Miriam Sander, Dr. Justus T. Metternich, Pascal Dippner, Prof. Dr. Sebastian Kruss, Prof. Dr. Lars Borchardt
{"title":"Kontrollierte Einführung von sp3-Quantendefekten in Fluoreszierenden Kohlenstoffnanoröhren mittels Mechanochemie","authors":"Miriam Sander, Dr. Justus T. Metternich, Pascal Dippner, Prof. Dr. Sebastian Kruss, Prof. Dr. Lars Borchardt","doi":"10.1002/ange.202421021","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"<p>Kohlenstoffnanomaterialien sind vielversprechend für eine Vielzahl von Anwendungen.<span><sup>1</sup></span> Ihre optoelektronischen Eigenschaften hängen von ihrer Struktur ab. Entsprechend kann die kontrollierte Modifikation genutzt werden, um diese anzupassen. Einwandige Kohlenstoffnanoröhren (<i>single-walled carbon nanotubes</i>, SWCNTs) sind besonders interessant, da sie eine intrinsische Fluoreszenz im nahen Infrarot (NIR) Bereich des Spektrums besitzen.<span><sup>2</sup></span> Die Fluoreszenz von SWCNTs hängt von ihrer Chiralität ab, die die Struktur eines SWCNT beschreibt und daher mit ihrer Bandlücke korreliert werden kann.<span><sup>2</sup></span> SWCNTs sind photostabil und ihre Fluoreszenz ist empfindlich gegenüber der chemischen Umgebung.<span><sup>3</sup></span> Dies macht SWCNTs geeignet für die Grundlagenforschung sowie Anwendungen in der molekularen Bildgebung,<span><sup>4</sup></span> Sensorik<span><sup>5</sup></span> und Photovoltaik.<span><sup>6</sup></span> Um die optoelektronischen Eigenschaften von SWCNTs für diese Anwendungen anzupassen, wurden verschiedene Strategien entwickelt.<span><sup>7, 8-10</sup></span> Ein prominentes Beispiel ist die Funktionalisierung mit sp<sup>3</sup>-Quantendefekten, auch bekannt als (organische) Farbzentren (<i>organic color centers</i>, OCCs), um Farbzentrum-Nanoröhren (<i>color center nanotubes</i>, CCNTs) zu erhalten.<span><sup>11, 12</sup></span> Die kontrollierte Einführung solcher Defekte im sp<sup>2</sup>-Gitter der SWCNT führt zu neuen elektronischen Zuständen, die eine zusätzliche rotverschobene Emission (E<sub>11</sub>*) verursachen.<span><sup>11, 13-15</sup></span> Bei der Einführung einzelner Defekte (etwa 5–10 Defekte pro Mikrometer) bleiben SWCNTs fluoreszierend.<span><sup>13, 14</sup></span> Eine übermäßige Funktionalisierung des Gitters führt jedoch zu einem Verlust der SWCNT-Fluoreszenz, da die (elektronische) Struktur der SWCNT beeinträchtigt wird.<span><sup>8, 16</sup></span> Abhängig von der SWCNT-Probe (wässrige bzw. organische Lösungsmittel, oder auf einer Oberfläche abgeschieden) existieren verschiedene synthetische Routen, um lumineszente Defekte zu generieren.<span><sup>10, 17</sup></span> Für Anwendungen in der Biosensorik sind Methoden, die mit wässrigen Umgebungen kompatibel sind, besonders interessant. Diese erfordern jedoch eine geeignete Beschichtung der Oberfläche, um die hochhydrophoben SWCNTs zu solubilisieren. Gängig ist eine Einführung von Quantendefekten mittels Aryldiazoniumsalzen, oder über nukleophile Addition mit 2-Haloanilinen in Anwesenheit starker organischer Basen. Aufgrund der Kontrollierbarkeit sowie der vorteilhaften Reaktionskinetik steht der synthetische Ansatz mit Aryldiazoniumsalzen derzeit im Fokus.<span><sup>8</sup></span></p><p>Um weitere Fortschritte auf diesem Gebiet zu erzielen, sind neue Verfahren erforderlich, die ohne Tensidbeschichtungen auskommen. Hier eröffnet eine Kombination aus unterschiedlichen Feldern neue Perspektiven. Mechanochemie ist ein nachhaltiger Zweig der Chemie, in welcher chemische Reaktionen durch mechanischen Energie in Kugelmühlen gestartet und aufrechterhalten werden.<span><sup>18</sup></span> Bei diesen Festkörperreaktionen wird die Zugabe von Lösemitteln überflüssig. Dies führt, unter anderem, zur Überwindung von Löslichkeitsproblemen sowie zu kurzen Reaktionszeiten und zur einfachen Skalierbarkeit von Reaktionen.<span><sup>19, 20</sup></span> Bisher wurden mechanochemische Ansätze erfolgreich zur Modifikation von unterschiedlichen kohlenstoffhaltigen Materialien wie Kohlenstoffnanoröhren (CNTs),<span><sup>21</sup></span> (aktiviertem) Kohlenstoff<span><sup>22</sup></span> oder Graphit/Graphen<span><sup>23</sup></span> eingesetzt. Bezüglich CNTs beschränkten sie sich hauptsächlich auf die Reduzierung der Nanoröhrenlänge.<span><sup>24</sup></span> Zudem wurden auch bestimmte funktionelle Gruppen eingeführt, jedoch nicht mit dem Ziel die SWCNT-Fluoreszenz zu erhalten und anzupassen.<span><sup>25</sup></span> Nach unserem Wissen existiert bislang keine Methode, um sp<sup>3</sup>-Quantendefekte mechanochemisch mit dem Maß an Kontrolle (1–10 Defekte in 100.000 Kohlenstoffatomen)<span><sup>13</sup></span> einzuführen, welches entscheidend ist, um die fluoreszenten Eigenschaften der SWCNT aufrechtzuerhalten.