherheit gesehen (FAO, 2008). Aus diesem Grund, aber auch aufgrund der mangelnden Effektivität und Effizienz der Bioenergiepolitik sowie den z.T. problematischen Umweltwirkungen (EEA, 2006) wird daher verstärkt für eine kritische Überprüfung der Subventionierung der Bioenergieerzeugung plädiert (SIEBERT, 2008). Weitere diskussionswürdige Aspekte der Bioenergieproduktion wie ihre Auswirkungen auf Fruchtfolgen (USDA, 2007) und die Wettbewerbsfähigkeit speziell der Tierproduktion (BRAUN und LORLEBERG, 2007; WBA, 2008) sind in der Öffentlichkeit demgegenüber nur wenig wahrgenommen worden. Die breite öffentliche Diskussion über die Chancen und Risiken der Bioenergieproduktion ist von der Politik zum Anlass für einige Neujustierungen genommen worden. Auf nationaler Ebene lassen sich u.a. die Einführung eines Güllebonus und die weitere Erhöhung des Landschaftspflegebonus im novellierten EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz) sowie das Gesetz zur Änderung der Förderung von Biokraftstoffen, das das Bundeskabinett am 22.10.2008 beschlossen hat, als entsprechende Reaktionen deuten. Die EU wiederum hält zwar grundsätzlich an ihren Zielen im Bereich des Ausbaus erneuerbarer Energien fest, versucht aber u.a. mit Hilfe der Festlegung von Nachhaltigkeitskriterien sowie der Aufnahme einer allgemeinen Revisionsklausel für das Jahr 2014 der Kritik an ihrem Kurs zu begegnen (o.V., 2008b; BMU, 2008).","PeriodicalId":48919,"journal":{"name":"German Journal of Agricultural Economics","volume":"21 1","pages":""},"PeriodicalIF":0.7000,"publicationDate":"2020-04-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"1","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"German Journal of Agricultural Economics","FirstCategoryId":"96","ListUrlMain":"https://doi.org/10.30430/69.2020.5.142-162","RegionNum":4,"RegionCategory":"经济学","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"Q4","JCRName":"AGRICULTURAL ECONOMICS & POLICY","Score":null,"Total":0}
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Abstract
Das vergangene Jahr verlief aus Sicht der Märkte für Bioenergie widersprüchlich. Auf der einen Seite setzte sich der Ausbau der Bioenergieerzeugung weiter fort, auf der anderen Seite wurde sie in ungewohnt heftiger Form kritisch diskutiert, weil erstmals die Folgen des stark beschleunigten Ausbaus der Bioenergien sowie die Schwachpunkte des in Deutschland eingeschlagenen Weges sichtbar wurden. Die Landwirtschaft wird im Zusammenhang mit dem Klimawandel zunehmend in ihrer Verursacherrolle gesehen. Der IPCC (2007) beziffert den Anteil der Landwirtschaft an den globalen Emissionen klimarelevanter Gase im Jahr 2004 auf immerhin 13,5 %; andere Studien veranschlagen ihn sogar noch höher (BELLARBY et al., 2008). Nicht alle in diesem Zusammenhang diskutierten Aspekte sind aus Sicht der Bioenergieerzeugung von Bedeutung, etwa die Methanemissionen aus der Tierhaltung und dem Reisanbau. Andere Emissionen, z.B. die Lachgasemissionen infolge der mikrobiellen Umsetzung von Stickstoffverbindungen im Boden, Emissionen bei der Herstellung von Düngeund Pflanzenschutzmitteln sowie der Treibstoffbedarf für Transporte und landwirtschaftliche Fahrzeuge verschlechtern dagegen auch die Klimabilanz der Bioenergien (HIRSCHFELD et al., 2008; VON WITZKE, 2008). Diese Aspekte sind in hohem Maße relevant für die Abschätzung des Beitrags von Bioenergien zum Klimaschutz. Den in Deutschland dominierenden Bioenergielinien Biogas auf Maisbasis und Biokraftstoffe wird unter diesem Gesichtspunkt kein gutes Zeugnis ausgestellt. Ursächlich für dieses Urteil sind insbesondere die geringe Flächenproduktivität, die zusammen mit den Lachgasemissionen des Energiepflanzenanbaus sowie dem großen Energiebedarf der Biokraftstoffproduktion zu einem Vermeidungspotential