Pub Date : 2020-06-25DOI: 10.5771/9783845298597-211
Anika Oettler
Im Zuge der Umsetzung des 2016 unterzeichneten Friedensabkommens zwischen der kolumbianischen Regierung und den Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia Ejército del Pueblo (FARC-EP, Bewaffnete Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens Volksarmee) wurden mehrere Instrumente der Transitional Justice eingesetzt, um das Problem der vergangenen kollektiven Gewalt zu adressieren. Dabei stellt die Comisión para el Esclarecimiento de la Verdad, la Convivencia y la No Repetición (Kommission für die Aufklärung der Wahrheit, das Zusammenleben und die Nicht-Wiederholung) eine der drei institutionellen Säulen des Sistema Integral de Verdad, Justicia, Reparación y No Repetición (SIVJRNR, Integrales System der Wahrheit, Gerechtigkeit, Reparation und Nicht-Wiederholung) dar. Diese Kommission soll durch historische Aufklärung, Anerkennung und die Förderung des Zusammenlebens in den Regionen die Grundlagen für die NichtWiederholung, die Versöhnung und den stabilen und nachhaltigen Frieden legen (Presidencia de la República 2017). In der Benennung dieser Institutionen und der Bestimmung ihrer Ziele spiegelt sich eine Vielfalt von Begriffen wider, die dann ins Spiel kommt, wenn es darum geht, Perspektiven für die Transformation gespaltener Gesellschaften oder die Aufarbeitung von systematisch begangenen Menschenrechtsverletzungen und Gewalttaten zu entwickeln. Während im internationalen akademischen Feld eine lebhafte Debatte um den Nutzen und Nachteil einzelner Begriffe geführt wird, ist in politischen, medialen und alltäglichen Diskursräumen ein Nebeneinander von oft vagen und unklaren Begriffen zu beobachten. Dabei hat sich auch der Begriff der Versöhnung als eine eingängige, aber höchst unscharfe vergangenheitspolitische Formel etabliert. Wie auch im Mandatstext der kolumbianischen Wahrheitskommission (vgl. ebda.) wird der Begriff der Versöhnung mit der Hoffnung auf eine Nicht-Wiederholung der gewaltsamen Vergangenheit und der Idee eines stabilen und nachhaltigen Friedens zusammenge1.
在2016年签署的和平协议执行过程中被哥伦比亚政府与Fuerzas Armadas Revolucionarias de乌里韦Ejército del普韦布洛(FARC-EP武装对哥伦比亚革命武装部队人民军)动用了几位过渡正义的工具,以解决过去的集体暴力地址.同时将Comisión帕el Esclarecimiento de la Verdad, la Convivencia y la No Repetición(委员会宣传真理、共存和Nicht-Wiederholung)提供Sistema的三个支柱机构(Integral de Verdad Justicia, Reparación y No Repetición (SIVJRNR Integrales系统、真理、正义、Reparation Nicht-Wiederholung) .等等。这些委员会应通过历史教育、承认、促进社会共存的地区奠定不再重演、和解和放在稳定和可持续和平(Presidencia de la República 2017) .表示这些机构和确定其目标时,就需要提出多种不同的观点,以便找出需考虑系统实施的侵犯人权和暴力行为的根源。当国际学术领域对独立语词的利弊进行辩论时,人们往往在政治、媒体以及日常交流中看到模糊和模糊的词语重复出现。然而,和平的概念又被公认为仅仅是色彩鲜为人知的过去式。哥伦比亚真理委员会的任务正文也是如此。(艾达女士)“和解”的概念是基于一个希望,也就是不要重复暴力的过去,以及稳定而可持续的和平。
{"title":"Versöhnung auf den Begriff gebracht: kolumbianische Perspektiven","authors":"Anika Oettler","doi":"10.5771/9783845298597-211","DOIUrl":"https://doi.org/10.5771/9783845298597-211","url":null,"abstract":"Im Zuge der Umsetzung des 2016 unterzeichneten Friedensabkommens zwischen der kolumbianischen Regierung und den Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia Ejército del Pueblo (FARC-EP, Bewaffnete Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens Volksarmee) wurden mehrere Instrumente der Transitional Justice eingesetzt, um das Problem der vergangenen kollektiven Gewalt zu adressieren. Dabei stellt die Comisión para el Esclarecimiento de la Verdad, la Convivencia y la No Repetición (Kommission für die Aufklärung der Wahrheit, das Zusammenleben und die Nicht-Wiederholung) eine der drei institutionellen Säulen des Sistema Integral de Verdad, Justicia, Reparación y No Repetición (SIVJRNR, Integrales System der Wahrheit, Gerechtigkeit, Reparation und Nicht-Wiederholung) dar. Diese Kommission soll durch historische Aufklärung, Anerkennung und die Förderung des Zusammenlebens in den Regionen die Grundlagen für die NichtWiederholung, die Versöhnung und den stabilen und nachhaltigen Frieden legen (Presidencia de la República 