{"title":"Der andere Weber in der „Deutschen Geschichte“ Thomas Nipperdeys Rezeption Max Webers als Heuristik des Konflikts","authors":"Johannes Bosch","doi":"10.1515/hzhz-2024-0016","DOIUrl":null,"url":null,"abstract":"Zusammenfassung Scheint Max Weber seit dem Niedergang der Modernisierungstheorie in der Geschichtswissenschaft aus der Mode gekommen, so stellen seine Arbeiten, als Konflikttheorie der Moderne gelesen, weiterhin eine anregende Quelle für eine kulturhistorisch orientierte Geschichtsschreibung dar. Der Artikel untersucht, wie eine solche Lektüre paradigmatisch im historiographischen Werk Thomas Nipperdeys angelegt ist: Entgegen der öffentlichen Wahrnehmung ist Nipperdeys Hauptwerk, die „Deutsche Geschichte“, eine substanziell durch Weber geprägte Arbeit. Allerdings knüpfte Nipperdey nicht an die modernisierungstheoretische Lesart Webers an, wie sie vor allem der amerikanische Strukturfunktionalismus entwarf und wie sie in der Bielefelder Historischen Sozialwissenschaft historiographisch umgesetzt wurde. Stattdessen übernahm er, geprägt durch das Interesse an der Kulturanthropologie, eine Perspektive, die in der deutschen Soziologie der 1970er Jahre entwickelt, in der Geschichtswissenschaft aber wenig beachtet wurde. Nipperdey referiert an zentralen Stellen der „Deutschen Geschichte“ auf Weber und orientiert sich an dessen Modell kulturwissenschaftlicher Erkenntnis. Vor allem aber entnahm er Weber eine Sensibilität für die Widersprüche und Ambivalenzen der modernen Gesellschaft und entwickelte daraus eine Heuristik des Konflikts, die für eine aktuelle Kulturgeschichte nach dem Ende des Modernisierungsoptimismus ein anregendes Beispiel darstellen kann.","PeriodicalId":54171,"journal":{"name":"HISTORISCHE ZEITSCHRIFT","volume":"92 1","pages":""},"PeriodicalIF":0.3000,"publicationDate":"2024-05-31","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":"0","resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":null,"PeriodicalName":"HISTORISCHE ZEITSCHRIFT","FirstCategoryId":"1085","ListUrlMain":"https://doi.org/10.1515/hzhz-2024-0016","RegionNum":3,"RegionCategory":"历史学","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":null,"EPubDate":"","PubModel":"","JCR":"Q2","JCRName":"HISTORY","Score":null,"Total":0}
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Abstract
Zusammenfassung Scheint Max Weber seit dem Niedergang der Modernisierungstheorie in der Geschichtswissenschaft aus der Mode gekommen, so stellen seine Arbeiten, als Konflikttheorie der Moderne gelesen, weiterhin eine anregende Quelle für eine kulturhistorisch orientierte Geschichtsschreibung dar. Der Artikel untersucht, wie eine solche Lektüre paradigmatisch im historiographischen Werk Thomas Nipperdeys angelegt ist: Entgegen der öffentlichen Wahrnehmung ist Nipperdeys Hauptwerk, die „Deutsche Geschichte“, eine substanziell durch Weber geprägte Arbeit. Allerdings knüpfte Nipperdey nicht an die modernisierungstheoretische Lesart Webers an, wie sie vor allem der amerikanische Strukturfunktionalismus entwarf und wie sie in der Bielefelder Historischen Sozialwissenschaft historiographisch umgesetzt wurde. Stattdessen übernahm er, geprägt durch das Interesse an der Kulturanthropologie, eine Perspektive, die in der deutschen Soziologie der 1970er Jahre entwickelt, in der Geschichtswissenschaft aber wenig beachtet wurde. Nipperdey referiert an zentralen Stellen der „Deutschen Geschichte“ auf Weber und orientiert sich an dessen Modell kulturwissenschaftlicher Erkenntnis. Vor allem aber entnahm er Weber eine Sensibilität für die Widersprüche und Ambivalenzen der modernen Gesellschaft und entwickelte daraus eine Heuristik des Konflikts, die für eine aktuelle Kulturgeschichte nach dem Ende des Modernisierungsoptimismus ein anregendes Beispiel darstellen kann.
期刊介绍:
Begründet 1859 von Heinrich von Sybel. Fortgeführt von Friedrich Meinecke und Theodor Schieder. In Verbindung mit Andreas Fahrmeir, Johannes Fried, Hartmut Leppin, Werner Plumpe, Frank Rexroth, Andreas Rödder, Uwe Walter, Gerrit Walther und Eberhard Weis herausgegeben von Lothar Gall unter Mitwirkung von Jürgen Müller und Eckhardt Treichel. Die Historische Zeitschrift (HZ) steht für exzellente deutschsprachige Geschichtswissenschaft. Der Aufsatzteil behandelt Aspekte aus allen Teilbereichen der Geschichtswissenschaft; eine regionale oder epochale Begrenzung gibt es nicht.