</p><p>Wir präsentieren hier den ersten mechanochemischen Ansatz zur Einführung von sp<sup>3</sup>-Quantendefekten in fluoreszierenden SWCNTs unter Festkörperbedingungen. Wir zeigen wie unterschiedliche i) Mahlzeiten, ii) Kugelgrößen und iii) die Zugabe von Wasser die Funktionalisierung der SWCNT sowie die Kontrollierbarkeit beeinflussen. Um den Einfluss des mechanochemischen Energieeintrags zu bestätigen, wurde Resonanz-Akustisches Mischen (RAM) als alternatives mechanochemisches Verfahren angewandt.</p><p>Für die mechanochemische Einführung von sp<sup>3</sup>-Quantendefekten wurden (6,5)-angereicherte CoMoCAT-SWCNTs (0.5 mg, 4.73×10<sup>−10</sup> mol) mit Aryldiazoniumtetrafluoroborat-Salzen (R: NO<sub>2</sub> mit 1.12 mg, 4.73×10<sup>−6</sup> mol; R: OMe mit 1.05 mg, 4.73×10<sup>−6</sup> mol) in einer MM400 Schwingmühle bei 30 Hz gemahlen (Figure 1a). Für unsere ersten Experimente wurde ein Mahlbecher mit einem 14 mL-Volumen und Mahlkugeln bestehend aus Polymeren verwendet. Um eine ausreichende Füllung des Bechers und ein angemessenes Verhältnis von Kugeln zu Pulver zu gewährleisten,<span><sup>26</sup></span> wurde Natriumchlorid als Füllmaterial verwendet. Anschließend wurden die SWCNTs mit einer Tensidlösung und anschließender Ultraschallbehandlung mit einer Becher-Sonotrode suspendiert. Hier wurde Natriumdodecylbenzensulfonat (<i>sodium dodecyl benzenesulfonate</i>, SDBS) aufgrund seiner bewährten Kompatibilität mit dieser Reaktion ausgewählt.<span><sup>9, 27</sup></span> Um die Defektdichte der CCNTs zu analysieren, nutzten wir sowohl NIRFluoreszenz als auch Raman-Spektren (Figure 1b), da eine kontrollierte Einführung von Defekten zu einer neuen Fluoreszenz-Emission E<sub>11</sub>* führt, ebenso wie zu einer erhöhten D-Bande im Raman-Spektrum.<span><sup>14</sup></span> Bei einer unkontrollierten Funktionalisierung kommt es zwar zu einem weiteren Anstieg der D-Bande, allerdings würden beide Emissionen im Fluoreszenzspektrum (E<sub>11</sub>, E<sub>11</sub>*) gequencht werden und schließlich verschwinden.\n</p><p>Zunächst untersuchten wir den Einfluss des mechanochemischen Energieeintrags auf die Funktionalisierung, indem wir die Mahldauer variierten (Figure 2). Nach 5-minütigem Mahlen beobachteten wir einen Anstieg der defektassoziierten E<sub>11</sub>*-Emission (Figure 2b, Figure S2) sowie der D-Bande im Raman-Spektrum (Figure S14). Anregungs-Emissions-Spektren (Figure 2c) ermöglichten die Korrelation zwischen den neuen Emissionen und dem jeweiligen E<sub>11</sub>-Merkmal der (6,5)- und (6,4)-Chiralität (Figure S5). Ein verlängertes Mahlen (60 min) führte zu einer höheren Defektdichte (5 min: D/G=0.078, 60 min: D/G=0.172), quenchte jedoch die Fluoreszenz der SWCNTs (Figure 2b). Zudem wurde die 5-minütige Mahldauer geprüft durch die Anwendung weiterer Zeiten (2 min, 20 min, siehe Hintergrundinformationen 3.2.). Wir beobachteten zunächst einen Anstieg der E<sub>11</sub>*-Emission bis 5 min, jedoch eine Abnahme der Fluoreszenz bei andauerndem Mahlen (Figure S19). Die Raman-Spektren (Figure S20) bestätigten die Ergebnisse der Fluoreszenzmessungen, wobei eine erhöhte Defektdichte durch längeres Mahlen zu einer Reduzierung der SWCNT-Fluoreszenz führt. Um den mechanochemischen Einfluss zu ermitteln, verglichen wir anschließend die Funktionalisierung mit einem ungemahlenen Reaktionsansatz, bei dem alle Reaktanten lediglich von Hand gemischt wurden. Da die Reaktion in einer wässrigen Umgebung während der Aufarbeitung schnell abläuft, zeigte die ungemahlene Reaktion eine leicht erhöhte E<sub>11</sub>*-Emission (Figure 2b) im Vergleich zur reinen SWCNT-Referenz (Figure S2). Dennoch zeigte sich deutlich, dass die Defektdichte aufgrund des mechanochemischen Einflusses erhöht wird.\n</p><p>Um zu untersuchen, ob eine ausreichende Durchmischung oder der Energieeintrag zur Einführung von Quantendefekten führt, wurden im Folgenden der Durchmesser der Mahlkugeln (10 mm, 5 mm, 3 mm), die Anzahl der Mahlkugeln (#34, #5, #1), und das Mahlbechervolumen (V1: 14 mL, V2: 2 mL) variiert (Figure 3). Um eine Vergleichbarkeit zu gewährleisten, wurden die Größe und Anzahl der Kugeln auf ihre Masse normiert, sodass sich lediglich die Oberfläche der Kugeln ändert. Im Allgemeinen führt ein kleinerer Kugeldurchmesser zur besseren Durchmischung, während ein größerer Kugeldurchmesser während des Mahlens höhere Energien einträgt.