Einhelligkeit herrscht in der publizierten Politikdidaktik in einigen wichtigen Punkten: Die Frage nach der politischen und gesellschaftlichen Relevanz der Lerninhalte stellt sich in allen Schulfachern. Zur Politischen Bildung tragt nicht nur das im engeren Sinne mit Politik befasste Fach bei, das in unterschiedlicher Bezeichnung existiert (z. B. Sozialkunde, Gemeinschaftskunde, Gesellschaftslehre, Sozialwissenschaften, Politik und Wirtschaft), sondern naturlich auch – oft in facherubergreifender Kooperation – die benachbarten Facher Geschichte und Geografie, auch der Literaturunterricht, die naturwissenschaftlichen Facher mit spezifischen Fragestellungen oder z. B. der Sportunterricht, wo es um Konkurrenz, um Fairness, um Gewinnenund Verlieren-Konnen geht. Die reflexive Auseinandersetzung mit der Geschlechterrolle oder Fragen der Mitbestimmung im Unterricht oder der Kriterien fur eine „gerechte“ Beurteilung sind als Notwendigkeit, normative Grundlagen der Kommunikation zu reflektieren und auszuhandeln, ebenfalls nicht auf den politischen Fachunterricht beschrankt, sondern fordern Raum in allen Fachern. Fur die Entwicklung von Empathie, fur „soziales Lernen“ ist ebenfalls nicht nur die Politische Bildung im engeren Sinne, also als Fach, sondern die Politische Bildung als Prinzip verantwortlich. Genau so verhalt es sich auch mit dem Postulat der Erziehung zur Demokratie. Die letztlich von Dewey stammende Unterscheidung von demokratischer Erziehung als Lebensform, als Herrschaftsform und als Gesellschaftsform verbindet einen engeren, auf Institutionen, Verfahren und Willensbildung bezogenen Blick auf Demokratie (Herrschaft), mit der Betrachtung der Auseinandersetzungsprozesse von gesellschaftlichen Gruppen und Individuen hinsichtlich der Geltung und dem Wandel von Normen – einschlieslich des Demokratiebegriffs selbst – in der kapitalistischen Konkurrenzgesellschaft (Gesellschaft), schlieslich mit der Betrachtung des Nahraums, der Erfahrungen, die die Individuen in ihren verschiedenen Rollenbeziehungen, wie etwa Familie, Schule oder peer-group machen, wie dort mit Konflikten umgegangen wird und welche Prinzipien der Kommunikation und Interaktion gelten (Lebensform). Himmelmann druckt es so aus: „Wir gehen dabei in Sonderheit davon aus, dass Demokra-
{"title":"Politische Bildung in der Schule. Demokratisches Lernen als Widerspruch im System","authors":"F. Nonnenmacher","doi":"10.3726/92148_269","DOIUrl":"https://doi.org/10.3726/92148_269","url":null,"abstract":"Einhelligkeit herrscht in der publizierten Politikdidaktik in einigen wichtigen Punkten: Die Frage nach der politischen und gesellschaftlichen Relevanz der Lerninhalte stellt sich in allen Schulfachern. Zur Politischen Bildung tragt nicht nur das im engeren Sinne mit Politik befasste Fach bei, das in unterschiedlicher Bezeichnung existiert (z. B. Sozialkunde, Gemeinschaftskunde, Gesellschaftslehre, Sozialwissenschaften, Politik und Wirtschaft), sondern naturlich auch – oft in facherubergreifender Kooperation – die benachbarten Facher Geschichte und Geografie, auch der Literaturunterricht, die naturwissenschaftlichen Facher mit spezifischen Fragestellungen oder z. B. der Sportunterricht, wo es um Konkurrenz, um Fairness, um Gewinnenund Verlieren-Konnen geht. Die reflexive Auseinandersetzung mit der Geschlechterrolle oder Fragen der Mitbestimmung im Unterricht oder der Kriterien fur eine „gerechte“ Beurteilung sind als Notwendigkeit, normative Grundlagen der Kommunikation zu reflektieren und auszuhandeln, ebenfalls nicht auf den politischen Fachunterricht beschrankt, sondern fordern Raum in allen Fachern. Fur die Entwicklung von Empathie, fur „soziales Lernen“ ist ebenfalls nicht nur die Politische Bildung im engeren Sinne, also als Fach, sondern die Politische Bildung als Prinzip verantwortlich. Genau so verhalt es sich auch mit dem Postulat der Erziehung zur Demokratie. Die letztlich von Dewey stammende Unterscheidung von demokratischer Erziehung als Lebensform, als Herrschaftsform und als Gesellschaftsform verbindet einen engeren, auf Institutionen, Verfahren und Willensbildung bezogenen Blick auf Demokratie (Herrschaft), mit der Betrachtung der Auseinandersetzungsprozesse von gesellschaftlichen Gruppen und Individuen hinsichtlich der Geltung und dem Wandel von Normen – einschlieslich des Demokratiebegriffs selbst – in der kapitalistischen Konkurrenzgesellschaft (Gesellschaft), schlieslich mit der Betrachtung des Nahraums, der Erfahrungen, die die Individuen in ihren verschiedenen Rollenbeziehungen, wie etwa Familie, Schule oder peer-group machen, wie dort mit Konflikten umgegangen wird und welche Prinzipien der Kommunikation und Interaktion gelten (Lebensform). Himmelmann druckt es so aus: „Wir gehen dabei in Sonderheit davon aus, dass Demokra-","PeriodicalId":30268,"journal":{"name":"Topologik Rivista Internazionale di Scienze Filosofiche Pedagogiche e Sociali","volume":"34 1","pages":"116-126"},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"2009-01-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"76119493","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}