Zusammenfassung Die diversen frühneuzeitlichen Fälle gewaltsamer (Raufhändel) und gerichtlicher Ehrverteidigung (Injurienprozesse) sowie der Ehrlichsprechung berufsbedingt unehrlicher oder devianzbedingt ehrloser Personen lassen sich mithilfe entscheidungstheoretischer Analysekategorien vergleichen und damit zusammenführen. Trotz geschlechterspezifisch unterschiedlicher Ehrkonzepte konnten sowohl straffällig gewordene Männer als auch entjungferte Frauen um Ehrrestitution bitten. Beleuchtet werden die Entscheidbarkeit des persönlichen Ehrstatus in verschiedenen Phasen eines Konflikts, seine Entscheidbarmachung, die Entscheidungsressourcen, die Entscheidungsmodi sowie die Entscheidungszeit. So zeigt sich, dass die entsprechende Benennungsmacht der den Ehrstatus Beurteilenden und konkurrierende Normen, die eine Kritik an der vorangegangenen Ehrzuschreibung erlaubten, zu den Entscheidungsressourcen zählten. Entscheidungsmodi konnten obrigkeitlich durchgeführte Verfahren, aber auch Einzelentscheidungen der Mituntertanen sein, die dabei keineswegs entscheidungsfaul erscheinen. Der persönliche Ehrstatus galt in all den Fällen als entscheidbar, in denen es um die auf das individuelle Verhalten bezogene Ehre ging, in der er also über die entsprechende Zeitdimension verfügte. Unter diesen Umständen konnte er durch liminalisierende Temporalisation, Gabentauschpraktiken und das Erzählen von Geschichten erneut entscheidbar gemacht werden.
{"title":"Die Entscheidbarkeit des persönlichen Ehrstatus frühneuzeitlicher Männer und Frauen. Konfliktsfälle im Vergleich","authors":"Florian Zeilinger","doi":"10.1515/hzhz-2024-0019","DOIUrl":"https://doi.org/10.1515/hzhz-2024-0019","url":null,"abstract":"Zusammenfassung Die diversen frühneuzeitlichen Fälle gewaltsamer (Raufhändel) und gerichtlicher Ehrverteidigung (Injurienprozesse) sowie der Ehrlichsprechung berufsbedingt unehrlicher oder devianzbedingt ehrloser Personen lassen sich mithilfe entscheidungstheoretischer Analysekategorien vergleichen und damit zusammenführen. Trotz geschlechterspezifisch unterschiedlicher Ehrkonzepte konnten sowohl straffällig gewordene Männer als auch entjungferte Frauen um Ehrrestitution bitten. Beleuchtet werden die Entscheidbarkeit des persönlichen Ehrstatus in verschiedenen Phasen eines Konflikts, seine Entscheidbarmachung, die Entscheidungsressourcen, die Entscheidungsmodi sowie die Entscheidungszeit. So zeigt sich, dass die entsprechende Benennungsmacht der den Ehrstatus Beurteilenden und konkurrierende Normen, die eine Kritik an der vorangegangenen Ehrzuschreibung erlaubten, zu den Entscheidungsressourcen zählten. Entscheidungsmodi konnten obrigkeitlich durchgeführte Verfahren, aber auch Einzelentscheidungen der Mituntertanen sein, die dabei keineswegs entscheidungsfaul erscheinen. Der persönliche Ehrstatus galt in all den Fällen als entscheidbar, in denen es um die auf das individuelle Verhalten bezogene Ehre ging, in der er also über die entsprechende Zeitdimension verfügte. Unter diesen Umständen konnte er durch liminalisierende Temporalisation, Gabentauschpraktiken und das Erzählen von Geschichten erneut entscheidbar gemacht werden.","PeriodicalId":54171,"journal":{"name":"HISTORISCHE ZEITSCHRIFT","volume":"217 1","pages":""},"PeriodicalIF":0.2,"publicationDate":"2024-08-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"141884031","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":3,"RegionCategory":"历史学","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
Zusammenfassung Der Aufsatz befasst sich mit dem ebenso berühmten wie berüchtigten allegorischen Bild, das Wilhelm II. eigenhändig skizzierte, dann durch den Kasseler Akademieprofessor Hermann Knackfuß ausarbeiten und unter dem Titel „Völker Europas, wahret eure heiligsten Güter“ weltweit verbreiten ließ. Der erste Abschnitt rekonstruiert die Entstehung des Bildes, die Werbung in den Medien und die Reaktionen der Öffentlichkeit. Zweitens werden die einzelnen Bestandteile der Allegorie einer genauen Analyse unterzogen, insbesondere was die jeweiligen Vorlagen betrifft. Drittens schließlich wird die Geschichte des Bildes mit der des Schlagworts von der „Gelben Gefahr“ verknüpft. Wilhelm hat diesen Begriff nicht erfunden; aber er hat dessen Wirkung durch die Macht des Bildes verstärkt.