<span><sup>26, 28</sup></span> Für alle verwendeten Kugelgrößen war die Einführung von Quantendefekten erfolgreich, da die E<sub>11</sub>*-Fluoreszenz während der mechanochemischen Reaktion anstieg (Figure 3b). Durch die Verwendung einer Kugel mit 10 mm-Durchmesser wurde die Reaktion und deren Kontrolle vorteilhaft beeinflusst und das höchste E<sub>11</sub>*/E<sub>11</sub>-Verhältnis erreicht. Interessanterweise führten die verschiedenen mechanochemischen Energieeinträge zu unterschiedlichen Ergebnissen. Während kleinere Kugeldurchmesser einzelne Quantendefekte erzeugen, erreicht der energiereichere Kugelaufprall vermutlich höhere Defektdichten. Die Berechnung der Kollisionsenergie<span><sup>29</sup></span> zwischen einer Kugeln mit variierendem Durchmesser und den Reaktanden weißt ebenfalls darauf hin, dass die Energie ausreichend hoch sein muss (E<sub>impact</sub> für 10 mm-Kugel=18.6 mJ), um die Defektdichte zu erhöhen (siehe Hintergrundinformationen 3.3.). Übereinstimmend mit der Fluoreszenz wurde für die 10 mm-Kugel eine erhöhte D-Bande im Raman-Spektrum gemessen (Figure 3c, D/G=0.078) im Vergleich zur ungemahlenen Referenz, wohingegen für die Kugeldurchmesser von 3 mm und 5 mm keine signifikanten Veränderungen beobachtet wurden. Um zu untersuchen, wie das Füllmaterial den Energieeintrag beeinflusst, wiederholten wir die Funktionalisierung in einem 2 mL-Mahlbecher mit einer 5 mm-Durchmesser Kugel und einer reduzierten NaCl-Menge (0.2 g). Im Gegensatz zu der Reaktion mit einer 10 mm-Kugel im 14 mL-Mahlbecher wurde hier vergleichsweise ein hohes D/G-Verhältnis (Figure 3c) in Kombination mit einer niedrigen defektbezogenen Fluoreszenz erreicht (Figure 3b). Dies könnte auf eine Beeinträchtigung der SWCNT-Struktur aufgrund einer Überfunktionalisierung mit sp<sup>3</sup>-Defekten hindeuten. Eine andere Erklärung wäre der Einbau von nichtfluoreszierenden Defekttypen durch hohen Energieeintrag der Kugel, da eine Variation des Bechervolumens mit einer Veränderung der Kugelbewegung und daher unterschiedlicher mechanischen Einwirkung (Stoß vs. Reibung) einhergeht.<span><sup>29, 30</sup></span> Basierend auf der erhöhten Kontrolle über die Defektdichte wählten wir eine 10 mm-Kugel in einem 14 mL-Mahlbecher für die weiteren Experimente aus.\n</p><p>Durch Veränderung der Rheologie des Reaktionsgemisches lassen sich mechanochemische Reaktionen weiter optimieren. Üblicherweise wird hierzu dem Mahlbecher ein geringes Volumen Lösungsmittel hinzugefügt.<span><sup>31, 32</sup></span> Da SWCNTs in wässrigen Lösungen fluoreszent sind, führten wir die Reaktion anschließend mit einer kleinen Menge an Wasser (200 μL, η=0.1 μL mg<sup>−1</sup> bezogen auf die Masse der Feststoffe, Figure 4) durch. Verglichen mit der im festen Zustand gemahlenen Reaktion (5 min), wurde die SWCNT-Fluoreszenz sowohl nach 5 min als auch nach 60 min Mahlen mit Wasser gequencht (Figure 4b). Dabei war die D-Bande in den entsprechenden Raman-Spektren stark erhöht (Figure 4d), was zu höheren D/G-Verhältnissen führt und auf eine hohe Defektdichte hindeutet. Während dieser Grad der Funktionalisierung für mechanische oder elektrische Anwendungen nützlich sein könnte, zerstört er jedoch die Fluoreszenz der SWCNTs, weshalb eine präzise Kontrolle der Defektanzahl von entscheidender Bedeutung ist.\n</p><p>Um zu beurteilen, welche Funktionalisierung Defekte hervorruft, wurden verschiedene Kontrollreaktionen durchgeführt (Figure 4c). Nach dem Mahlen von SWCNTs und NaCl unter Stickstoffatmosphäre (Figure S6 and S7) deuteten weder die Fluoreszenz- noch die Raman-Spektren auf die mechanochemische Einführung von (sp<sup>3</sup>-) Defekten hin. Dies bestätigt, dass einfaches Mahlen die fluoreszenten Eigenschaften nicht beeinflusste. Um den Einfluss von Sauerstoff und Wasser auszuschließen, wiederholten wir <i>i)</i> die Reaktion unter Umgebungsatmosphäre und <i>ii)</i> fügten Wasser als Additiv hinzu (Figure S6 and S7). Für beide Reaktionen zeigten weder die Fluoreszenz- noch die Raman-Spektren einen signifikanten Unterschied zu den reinen SWCNTs (Figure S2 and S3). Daraus schließen wir, dass die Einführung von sp<sup>3</sup>-Quantendefekten auf der mechanochemischen Reaktion der SWCNTs mit Aryldiazoniumtetrafluoroborat-Salzen beruht. Ungemahlene Ansätze mit zugefügtem Wasser (Figure S31) zeigten, dass die Funktionalisierung hier bereits ohne mechanochemische Einwirkung stattfindet, was vermutlich auf die hohe Diazoniumsalzkonzentration zurückzuführen ist. Das Mahlen dieser Ansätze für weitere 5 min oder 60 min führte zur weiteren, schwer kontrollierbaren Zunahme der Quantendefektdichte. Dies kann für andere Anwendungen nützlich sein, nicht aber für Fluoreszenzanwendungen, da wiederum das Quenching der Fluoreszenz auftrat. Zusammenfassend ist es für die kontrollierte mechanochemische Funktionalisierung von SWCNTs mit Quantendefekten entscheidend, <i>i)</i> unter wasserfreien Festkörperbedingungen zu arbeiten und <i>ii)</i> den Energieeintrag anzupassen, was die Stärken der Mechanochemie perfekt ausspielt.