Sara Galle, Emmanuel Neuhaus, Lena Künzle, Daniel Lis, I. Ritzmann
{"title":"苏黎世儿童观察站Brüschhalde 1957~1972年对“异常反应”儿童的精神评估","authors":"Sara Galle, Emmanuel Neuhaus, Lena Künzle, Daniel Lis, I. Ritzmann","doi":"10.24894/gesn-de.2020.77010","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Der Beitrag setzt sich mit der psychiatrischen Beurteilung der Persönlichkeit im Zusammenhang mit der Fremdplatzierung von Kindern auseinander. Im Zentrum steht die Begutachtung zweier Kinder, die 1957 beziehungsweise 1972 von ihren Vormunden in die kinderpsychiatrische Beobachtungsstation Brüschhalde im Kanton Zürich eingewiesen wurden. Die Autorinnen und Autoren zeigen auf, wie Persönlichkeit im stationären Kontext konzeptualisiert, erfasst und bewertet wurde. Bei den beiden ausserehelich geborenen Kindern diagnostizierten die begutachtenden Ärztinnen und Ärzte, wie bei den meisten Kindern in der Brüschhalde zu jener Zeit, «abnorme», genauer «neurotische Reaktionen», die durch «ungünstige Milieuverhältnisse» ausgelöst worden waren und zu Entwicklungsstörungen führten.\nDas Persönlichkeitskonzept der Kinderpsychiatrie stellte ein Entwicklungskonzept dar, das nicht nur die individuelle Entfaltung, sondern auch die gesellschaftliche Assimilation zum Ziel hatte. Die wichtigste Voraussetzung für eine «normale» Persönlichkeitsentwicklung des Kindes war und blieb ein «geordnetes, harmonisches Familienleben». Massgeblich für die Fremdplatzierung war nicht die Diagnose, sondern die familiäre Konstellation und die Persönlichkeit der Eltern, insbesondere der Mütter.","PeriodicalId":42764,"journal":{"name":"Gesnerus-Swiss Journal of the History of Medicine and Sciences","volume":null,"pages":null},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"2020-01-29","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":"{\"title\":\"Die psychiatrische Begutachtung von Kindern mit «abnormen Reaktionen» in der Zürcher Kinderbeobachtungs station Brüschhalde 1957 bis 1972\",\"authors\":\"Sara Galle, Emmanuel Neuhaus, Lena Künzle, Daniel Lis, I. Ritzmann\",\"doi\":\"10.24894/gesn-de.2020.77010\",\"DOIUrl\":null,\"url\":null,\"abstract\":\"Der Beitrag setzt sich mit der psychiatrischen Beurteilung der Persönlichkeit im Zusammenhang mit der Fremdplatzierung von Kindern auseinander. Im Zentrum steht die Begutachtung zweier Kinder, die 1957 beziehungsweise 1972 von ihren Vormunden in die kinderpsychiatrische Beobachtungsstation Brüschhalde im Kanton Zürich eingewiesen wurden. Die Autorinnen und Autoren zeigen auf, wie Persönlichkeit im stationären Kontext konzeptualisiert, erfasst und bewertet wurde. Bei den beiden ausserehelich geborenen Kindern diagnostizierten die begutachtenden Ärztinnen und Ärzte, wie bei den meisten Kindern in der Brüschhalde zu jener Zeit, «abnorme», genauer «neurotische Reaktionen», die durch «ungünstige Milieuverhältnisse» ausgelöst worden waren und zu Entwicklungsstörungen führten.\\nDas Persönlichkeitskonzept der Kinderpsychiatrie stellte ein Entwicklungskonzept dar, das nicht nur die individuelle Entfaltung, sondern auch die gesellschaftliche Assimilation zum Ziel hatte. Die wichtigste Voraussetzung für eine «normale» Persönlichkeitsentwicklung des Kindes war und blieb ein «geordnetes, harmonisches Familienleben». Massgeblich für die Fremdplatzierung war nicht die Diagnose, sondern die familiäre Konstellation und die Persönlichkeit der Eltern, insbesondere der Mütter.\",\"PeriodicalId\":42764,\"journal\":{\"name\":\"Gesnerus-Swiss Journal of the History of Medicine and Sciences\",\"volume\":null,\"pages\":null},\"PeriodicalIF\":0.0000,\"publicationDate\":\"2020-01-29\",\"publicationTypes\":\"Journal Article\",\"fieldsOfStudy\":null,\"isOpenAccess\":false,\"openAccessPdf\":\"\",\"citationCount\":\"0\",\"resultStr\":null,\"platform\":\"Semanticscholar\",\"paperid\":null,\"PeriodicalName\":\"Gesnerus-Swiss Journal of the History of Medicine and Sciences\",\"FirstCategoryId\":\"1085\",\"ListUrlMain\":\"https://doi.org/10.24894/gesn-de.2020.77010\",\"RegionNum\":0,\"RegionCategory\":null,\"ArticlePicture\":[],\"TitleCN\":null,\"AbstractTextCN\":null,\"PMCID\":null,\"EPubDate\":\"\",\"PubModel\":\"\",\"JCR\":\"Q4\",\"JCRName\":\"Arts and Humanities\",\"Score\":null,\"Total\":0}","platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Gesnerus-Swiss Journal of the History of Medicine and Sciences","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.24894/gesn-de.2020.77010","RegionNum":0,"RegionCategory":null,"ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"Q4","JCRName":"Arts and Humanities","Score":null,"Total":0}
Die psychiatrische Begutachtung von Kindern mit «abnormen Reaktionen» in der Zürcher Kinderbeobachtungs station Brüschhalde 1957 bis 1972
Der Beitrag setzt sich mit der psychiatrischen Beurteilung der Persönlichkeit im Zusammenhang mit der Fremdplatzierung von Kindern auseinander. Im Zentrum steht die Begutachtung zweier Kinder, die 1957 beziehungsweise 1972 von ihren Vormunden in die kinderpsychiatrische Beobachtungsstation Brüschhalde im Kanton Zürich eingewiesen wurden. Die Autorinnen und Autoren zeigen auf, wie Persönlichkeit im stationären Kontext konzeptualisiert, erfasst und bewertet wurde. Bei den beiden ausserehelich geborenen Kindern diagnostizierten die begutachtenden Ärztinnen und Ärzte, wie bei den meisten Kindern in der Brüschhalde zu jener Zeit, «abnorme», genauer «neurotische Reaktionen», die durch «ungünstige Milieuverhältnisse» ausgelöst worden waren und zu Entwicklungsstörungen führten.
Das Persönlichkeitskonzept der Kinderpsychiatrie stellte ein Entwicklungskonzept dar, das nicht nur die individuelle Entfaltung, sondern auch die gesellschaftliche Assimilation zum Ziel hatte. Die wichtigste Voraussetzung für eine «normale» Persönlichkeitsentwicklung des Kindes war und blieb ein «geordnetes, harmonisches Familienleben». Massgeblich für die Fremdplatzierung war nicht die Diagnose, sondern die familiäre Konstellation und die Persönlichkeit der Eltern, insbesondere der Mütter.
期刊介绍:
Gesnerus is the official journal of the Swiss Society for the History of Medicine and Sciences (SSHMS). It publishes original articles, short communications and documents on different periods and aspects of the history of medicine and sciences and also focuses on theoretical and social aspects of this subject.