{"title":"Europas heiligste Güter. Wilhelm II., Hermann Knackfuß und die „Gelbe Gefahr“","authors":"Folker Reichert","doi":"10.1515/hzhz-2024-0015","DOIUrl":"https://doi.org/10.1515/hzhz-2024-0015","url":null,"abstract":"Zusammenfassung Der Aufsatz befasst sich mit dem ebenso berühmten wie berüchtigten allegorischen Bild, das Wilhelm II. eigenhändig skizzierte, dann durch den Kasseler Akademieprofessor Hermann Knackfuß ausarbeiten und unter dem Titel „Völker Europas, wahret eure heiligsten Güter“ weltweit verbreiten ließ. Der erste Abschnitt rekonstruiert die Entstehung des Bildes, die Werbung in den Medien und die Reaktionen der Öffentlichkeit. Zweitens werden die einzelnen Bestandteile der Allegorie einer genauen Analyse unterzogen, insbesondere was die jeweiligen Vorlagen betrifft. Drittens schließlich wird die Geschichte des Bildes mit der des Schlagworts von der „Gelben Gefahr“ verknüpft. Wilhelm hat diesen Begriff nicht erfunden; aber er hat dessen Wirkung durch die Macht des Bildes verstärkt.","PeriodicalId":54171,"journal":{"name":"HISTORISCHE ZEITSCHRIFT","volume":"62 1","pages":""},"PeriodicalIF":0.2,"publicationDate":"2024-05-31","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"141196566","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":3,"RegionCategory":"历史学","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
Zusammenfassung Mobilität wird häufig als Bewegung zwischen konkreten Orten gefasst, geht aber zumeist mit Phasen der Immobilität einher: Verzögerungen und Wartezeiten sind ein fester Bestandteil des Reisens, der von der historischen Forschung jedoch bisher nicht näher untersucht wurde. Der vorliegende Beitrag stellt das Thema des „Wartens“ für die historische Forschung vor und lotet die Erkenntnispotenziale aus. Dafür werden in einem ersten Schritt die zahlreichen bereits existierenden soziologischen, ethnologischen und anthropologischen Studien auf zentrale Themen und Thesen ausgewertet. Auf dieser Grundlage zeigen dann drei Fallstudien auf, wie Pilger, Gesandte und Reisende des Mittelalters mit Wartezeiten konfrontiert wurden und sie in ihre Texte und Berichte einbetteten: Der fränkische Pilger Bernhard reiste zwischen 865 und 871 ins Heilige Land, wurde aber mehrfach aufgehalten, weil seine Reisedokumente nicht akzeptiert wurden. In seinem Bericht ist es ihm ein Anliegen, seinen Leserinnen und Lesern die erlittenen Verzögerungen zu erklären, vermutlich um sie für eigene Reisen mit Informationen zu versorgen. Im Jahr 968 reiste Liutprand von Cremona als Gesandter Ottos I. nach Konstantinopel und musste dort den Unmut des Hofs erleiden, der sich auch in langen Wartezeiten und in der wiederholt verzögerten Abreise zeigte. Er beklagte sich in seinem Bericht ausführlich darüber, auch um den diplomatischen Misserfolg der Reise zu rechtfertigen. Der Ulmer Dominikaner Felix Fabri schließlich unternahm 1480 eine Pilgerreise ins Heilige Land, mit der er höchst unzufrieden war, da er nach eigener Aussage zu wenig Zeit vor Ort hatte. Grund dafür waren zahlreiche Verzögerungen auf der Hinreise, die Fabri ausführlich und oft emotional beschrieb.