</p><p>Insbesondere der gewählte elektronenarme Reaktant 4-Nitrobenzendiazoniumtetrafluoroborat erwies sich als besonders geeignet für die kontrollierte mechanochemische Einführung von Quantendefekten. Die Reaktion von 4-Methoxybenzendiazoniumtetrafluoroborat mit seiner elektronenschiebenden Gruppe als alternativer Reaktant zeigte aufgrund höherer Reaktivität eine eher unkontrollierte Einführung von Defekten (siehe Hintergrundinformationen 3.5.). Dies lässt sich durch den Einfluss des Füllmaterials (NaCl) auf die Reaktivität des Diazoniumsalzes während der mechanochemischen Reaktion zurückführen.<span><sup>33</sup></span> Es findet ein Anionenaustausch des Chloridions mit dem Tetrafluoroborat-Gegenion statt. Das Resultat ist ein Gleichgewicht mit der kovalent-gebundenen Spezies, welche für das 4-Nitroderivat bevorzugt ist (Figure S38). Die Verwendung von NaCl hat daher einen wichtigen Einfluss auf die kontrollierte Einführung von Quantendefekten durch Mechanochemie. Um qualitative Veränderungen der SWCNT-Länge durch das Mahlen zu untersuchen, charakterisierten wir unsere Proben mit Hilfe von dynamischer Lichtstreuung (<i>dynamic light scattering</i>, DLS, Figure S47 und S48). Insgesamt führten unterschiedliche Mahlzeiten und die Zugabe von Wasser zu einer Verkürzung der SWCNT-Länge.</p><p>Um die Bedeutung des mechanochemischen Energieeintrags für die Funktionalisierung zu verdeutlichen, nutzten wir Resonanz-Akustisches Mischen (<i>resonant acoustic mixing</i>, RAM) als alternatives Reaktorkonzept. Ziel war nicht die weitere Verfahrensentwicklung, sondern vielmehr eine zusätzliche Kontrollreaktion. Im Vergleich zum konventionellen Mahlen mit Kugeln wird hier kein Mahlmedium genutzt, sondern die Durchmischung durch schnelle Bewegungen ermöglicht. Dadurch werden mechanische Belastungen und lokalisierte, hohe Energieeinträge durch Mahlkugeln vermieden (Figure 5).<span><sup>20, 32, 34</sup></span> Ein Mischen von 5 min und 60 min bei 90 g führten zu keiner Zunahme der E<sub>11</sub>*-Fluoreszenz und des D/G-Verhältnisses im Vergleich zur ungemahlenen Referenz (Figure 5b, c). Eine Erklärung wäre, dass der Energieeintrag nicht ausreicht, um die Aktivierungsenergie für Reaktion der beiden Reaktanten zu überwinden. Außerdem könnte sich das Diazoniumsalz bei längerem Mischen zersetzen. Diese Kontrollreaktion verdeutlicht, wie maßgeblich der mechanische Einfluss der Mahlkugeln ist, um die Funktionalisierung über den mechanochemischen Weg zu initiieren und fortzuführen. Zur Überprüfung dieser Hypothese fügten wir der Reaktion im RAM eine Kugel mit 10 mm-Durchmesser hinzu (Figure 5b, c). Hier beobachteten wir innerhalb von 5 min eine Einführung von sp<sup>3</sup>-Quantendefekten durch mechanische Einwirkung.\n</p><p>Zusammenfassend haben wir eine einfache mechanochemische Methode zur kontrollierten Einführung von sp<sup>3</sup>-Quantendefekten in fluoreszierende SWCNTs durch Verwendung von Aryldiazoniumtetrafluoroborat-Salzen entwickelt. Diese Methode ermöglicht es, extrem niedrige sp<sup>3</sup>-Defektdichten mit der chemischen Kontrolle zu erzeugen, die erforderlich ist, um die intrinsische Fluoreszenz der SWCNTs nicht zu zerstören. Eine Variation der Mahlbedingungen bestätigte, dass die mechanische Einwirkung durch Mahlkugeln entscheidend ist, um die Funktionalisierung zu initiieren und zu steuern. Die Funktionalisierung erfolgt innerhalb von 5 Minuten in einer Schwingmühle, und die Defektdichte kann weiter durch Variation der Kugeloberfläche angepasst werden. In unserer Studie führte eine verlängerte Mahldauer zum Verlust der Fluoreszenz, während Techniken ohne Mahlmedium einen unzureichenden Energieeintrag boten, um die Reaktion zu starten. Infolgedessen erwiesen sich die Festkörperbedingungen während der mechanochemischen Reaktion als entscheidend für die kontrollierte Einführung von Defekten und begünstigen darüber hinaus die Realisierbarkeit in größerem Maßstab, da konzentrationsabhängige Inhomogenitäten während der konventionellen mittels Licht durchgeführten Aktivierung überwunden werden können. Insgesamt liefert unsere Studie die Grundlage für mechanochemische Reaktionen als vielversprechende Alternative für die Funktionalisierung von fluoreszierenden SWCNTs mit sp<sup>3</sup>-Quantendefekten. So funktionalisierte SWCNTs sind vielversprechend für Anwendungen von Biosensorik über Photonik bis hin zu NIREinzelphotonenquellen für Quanteninformationstechnik.