von allenfalls 3 t CO2äq/ha führt. Im Verein mit den hohen Kosten der Biokraftstoffproduktion aus heimischen Rohstoffen führt dies zu sehr hohen CO2-Vermeidungskosten von 150 bis über 300 €/t CO2äq, so dass die Effektivität und Effizienz des deutschen Bioenergieweges in Frage gestellt werden (WBA, 2007, 2008). Daneben werden auch ethische Fragen aufgeworfen, die an der Konkurrenz zwischen Bioenergieund Nahrungsmittelproduktion und den sich daraus ergebenden Auswirkungen auf die Lebensmittelpreise anknüpfen. Zwar wird immer wieder auf den weltweit geringen Anteil der Flächen und Agrarprodukte, die für die Bioenergieproduktion genutzt werden, verwiesen (O.V., 2008a), bei genauerer Betrachtung wird allerdings deutlich, dass von dem für die Preisentwicklung besonders bedeutsamen Verbrauchszuwachs erheblich größere Anteile auf die gestiegene Nachfrage nach erneuerbaren Ressourcen entfallen. Von 2006/07 auf 2007/08 bspw. stieg der weltweite Getreidebedarf um 57 Mio. Tonnen; davon entfielen immerhin 23 Mio. Tonnen auf die Ethanolproduktion. Die für die zwischenzeitliche Preishausse auf dem Getreidemarkt verantwortlich gemachte Verknappung der weltweiten Getreidevorräte wiederum wäre ohne den hohen Bedarf der US-amerikanischen Bioethanolproduktion, in die inzwischen etwa 25 bis 30 % der US-Getreideproduktion fließen, deutlich moderater ausgefallen. Auch in Relation zu den US-amerikanischen Maisexporten, die 2008/09 voraussichtlich etwa 50 Mio. Tonnen betragen werden, ist der Maisbedarf für die US-Ethanolproduktion im Umfang von etwa 102 Mio. Tonnen sehr beachtlich (CHILLA, 2008). Es wird daher allgemein angenommen, dass die Bioenergieproduktion nicht ohne Folgen für die Preise für Agrarprodukte bleiben kann (WBA, 2008); die Weltbank meint sogar, dass 70 bis 75 % des zwischen 2002 und 2008 zu beobachtenden Anstiegs der Nahrungsmittelpreise der Bioenergieproduktion anzulasten seien (MITCHELL, 2008). In der Folge werden kurzfristig erhebliche negative Auswirkungen auf die Ernährungssicherheit gesehen (FAO, 2008). Aus diesem Grund, aber auch aufgrund der mangelnden Effektivität und Effizienz der Bioenergiepolitik sowie den z.T. problematischen Umweltwirkungen (EEA, 2006) wird daher verstärkt für eine kritische Überprüfung der Subventionierung der Bioenergieerzeugung plädiert (SIEBERT, 2008). Weitere diskussionswürdige Aspekte der Bioenergieproduktion wie ihre Auswirkungen auf Fruchtfolgen (USDA, 2007) und die Wettbewerbsfähigkeit speziell der Tierproduktion (BRAUN und LORLEBERG, 2007; WBA, 2008) sind in der Öffentlichkeit demgegenüber nur wenig wahrgenommen worden. Die breite öffentliche Diskussion über die Chancen und Risiken der Bioenergieproduktion ist von der Politik zum Anlass für einige Neujustierungen genommen worden. Auf nationaler Ebene lassen sich u.a. die Einführung eines Güllebonus und die weitere Erhöhung des Landschaftspflegebonus im novellierten EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz) sowie das Gesetz zur Änderung der Förderung von Biokraftstoffen, das das Bundeskabinett am 22.10.2008 beschlossen hat, als entsprechende Reaktionen deuten. Die EU wiederum hält zwar grundsätzlich an ihren Zielen im Bereich des Ausbaus erneuerbarer Energien fest, versucht aber u.a. mit Hilfe der Festlegung von Nachhaltigkeitskriterien sowie der Aufnahme einer allgemeinen Revisionsklausel für das Jahr 2014 der Kritik an ihrem Kurs zu begegnen (o.V., 2008b; BMU, 2008).
期刊介绍:
The GJAE publishes a broad range of theoretical, applied and policy-related articles. It aims for a balanced coverage of economic issues within agricultural and food production, demand and trade, rural development, and sustainable and efficient resource use as well as specific German or European issues. The GJAE also welcomes review articles.