{"title":"Wartezeiten. Zu einer wenig beachteten Dimension vormoderner Mobilität","authors":"Christoph Mauntel","doi":"10.1515/hzhz-2024-0014","DOIUrl":"https://doi.org/10.1515/hzhz-2024-0014","url":null,"abstract":"Zusammenfassung Mobilität wird häufig als Bewegung zwischen konkreten Orten gefasst, geht aber zumeist mit Phasen der Immobilität einher: Verzögerungen und Wartezeiten sind ein fester Bestandteil des Reisens, der von der historischen Forschung jedoch bisher nicht näher untersucht wurde. Der vorliegende Beitrag stellt das Thema des „Wartens“ für die historische Forschung vor und lotet die Erkenntnispotenziale aus. Dafür werden in einem ersten Schritt die zahlreichen bereits existierenden soziologischen, ethnologischen und anthropologischen Studien auf zentrale Themen und Thesen ausgewertet. Auf dieser Grundlage zeigen dann drei Fallstudien auf, wie Pilger, Gesandte und Reisende des Mittelalters mit Wartezeiten konfrontiert wurden und sie in ihre Texte und Berichte einbetteten: Der fränkische Pilger Bernhard reiste zwischen 865 und 871 ins Heilige Land, wurde aber mehrfach aufgehalten, weil seine Reisedokumente nicht akzeptiert wurden. In seinem Bericht ist es ihm ein Anliegen, seinen Leserinnen und Lesern die erlittenen Verzögerungen zu erklären, vermutlich um sie für eigene Reisen mit Informationen zu versorgen. Im Jahr 968 reiste Liutprand von Cremona als Gesandter Ottos I. nach Konstantinopel und musste dort den Unmut des Hofs erleiden, der sich auch in langen Wartezeiten und in der wiederholt verzögerten Abreise zeigte. Er beklagte sich in seinem Bericht ausführlich darüber, auch um den diplomatischen Misserfolg der Reise zu rechtfertigen. Der Ulmer Dominikaner Felix Fabri schließlich unternahm 1480 eine Pilgerreise ins Heilige Land, mit der er höchst unzufrieden war, da er nach eigener Aussage zu wenig Zeit vor Ort hatte. Grund dafür waren zahlreiche Verzögerungen auf der Hinreise, die Fabri ausführlich und oft emotional beschrieb.","PeriodicalId":54171,"journal":{"name":"HISTORISCHE ZEITSCHRIFT","volume":"102 1","pages":""},"PeriodicalIF":0.2,"publicationDate":"2024-05-31","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"141196638","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":3,"RegionCategory":"历史学","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
Zusammenfassung Scheint Max Weber seit dem Niedergang der Modernisierungstheorie in der Geschichtswissenschaft aus der Mode gekommen, so stellen seine Arbeiten, als Konflikttheorie der Moderne gelesen, weiterhin eine anregende Quelle für eine kulturhistorisch orientierte Geschichtsschreibung dar. Der Artikel untersucht, wie eine solche Lektüre paradigmatisch im historiographischen Werk Thomas Nipperdeys angelegt ist: Entgegen der öffentlichen Wahrnehmung ist Nipperdeys Hauptwerk, die „Deutsche Geschichte“, eine substanziell durch Weber geprägte Arbeit. Allerdings knüpfte Nipperdey nicht an die modernisierungstheoretische Lesart Webers an, wie sie vor allem der amerikanische Strukturfunktionalismus entwarf und wie sie in der Bielefelder Historischen Sozialwissenschaft historiographisch umgesetzt wurde. Stattdessen übernahm er, geprägt durch das Interesse an der Kulturanthropologie, eine Perspektive, die in der deutschen Soziologie der 1970er Jahre entwickelt, in der Geschichtswissenschaft aber wenig beachtet wurde. Nipperdey referiert an zentralen Stellen der „Deutschen Geschichte“ auf Weber und orientiert sich an dessen Modell kulturwissenschaftlicher Erkenntnis. Vor allem aber entnahm er Weber eine Sensibilität für die Widersprüche und Ambivalenzen der modernen Gesellschaft und entwickelte daraus eine Heuristik des Konflikts, die für eine aktuelle Kulturgeschichte nach dem Ende des Modernisierungsoptimismus ein anregendes Beispiel darstellen kann.