</p><p>Die Autoren haben zusätzliche Referenzen im ergänzenden Informationsmaterial angegeben (Ref. [35]).</p><p>Die Autoren erklären, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.</p>","PeriodicalId":7803,"journal":{"name":"Angewandte Chemie","volume":"137 10","pages":""},"PeriodicalIF":0.0000,"publicationDate":"2025-01-21","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"https://onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.1002/ange.202421021","citationCount":"0","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"Angewandte Chemie","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/ange.202421021","RegionNum":0,"RegionCategory":null,"ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"","JCRName":"","Score":null,"Total":0}
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Abstract
Kohlenstoffnanomaterialien sind vielversprechend für eine Vielzahl von Anwendungen.1 Ihre optoelektronischen Eigenschaften hängen von ihrer Struktur ab. Entsprechend kann die kontrollierte Modifikation genutzt werden, um diese anzupassen. Einwandige Kohlenstoffnanoröhren (single-walled carbon nanotubes, SWCNTs) sind besonders interessant, da sie eine intrinsische Fluoreszenz im nahen Infrarot (NIR) Bereich des Spektrums besitzen.2 Die Fluoreszenz von SWCNTs hängt von ihrer Chiralität ab, die die Struktur eines SWCNT beschreibt und daher mit ihrer Bandlücke korreliert werden kann.2 SWCNTs sind photostabil und ihre Fluoreszenz ist empfindlich gegenüber der chemischen Umgebung.3 Dies macht SWCNTs geeignet für die Grundlagenforschung sowie Anwendungen in der molekularen Bildgebung,4 Sensorik5 und Photovoltaik.6 Um die optoelektronischen Eigenschaften von SWCNTs für diese Anwendungen anzupassen, wurden verschiedene Strategien entwickelt.7, 8-10 Ein prominentes Beispiel ist die Funktionalisierung mit sp3-Quantendefekten, auch bekannt als (organische) Farbzentren (organic color centers, OCCs), um Farbzentrum-Nanoröhren (color center nanotubes, CCNTs) zu erhalten.11, 12 Die kontrollierte Einführung solcher Defekte im sp2-Gitter der SWCNT führt zu neuen elektronischen Zuständen, die eine zusätzliche rotverschobene Emission (E11*) verursachen.11, 13-15 Bei der Einführung einzelner Defekte (etwa 5–10 Defekte pro Mikrometer) bleiben SWCNTs fluoreszierend.13, 14 Eine übermäßige Funktionalisierung des Gitters führt jedoch zu einem Verlust der SWCNT-Fluoreszenz, da die (elektronische) Struktur der SWCNT beeinträchtigt wird.8, 16 Abhängig von der SWCNT-Probe (wässrige bzw. organische Lösungsmittel, oder auf einer Oberfläche abgeschieden) existieren verschiedene synthetische Routen, um lumineszente Defekte zu generieren.10, 17 Für Anwendungen in der Biosensorik sind Methoden, die mit wässrigen Umgebungen kompatibel sind, besonders interessant. Diese erfordern jedoch eine geeignete Beschichtung der Oberfläche, um die hochhydrophoben SWCNTs zu solubilisieren. Gängig ist eine Einführung von Quantendefekten mittels Aryldiazoniumsalzen, oder über nukleophile Addition mit 2-Haloanilinen in Anwesenheit starker organischer Basen. Aufgrund der Kontrollierbarkeit sowie der vorteilhaften Reaktionskinetik steht der synthetische Ansatz mit Aryldiazoniumsalzen derzeit im Fokus.8
Um weitere Fortschritte auf diesem Gebiet zu erzielen, sind neue Verfahren erforderlich, die ohne Tensidbeschichtungen auskommen. Hier eröffnet eine Kombination aus unterschiedlichen Feldern neue Perspektiven. Mechanochemie ist ein nachhaltiger Zweig der Chemie, in welcher chemische Reaktionen durch mechanischen Energie in Kugelmühlen gestartet und aufrechterhalten werden.18 Bei diesen Festkörperreaktionen wird die Zugabe von Lösemitteln überflüssig. Dies führt, unter anderem, zur Überwindung von Löslichkeitsproblemen sowie zu kurzen Reaktionszeiten und zur einfachen Skalierbarkeit von Reaktionen.19, 20 Bisher wurden mechanochemische Ansätze erfolgreich zur Modifikation von unterschiedlichen kohlenstoffhaltigen Materialien wie Kohlenstoffnanoröhren (CNTs),21 (aktiviertem) Kohlenstoff22 oder Graphit/Graphen23 eingesetzt. Bezüglich CNTs beschränkten sie sich hauptsächlich auf die Reduzierung der Nanoröhrenlänge.24 Zudem wurden auch bestimmte funktionelle Gruppen eingeführt, jedoch nicht mit dem Ziel die SWCNT-Fluoreszenz zu erhalten und anzupassen.25 Nach unserem Wissen existiert bislang keine Methode, um sp3-Quantendefekte mechanochemisch mit dem Maß an Kontrolle (1–10 Defekte in 100.000 Kohlenstoffatomen)13 einzuführen, welches entscheidend ist, um die fluoreszenten Eigenschaften der SWCNT aufrechtzuerhalten.