{"title":"Der andere Weber in der „Deutschen Geschichte“ Thomas Nipperdeys Rezeption Max Webers als Heuristik des Konflikts","authors":"Johannes Bosch","doi":"10.1515/hzhz-2024-0016","DOIUrl":"https://doi.org/10.1515/hzhz-2024-0016","url":null,"abstract":"Zusammenfassung Scheint Max Weber seit dem Niedergang der Modernisierungstheorie in der Geschichtswissenschaft aus der Mode gekommen, so stellen seine Arbeiten, als Konflikttheorie der Moderne gelesen, weiterhin eine anregende Quelle für eine kulturhistorisch orientierte Geschichtsschreibung dar. Der Artikel untersucht, wie eine solche Lektüre paradigmatisch im historiographischen Werk Thomas Nipperdeys angelegt ist: Entgegen der öffentlichen Wahrnehmung ist Nipperdeys Hauptwerk, die „Deutsche Geschichte“, eine substanziell durch Weber geprägte Arbeit. Allerdings knüpfte Nipperdey nicht an die modernisierungstheoretische Lesart Webers an, wie sie vor allem der amerikanische Strukturfunktionalismus entwarf und wie sie in der Bielefelder Historischen Sozialwissenschaft historiographisch umgesetzt wurde. Stattdessen übernahm er, geprägt durch das Interesse an der Kulturanthropologie, eine Perspektive, die in der deutschen Soziologie der 1970er Jahre entwickelt, in der Geschichtswissenschaft aber wenig beachtet wurde. Nipperdey referiert an zentralen Stellen der „Deutschen Geschichte“ auf Weber und orientiert sich an dessen Modell kulturwissenschaftlicher Erkenntnis. Vor allem aber entnahm er Weber eine Sensibilität für die Widersprüche und Ambivalenzen der modernen Gesellschaft und entwickelte daraus eine Heuristik des Konflikts, die für eine aktuelle Kulturgeschichte nach dem Ende des Modernisierungsoptimismus ein anregendes Beispiel darstellen kann.","PeriodicalId":54171,"journal":{"name":"HISTORISCHE ZEITSCHRIFT","volume":"92 1","pages":""},"PeriodicalIF":0.2,"publicationDate":"2024-05-31","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"141196653","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":3,"RegionCategory":"历史学","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
Zusammenfassung Wie kann Wissen über Vergangenes erlangt werden und was genau tun Historiker*innen im Zuge ihres Erkenntnisprozesses? Diese Frage steht im Zentrum des Beitrags. Leitend ist dabei die Annahme, dass sowohl auf der Ebene der Auswahl eines Untersuchungsgegenstandes, seiner räumlich-zeitlichen Begrenzung und der Sondierung einer validen Quellengrundlage wie auch anschließend auf Ebene der Darstellung der Analyse vielfältige Skalierungsoperationen vorgenommen werden. Und diese wiederum bedingen entscheidend, was schließlich überhaupt Ergebnis der Untersuchung werden kann. Angesichts der zentralen und für die Geschichtswissenschaft spezifischen Problematik, dass das zu Erkennende als Vergangenes nicht mehr der unmittelbaren Erfahrung zugeführt werden kann, stellt sich die Frage nach den Bedingungen, unter denen derartige Skalierungen vorgenommen werden, besonders dringlich. Denn im Rahmen geschichtswissenschaftlicher Erkenntnisbildung bleiben die Konditionen, unter denen ein Untersuchungsgegenstand konfiguriert und zuallererst als relevant erachtet wird, im Bereich des Nichtwahrnehmbaren und entsprechend intransparent. Das Argument zielt so darauf, die Problematik als solche zu verdeutlichen und das Abstraktum Skalierung als basalen, aber folgenreichen Prozess zu konkretisieren. Denn Maßnehmen als Maßnahme präfiguriert Erkenntnis und sollte daher bewusster Teil geschichtswissenschaftlicher Reflexion werden.