Wir präsentieren hier den ersten mechanochemischen Ansatz zur Einführung von sp3-Quantendefekten in fluoreszierenden SWCNTs unter Festkörperbedingungen. Wir zeigen wie unterschiedliche i) Mahlzeiten, ii) Kugelgrößen und iii) die Zugabe von Wasser die Funktionalisierung der SWCNT sowie die Kontrollierbarkeit beeinflussen. Um den Einfluss des mechanochemischen Energieeintrags zu bestätigen, wurde Resonanz-Akustisches Mischen (RAM) als alternatives mechanochemisches Verfahren angewandt.
Für die mechanochemische Einführung von sp3-Quantendefekten wurden (6,5)-angereicherte CoMoCAT-SWCNTs (0.5 mg, 4.73×10−10 mol) mit Aryldiazoniumtetrafluoroborat-Salzen (R: NO2 mit 1.12 mg, 4.73×10−6 mol; R: OMe mit 1.05 mg, 4.73×10−6 mol) in einer MM400 Schwingmühle bei 30 Hz gemahlen (Figure 1a). Für unsere ersten Experimente wurde ein Mahlbecher mit einem 14 mL-Volumen und Mahlkugeln bestehend aus Polymeren verwendet. Um eine ausreichende Füllung des Bechers und ein angemessenes Verhältnis von Kugeln zu Pulver zu gewährleisten,26 wurde Natriumchlorid als Füllmaterial verwendet. Anschließend wurden die SWCNTs mit einer Tensidlösung und anschließender Ultraschallbehandlung mit einer Becher-Sonotrode suspendiert. Hier wurde Natriumdodecylbenzensulfonat (sodium dodecyl benzenesulfonate, SDBS) aufgrund seiner bewährten Kompatibilität mit dieser Reaktion ausgewählt.9, 27 Um die Defektdichte der CCNTs zu analysieren, nutzten wir sowohl NIRFluoreszenz als auch Raman-Spektren (Figure 1b), da eine kontrollierte Einführung von Defekten zu einer neuen Fluoreszenz-Emission E11* führt, ebenso wie zu einer erhöhten D-Bande im Raman-Spektrum.14 Bei einer unkontrollierten Funktionalisierung kommt es zwar zu einem weiteren Anstieg der D-Bande, allerdings würden beide Emissionen im Fluoreszenzspektrum (E11, E11*) gequencht werden und schließlich verschwinden.
Zunächst untersuchten wir den Einfluss des mechanochemischen Energieeintrags auf die Funktionalisierung, indem wir die Mahldauer variierten (Figure 2). Nach 5-minütigem Mahlen beobachteten wir einen Anstieg der defektassoziierten E11*-Emission (Figure 2b, Figure S2) sowie der D-Bande im Raman-Spektrum (Figure S14). Anregungs-Emissions-Spektren (Figure 2c) ermöglichten die Korrelation zwischen den neuen Emissionen und dem jeweiligen E11-Merkmal der (6,5)- und (6,4)-Chiralität (Figure S5). Ein verlängertes Mahlen (60 min) führte zu einer höheren Defektdichte (5 min: D/G=0.078, 60 min: D/G=0.172), quenchte jedoch die Fluoreszenz der SWCNTs (Figure 2b). Zudem wurde die 5-minütige Mahldauer geprüft durch die Anwendung weiterer Zeiten (2 min, 20 min, siehe Hintergrundinformationen 3.2.). Wir beobachteten zunächst einen Anstieg der E11*-Emission bis 5 min, jedoch eine Abnahme der Fluoreszenz bei andauerndem Mahlen (Figure S19). Die Raman-Spektren (Figure S20) bestätigten die Ergebnisse der Fluoreszenzmessungen, wobei eine erhöhte Defektdichte durch längeres Mahlen zu einer Reduzierung der SWCNT-Fluoreszenz führt. Um den mechanochemischen Einfluss zu ermitteln, verglichen wir anschließend die Funktionalisierung mit einem ungemahlenen Reaktionsansatz, bei dem alle Reaktanten lediglich von Hand gemischt wurden. Da die Reaktion in einer wässrigen Umgebung während der Aufarbeitung schnell abläuft, zeigte die ungemahlene Reaktion eine leicht erhöhte E11*-Emission (Figure 2b) im Vergleich zur reinen SWCNT-Referenz (Figure S2). Dennoch zeigte sich deutlich, dass die Defektdichte aufgrund des mechanochemischen Einflusses erhöht wird.
Um zu untersuchen, ob eine ausreichende Durchmischung oder der Energieeintrag zur Einführung von Quantendefekten führt, wurden im Folgenden der Durchmesser der Mahlkugeln (10 mm, 5 mm, 3 mm), die Anzahl der Mahlkugeln (#34, #5, #1), und das Mahlbechervolumen (V1: 14 mL, V2: 2 mL) variiert (Figure 3). Um eine Vergleichbarkeit zu gewährleisten, wurden die Größe und Anzahl der Kugeln auf ihre Masse normiert, sodass sich lediglich die Oberfläche der Kugeln ändert. Im Allgemeinen führt ein kleinerer Kugeldurchmesser zur besseren Durchmischung, während ein größerer Kugeldurchmesser während des Mahlens höhere Energien einträgt.26, 28 Für alle verwendeten Kugelgrößen war die Einführung von Quantendefekten erfolgreich, da die E11*-Fluoreszenz während der mechanochemischen Reaktion anstieg (Figure 3b). Durch die Verwendung einer Kugel mit 10 mm-Durchmesser wurde die Reaktion und deren Kontrolle vorteilhaft beeinflusst und das höchste E11*/E11-Verhältnis erreicht. Interessanterweise führten die verschiedenen mechanochemischen Energieeinträge zu unterschiedlichen Ergebnissen. Während kleinere Kugeldurchmesser einzelne Quantendefekte erzeugen, erreicht der energiereichere Kugelaufprall vermutlich höhere Defektdichten. Die Berechnung der Kollisionsenergie29 zwischen einer Kugeln mit variierendem Durchmesser und den Reaktanden weißt ebenfalls darauf hin, dass die Energie ausreichend hoch sein muss (Eimpact für 10 mm-Kugel=18.6 mJ), um die Defektdichte zu erhöhen (siehe Hintergrundinformationen 3.3.). Übereinstimmend mit der Fluoreszenz wurde für die 10 mm-Kugel eine erhöhte D-Bande im Raman-Spektrum gemessen (Figure 3c, D/G=0.078) im Vergleich zur ungemahlenen Referenz, wohingegen für die Kugeldurchmesser von 3 mm und 5 mm keine signifikanten Veränderungen beobachtet wurden. Um zu untersuchen, wie das Füllmaterial den Energieeintrag beeinflusst, wiederholten wir die Funktionalisierung in einem 2 mL-Mahlbecher mit einer 5 mm-Durchmesser Kugel und einer reduzierten NaCl-Menge (0.2 g). Im Gegensatz zu der Reaktion mit einer 10 mm-Kugel im 14 mL-Mahlbecher wurde hier vergleichsweise ein hohes D/G-Verhältnis (Figure 3c) in Kombination mit einer niedrigen defektbezogenen Fluoreszenz erreicht (Figure 3b). Dies könnte auf eine Beeinträchtigung der SWCNT-Struktur aufgrund einer Überfunktionalisierung mit sp3-Defekten hindeuten. Eine andere Erklärung wäre der Einbau von nichtfluoreszierenden Defekttypen durch hohen Energieeintrag der Kugel, da eine Variation des Bechervolumens mit einer Veränderung der Kugelbewegung und daher unterschiedlicher mechanischen Einwirkung (Stoß vs. Reibung) einhergeht.29, 30 Basierend auf der erhöhten Kontrolle über die Defektdichte wählten wir eine 10 mm-Kugel in einem 14 mL-Mahlbecher für die weiteren Experimente aus.
Durch Veränderung der Rheologie des Reaktionsgemisches lassen sich mechanochemische Reaktionen weiter optimieren. Üblicherweise wird hierzu dem Mahlbecher ein geringes Volumen Lösungsmittel hinzugefügt.31, 32 Da SWCNTs in wässrigen Lösungen fluoreszent sind, führten wir die Reaktion anschließend mit einer kleinen Menge an Wasser (200 μL, η=0.1 μL mg−1 bezogen auf die Masse der Feststoffe, Figure 4) durch. Verglichen mit der im festen Zustand gemahlenen Reaktion (5 min), wurde die SWCNT-Fluoreszenz sowohl nach 5 min als auch nach 60 min Mahlen mit Wasser gequencht (Figure 4b). Dabei war die D-Bande in den entsprechenden Raman-Spektren stark erhöht (Figure 4d), was zu höheren D/G-Verhältnissen führt und auf eine hohe Defektdichte hindeutet. Während dieser Grad der Funktionalisierung für mechanische oder elektrische Anwendungen nützlich sein könnte, zerstört er jedoch die Fluoreszenz der SWCNTs, weshalb eine präzise Kontrolle der Defektanzahl von entscheidender Bedeutung ist.
Um zu beurteilen, welche Funktionalisierung Defekte hervorruft, wurden verschiedene Kontrollreaktionen durchgeführt (Figure 4c). Nach dem Mahlen von SWCNTs und NaCl unter Stickstoffatmosphäre (Figure S6 and S7) deuteten weder die Fluoreszenz- noch die Raman-Spektren auf die mechanochemische Einführung von (sp3-) Defekten hin. Dies bestätigt, dass einfaches Mahlen die fluoreszenten Eigenschaften nicht beeinflusste. Um den Einfluss von Sauerstoff und Wasser auszuschließen, wiederholten wir i) die Reaktion unter Umgebungsatmosphäre und ii) fügten Wasser als Additiv hinzu (Figure S6 and S7). Für beide Reaktionen zeigten weder die Fluoreszenz- noch die Raman-Spektren einen signifikanten Unterschied zu den reinen SWCNTs (Figure S2 and S3). Daraus schließen wir, dass die Einführung von sp3-Quantendefekten auf der mechanochemischen Reaktion der SWCNTs mit Aryldiazoniumtetrafluoroborat-Salzen beruht. Ungemahlene Ansätze mit zugefügtem Wasser (Figure S31) zeigten, dass die Funktionalisierung hier bereits ohne mechanochemische Einwirkung stattfindet, was vermutlich auf die hohe Diazoniumsalzkonzentration zurückzuführen ist. Das Mahlen dieser Ansätze für weitere 5 min oder 60 min führte zur weiteren, schwer kontrollierbaren Zunahme der Quantendefektdichte. Dies kann für andere Anwendungen nützlich sein, nicht aber für Fluoreszenzanwendungen, da wiederum das Quenching der Fluoreszenz auftrat. Zusammenfassend ist es für die kontrollierte mechanochemische Funktionalisierung von SWCNTs mit Quantendefekten entscheidend, i) unter wasserfreien Festkörperbedingungen zu arbeiten und ii) den Energieeintrag anzupassen, was die Stärken der Mechanochemie perfekt ausspielt.