{"title":"Maß nehmen als Maßnahme. Skalierung als Herausforderung der Geschichtswissenschaft","authors":"Sina Steglich","doi":"10.1515/hzhz-2024-0008","DOIUrl":"https://doi.org/10.1515/hzhz-2024-0008","url":null,"abstract":"Zusammenfassung Wie kann Wissen über Vergangenes erlangt werden und was genau tun Historiker*innen im Zuge ihres Erkenntnisprozesses? Diese Frage steht im Zentrum des Beitrags. Leitend ist dabei die Annahme, dass sowohl auf der Ebene der Auswahl eines Untersuchungsgegenstandes, seiner räumlich-zeitlichen Begrenzung und der Sondierung einer validen Quellengrundlage wie auch anschließend auf Ebene der Darstellung der Analyse vielfältige Skalierungsoperationen vorgenommen werden. Und diese wiederum bedingen entscheidend, was schließlich überhaupt Ergebnis der Untersuchung werden kann. Angesichts der zentralen und für die Geschichtswissenschaft spezifischen Problematik, dass das zu Erkennende als Vergangenes nicht mehr der unmittelbaren Erfahrung zugeführt werden kann, stellt sich die Frage nach den Bedingungen, unter denen derartige Skalierungen vorgenommen werden, besonders dringlich. Denn im Rahmen geschichtswissenschaftlicher Erkenntnisbildung bleiben die Konditionen, unter denen ein Untersuchungsgegenstand konfiguriert und zuallererst als relevant erachtet wird, im Bereich des Nichtwahrnehmbaren und entsprechend intransparent. Das Argument zielt so darauf, die Problematik als solche zu verdeutlichen und das Abstraktum Skalierung als basalen, aber folgenreichen Prozess zu konkretisieren. Denn Maßnehmen als Maßnahme präfiguriert Erkenntnis und sollte daher bewusster Teil geschichtswissenschaftlicher Reflexion werden.","PeriodicalId":54171,"journal":{"name":"HISTORISCHE ZEITSCHRIFT","volume":"26 1","pages":""},"PeriodicalIF":0.2,"publicationDate":"2024-04-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"140599906","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":3,"RegionCategory":"历史学","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
Zusammenfassung Die Geschichte der europäischen Integration ist voller Ereignisse und Vielschichtigkeit. Dabei stellt sich die Frage, wie ihre Entwicklung erfasst, strukturiert und verstanden werden kann. Dieser Beitrag benennt bisherige Befunde, stellt ausgehend von Zugangskriterien weitergehende Überlegungen an und unterbreitet Vorschläge. Zuerst werden grundlegende und großangelegte Periodisierungsvorschläge angeführt, bevor in kleinteiligeren Schritten ausgewählte chronologisch angelegte und spezifizierte Deutungsmuster präsentiert werden. Sodann wird ein vertieftes Drei-Großphasen-Modell entwickelt, um abschließend zu Abrundungen und Definitionen zu gelangen. Sowohl geschichts- als auch politikwissenschaftliche Zugänge werden aufgegriffen und zusammengefasst, zumal Unionsstudien durch Interdisziplinarität gewinnen können.
{"title":"Von der west- zur gesamteuropäischen Integration. Periodisierungsvorschläge zu ihren Antriebskräften, Gründen, Motiven, Zielen und Wirkungen","authors":"Michael Gehler","doi":"10.1515/hzhz-2024-0010","DOIUrl":"https://doi.org/10.1515/hzhz-2024-0010","url":null,"abstract":"Zusammenfassung Die Geschichte der europäischen Integration ist voller Ereignisse und Vielschichtigkeit. Dabei stellt sich die Frage, wie ihre Entwicklung erfasst, strukturiert und verstanden werden kann. Dieser Beitrag benennt bisherige Befunde, stellt ausgehend von Zugangskriterien weitergehende Überlegungen an und unterbreitet Vorschläge. Zuerst werden grundlegende und großangelegte Periodisierungsvorschläge angeführt, bevor in kleinteiligeren Schritten ausgewählte chronologisch angelegte und spezifizierte Deutungsmuster präsentiert werden. Sodann wird ein vertieftes Drei-Großphasen-Modell entwickelt, um abschließend zu Abrundungen und Definitionen zu gelangen. Sowohl geschichts- als auch politikwissenschaftliche Zugänge werden aufgegriffen und zusammengefasst, zumal Unionsstudien durch Interdisziplinarität gewinnen können.","PeriodicalId":54171,"journal":{"name":"HISTORISCHE ZEITSCHRIFT","volume":"79 1","pages":""},"PeriodicalIF":0.2,"publicationDate":"2024-04-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"140600185","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":3,"RegionCategory":"历史学","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
Zusammenfassung Dass der evangelikale Protestantismus in den USA in enger Verbindung zur kapitalistischen Moderne stand und sogar als eines ihrer erfolgreichsten „Produkte“ angesehen werden kann, ist eine weit über den Kreis der Vertreter der Ökonomie der Religion hinaus vertretene These. Im Zentrum dieses Aufsatzes stehen drei Fallstudien zu Dwight L. Moody (1837–1899), William „Billy“ Sunday (1862–1935) and Bruce F. Barton (1886–1967), die die marktgerechte Propagierung eines besonderen Vertrauensverhältnisses zwischen dem Sohn Gottes und dem einzelnen Gläubigen, gekleidet in die Semantik von persönlicher Nähe und Geborgenheit, analysieren. Dieser Individualisierungsschub prägte die religiöse Kommunikation im protestantischen Milieu während der progressive era, einer Zeit extrem beschleunigter Urbanisierungs-, Migrations-, Industrialisierungs- und Rationalisierungsprozesse, entscheidend und wurde über den Kreis des Evangelikalismus hinaus ein wichtiger Aspekt bei der Konstruktion kapitalistischen Marktdenkens in den USA. Mit Jesus an ihrer Seite, so die Botschaft, könnten die Gläubigen nicht nur die Härten und Unwägbarkeiten ihres eigenen Lebens besser meistern und gesellschaftliche Übel bekämpfen, sondern sie gingen nun auch immer optimistischer in eine neue Welt des Konsums. Dieses Angebot war besonders für urban lebende weiße Männer attraktiv, die versuchten, ein Leben gestützt auf traditionelle christliche Werte mit den neuen Ansprüchen in der kapitalistischen Moderne in Übereinstimmung zu bringen und gerade durch die Verbindung eigentlich widersprüchlicher emotionaler Angebote zugleich fromme, starke und wirtschaftlich erfolgreiche Persönlichkeiten zu sein: ganze christliche Männer.