Insbesondere der gewählte elektronenarme Reaktant 4-Nitrobenzendiazoniumtetrafluoroborat erwies sich als besonders geeignet für die kontrollierte mechanochemische Einführung von Quantendefekten. Die Reaktion von 4-Methoxybenzendiazoniumtetrafluoroborat mit seiner elektronenschiebenden Gruppe als alternativer Reaktant zeigte aufgrund höherer Reaktivität eine eher unkontrollierte Einführung von Defekten (siehe Hintergrundinformationen 3.5.). Dies lässt sich durch den Einfluss des Füllmaterials (NaCl) auf die Reaktivität des Diazoniumsalzes während der mechanochemischen Reaktion zurückführen.33 Es findet ein Anionenaustausch des Chloridions mit dem Tetrafluoroborat-Gegenion statt. Das Resultat ist ein Gleichgewicht mit der kovalent-gebundenen Spezies, welche für das 4-Nitroderivat bevorzugt ist (Figure S38). Die Verwendung von NaCl hat daher einen wichtigen Einfluss auf die kontrollierte Einführung von Quantendefekten durch Mechanochemie. Um qualitative Veränderungen der SWCNT-Länge durch das Mahlen zu untersuchen, charakterisierten wir unsere Proben mit Hilfe von dynamischer Lichtstreuung (dynamic light scattering, DLS, Figure S47 und S48). Insgesamt führten unterschiedliche Mahlzeiten und die Zugabe von Wasser zu einer Verkürzung der SWCNT-Länge.
Um die Bedeutung des mechanochemischen Energieeintrags für die Funktionalisierung zu verdeutlichen, nutzten wir Resonanz-Akustisches Mischen (resonant acoustic mixing, RAM) als alternatives Reaktorkonzept. Ziel war nicht die weitere Verfahrensentwicklung, sondern vielmehr eine zusätzliche Kontrollreaktion. Im Vergleich zum konventionellen Mahlen mit Kugeln wird hier kein Mahlmedium genutzt, sondern die Durchmischung durch schnelle Bewegungen ermöglicht. Dadurch werden mechanische Belastungen und lokalisierte, hohe Energieeinträge durch Mahlkugeln vermieden (Figure 5).20, 32, 34 Ein Mischen von 5 min und 60 min bei 90 g führten zu keiner Zunahme der E11*-Fluoreszenz und des D/G-Verhältnisses im Vergleich zur ungemahlenen Referenz (Figure 5b, c). Eine Erklärung wäre, dass der Energieeintrag nicht ausreicht, um die Aktivierungsenergie für Reaktion der beiden Reaktanten zu überwinden. Außerdem könnte sich das Diazoniumsalz bei längerem Mischen zersetzen. Diese Kontrollreaktion verdeutlicht, wie maßgeblich der mechanische Einfluss der Mahlkugeln ist, um die Funktionalisierung über den mechanochemischen Weg zu initiieren und fortzuführen. Zur Überprüfung dieser Hypothese fügten wir der Reaktion im RAM eine Kugel mit 10 mm-Durchmesser hinzu (Figure 5b, c). Hier beobachteten wir innerhalb von 5 min eine Einführung von sp3-Quantendefekten durch mechanische Einwirkung.
Zusammenfassend haben wir eine einfache mechanochemische Methode zur kontrollierten Einführung von sp3-Quantendefekten in fluoreszierende SWCNTs durch Verwendung von Aryldiazoniumtetrafluoroborat-Salzen entwickelt. Diese Methode ermöglicht es, extrem niedrige sp3-Defektdichten mit der chemischen Kontrolle zu erzeugen, die erforderlich ist, um die intrinsische Fluoreszenz der SWCNTs nicht zu zerstören. Eine Variation der Mahlbedingungen bestätigte, dass die mechanische Einwirkung durch Mahlkugeln entscheidend ist, um die Funktionalisierung zu initiieren und zu steuern. Die Funktionalisierung erfolgt innerhalb von 5 Minuten in einer Schwingmühle, und die Defektdichte kann weiter durch Variation der Kugeloberfläche angepasst werden. In unserer Studie führte eine verlängerte Mahldauer zum Verlust der Fluoreszenz, während Techniken ohne Mahlmedium einen unzureichenden Energieeintrag boten, um die Reaktion zu starten. Infolgedessen erwiesen sich die Festkörperbedingungen während der mechanochemischen Reaktion als entscheidend für die kontrollierte Einführung von Defekten und begünstigen darüber hinaus die Realisierbarkeit in größerem Maßstab, da konzentrationsabhängige Inhomogenitäten während der konventionellen mittels Licht durchgeführten Aktivierung überwunden werden können. Insgesamt liefert unsere Studie die Grundlage für mechanochemische Reaktionen als vielversprechende Alternative für die Funktionalisierung von fluoreszierenden SWCNTs mit sp3-Quantendefekten. So funktionalisierte SWCNTs sind vielversprechend für Anwendungen von Biosensorik über Photonik bis hin zu NIREinzelphotonenquellen für Quanteninformationstechnik.
Die Autoren haben zusätzliche Referenzen im ergänzenden Informationsmaterial angegeben (Ref. [35]).
Die Autoren erklären, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.