{"title":"Glaube und Geschäft. Evangelikale Prediger und die Transformation des US-amerikanischen Protestantismus zwischen 1865 und 1930","authors":"Daniel Siemens","doi":"10.1515/hzhz-2024-0009","DOIUrl":"https://doi.org/10.1515/hzhz-2024-0009","url":null,"abstract":"Zusammenfassung Dass der evangelikale Protestantismus in den USA in enger Verbindung zur kapitalistischen Moderne stand und sogar als eines ihrer erfolgreichsten „Produkte“ angesehen werden kann, ist eine weit über den Kreis der Vertreter der Ökonomie der Religion hinaus vertretene These. Im Zentrum dieses Aufsatzes stehen drei Fallstudien zu Dwight L. Moody (1837–1899), William „Billy“ Sunday (1862–1935) and Bruce F. Barton (1886–1967), die die marktgerechte Propagierung eines besonderen Vertrauensverhältnisses zwischen dem Sohn Gottes und dem einzelnen Gläubigen, gekleidet in die Semantik von persönlicher Nähe und Geborgenheit, analysieren. Dieser Individualisierungsschub prägte die religiöse Kommunikation im protestantischen Milieu während der <jats:italic>progressive era</jats:italic>, einer Zeit extrem beschleunigter Urbanisierungs-, Migrations-, Industrialisierungs- und Rationalisierungsprozesse, entscheidend und wurde über den Kreis des Evangelikalismus hinaus ein wichtiger Aspekt bei der Konstruktion kapitalistischen Marktdenkens in den USA. Mit Jesus an ihrer Seite, so die Botschaft, könnten die Gläubigen nicht nur die Härten und Unwägbarkeiten ihres eigenen Lebens besser meistern und gesellschaftliche Übel bekämpfen, sondern sie gingen nun auch immer optimistischer in eine neue Welt des Konsums. Dieses Angebot war besonders für urban lebende weiße Männer attraktiv, die versuchten, ein Leben gestützt auf traditionelle christliche Werte mit den neuen Ansprüchen in der kapitalistischen Moderne in Übereinstimmung zu bringen und gerade durch die Verbindung eigentlich widersprüchlicher emotionaler Angebote zugleich fromme, starke und wirtschaftlich erfolgreiche Persönlichkeiten zu sein: ganze christliche Männer.","PeriodicalId":54171,"journal":{"name":"HISTORISCHE ZEITSCHRIFT","volume":"4 1","pages":""},"PeriodicalIF":0.2,"publicationDate":"2024-04-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"140599820","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":3,"RegionCategory":"历史学","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
Zusammenfassung Heutzutage stellen Diamanten ein äußerst gefragtes Gut dar, allerdings entwickelten sich die Edelsteine erst im Laufe der Zeit zu dieser absatzstarken Ware. Von den 1890er Jahren bis zum Zweiten Weltkrieg unterlag die Nachfrage nach den Steinen in den USA als weltweit größter Absatzmarkt erheblichen Schwankungen. Um die schwache US-amerikanische Nachfrage anzukurbeln, lancierte der Diamantenproduzent DeBeers zusammen mit der Werbefirma N. W. Ayer ab 1938 großangelegte und aufwändig gestaltete Werbekampagnen. Am Beispiel dieser Werbeanzeigen untersucht und rekonstruiert der Aufsatz die Vermarktung von Brillanten in den USA vom Zweiten Weltkrieg bis in die 1960er Jahre. An den Schnittstellen von Wirtschafts- und Kulturgeschichte angesiedelt, spürt die Untersuchung unter Berücksichtigung geschlechtergeschichtlicher Perspektivierungen den ökonomischen Interessen des DeBeers-Konzerns nach und fragt dabei immer wieder, wie sich die Wahrnehmung von Brillantschmuck im Laufe der Zeit wandelte. In den Werbeanzeigen richtete sich DeBeers zunächst vorrangig an unverheiratete Paare als Konsumenten, berücksichtigte bis in die 1960er Jahre jedoch eine zunehmend größer werdende Klientel. Dennoch achtete das Unternehmen sorgsam darauf, die Illusion des als rar und elitär geltenden Luxusguts zu bewahren und den Markt weiterhin zu regulieren. Letzteres fiel dem Konzern mit der Zeit immer schwerer, da permanent neue Produzenten auf den europäischen Diamantenmarkt drängten. Unter Zuhilfenahme wirtschaftswissenschaftlicher Theoreme rückt der Aufsatz in diesem Zusammenhang auch in den Blick, wie Diamanten allmählich zu einem Massenprodukt wurden, ohne als solches wahrgenommen zu werden.
{"title":"„Diamonds are a girl’s best friend?“ Diamanten, DeBeers und die Vermarktung von Brillantschmuck in den USA, 1939–1960","authors":"Mona Rudolph","doi":"10.1515/hzhz-2024-0003","DOIUrl":"https://doi.org/10.1515/hzhz-2024-0003","url":null,"abstract":"Zusammenfassung Heutzutage stellen Diamanten ein äußerst gefragtes Gut dar, allerdings entwickelten sich die Edelsteine erst im Laufe der Zeit zu dieser absatzstarken Ware. Von den 1890er Jahren bis zum Zweiten Weltkrieg unterlag die Nachfrage nach den Steinen in den USA als weltweit größter Absatzmarkt erheblichen Schwankungen. Um die schwache US-amerikanische Nachfrage anzukurbeln, lancierte der Diamantenproduzent DeBeers zusammen mit der Werbefirma N. W. Ayer ab 1938 großangelegte und aufwändig gestaltete Werbekampagnen. Am Beispiel dieser Werbeanzeigen untersucht und rekonstruiert der Aufsatz die Vermarktung von Brillanten in den USA vom Zweiten Weltkrieg bis in die 1960er Jahre. An den Schnittstellen von Wirtschafts- und Kulturgeschichte angesiedelt, spürt die Untersuchung unter Berücksichtigung geschlechtergeschichtlicher Perspektivierungen den ökonomischen Interessen des DeBeers-Konzerns nach und fragt dabei immer wieder, wie sich die Wahrnehmung von Brillantschmuck im Laufe der Zeit wandelte. In den Werbeanzeigen richtete sich DeBeers zunächst vorrangig an unverheiratete Paare als Konsumenten, berücksichtigte bis in die 1960er Jahre jedoch eine zunehmend größer werdende Klientel. Dennoch achtete das Unternehmen sorgsam darauf, die Illusion des als rar und elitär geltenden Luxusguts zu bewahren und den Markt weiterhin zu regulieren. Letzteres fiel dem Konzern mit der Zeit immer schwerer, da permanent neue Produzenten auf den europäischen Diamantenmarkt drängten. Unter Zuhilfenahme wirtschaftswissenschaftlicher Theoreme rückt der Aufsatz in diesem Zusammenhang auch in den Blick, wie Diamanten allmählich zu einem Massenprodukt wurden, ohne als solches wahrgenommen zu werden.","PeriodicalId":54171,"journal":{"name":"HISTORISCHE ZEITSCHRIFT","volume":"181 1","pages":""},"PeriodicalIF":0.2,"publicationDate":"2024-01-31","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"139658438","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":3,"RegionCategory":"历史学","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
{"title":"Jos von Pfullendorf, Die Fuchsfalle. Herausgegeben von Klaus H. Lauterbach. (Monumenta Germaniae Historica. Quellen zur Geistesgeschichte des Mittelalters, Bd. 33.) Wiesbaden, Harrassowitz 2022","authors":"M. Rückert","doi":"10.1515/hzhz-2023-1350","DOIUrl":"https://doi.org/10.1515/hzhz-2023-1350","url":null,"abstract":"","PeriodicalId":54171,"journal":{"name":"HISTORISCHE ZEITSCHRIFT","volume":" 7","pages":"727 - 728"},"PeriodicalIF":0.2,"publicationDate":"2023-12-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"138615767","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":3,"RegionCategory":"历史学","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}