2017). In der Benennung dieser Institutionen und der Bestimmung ihrer Ziele spiegelt sich eine Vielfalt von Begriffen wider, die dann ins Spiel kommt, wenn es darum geht, Perspektiven für die Transformation gespaltener Gesellschaften oder die Aufarbeitung von systematisch begangenen Menschenrechtsverletzungen und Gewalttaten zu entwickeln. Während im internationalen akademischen Feld eine lebhafte Debatte um den Nutzen und Nachteil einzelner Begriffe geführt wird, ist in politischen, medialen und alltäglichen Diskursräumen ein Nebeneinander von oft vagen und unklaren Begriffen zu beobachten. Dabei hat sich auch der Begriff der Versöhnung als eine eingängige, aber höchst unscharfe vergangenheitspolitische Formel etabliert. Wie auch im Mandatstext der kolumbianischen Wahrheitskommission (vgl. ebda.) wird der Begriff der Versöhnung mit der Hoffnung auf eine Nicht-Wiederholung der gewaltsamen Vergangenheit und der Idee eines stabilen und nachhaltigen Friedens zusammenge1.","PeriodicalId":301681,"journal":{"name":"Gewalt und Konfliktbearbeitung in Lateinamerika","volume":"112 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"2020-06-25","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"129689152","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
Pub Date : 2020-06-25DOI: 10.5771/9783845298597-53
Alke Jenss
In Guerrero, Mexiko, sehen wir einen Mann mit Vollautomatikgewehr im Schatten einer Zeltplane am Tisch sitzen. In einem Artikel der britischen Zeitung The Guardian bezeichnet sich der Mann als Teil der Stratege einer bewaffneten „Selbstverteidigungsgruppe“, die behauptet, sie verfüge über 9.000 Mann. Hundert davon seien zum Töten ausgebildet: “[A] team that comes to destroy”. Was nach einem billigen Actionfilm klingt, zeigt einerseits die zersplitterte und schwer durchschaubare Sicherheitslage in Mexiko. Andererseits unterstreicht die Selbstpräsentation solcher Gruppen, dass sie nicht notwendigerweise antistaatliche Gewalt ausüben. Der Guardian zitiert den Mann, seine Verbindungen zum Militär seien bestens: “It’s a relationship of tolerance, if not coordination. [...] You don’t mess with us, and we don’t mess with you” (Stevenson 2019). Das gewaltsame Verschwindenlassen von 43 Studierenden aus Ayotzinapa im Jahr 2014 zeigte ähnliche, mindestens lokale und regionale Kooperationen zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Gewaltund Sicherheitsakteuren. Artikel wie der des Guardian vermitteln, was Soziolog*innen und Politikwissenschaftler*innen Kollusion nennen: Die Transformation von Staatlichkeit geht mit der Verquickung zwischen Staat und Kriminalität einher. Fue el estado („es war der Staat“): Seit 2014 ist das common sense in Mexiko. 2018 belaufen sich die offiziellen Zahlen auf 37.000 gewaltsam Verschwundene seit 2007, als die Offensive des Staates "gegen die Drogen" begann (Secretariado Ejecutivo del Sistema Nacional de Seguridad Pública 2018). Ich argumentiere, dass in Mexiko selektive Sicherheitsarrangements zwischen staatlicher und nicht-staatlicher Gewaltausübung trotz sich verändernder Kräftekonstellationen und einer neuen Regierung, die Gewalt durch den Staat stets kritisiert der Logik nach auf Dauer gestellt sind. Es gilt eine staatliche Politik der selektiven Sicherheit (ausführlich: Jenss 2016). Der Text beginnt mit einer Begriffsklärung und der Skizzierung des theoretischen Zugangs, bevor ich anschließend zentrale Thesen zum Verhältnis von illegaler Ökonomie und Staat zur Diskussion stelle und entsprechende Entwicklungen in Mexiko nachzeichne.
在墨西哥的Guerrero一个人,有一把自动步枪在帐篷篷下坐在椅子上英国的《卫报》一篇文章报道,这个人被视为一个自称有9000人身居“自卫队”武装集团成员的战略家。说他们训练了100人去杀人。这听起来像一出动作片,反映出墨西哥分裂重重、缺乏透明度的安全局势。另一方面,向这些组织展示自己并不一定实行反国家暴力。《卫报》引述一篇文章说他与军队的关系很好:“这是一个关系亲密而非行为难以协调[...“你不跟我们在一起,我们不跟你在一起”(史蒂文森2019)。2014年阿约辛格43名学生暴力失踪事件也表明了类似的结果——至少是本地和地区政府和非政府暴力与安全行动者的合作。《卫报》这篇文章描述社会学家、政治学家*的内涵,即国家地位的改变伴随着国家与犯罪之间的联系。我们el estado(“国家”):这是2014年以来墨西哥好.官方数据2018年占37000被迫失踪自2007年起,国家的进攻开始“反毒品”(Secretariado Ejecutivo del Sistema Nacional de Seguridad Pública 2018) .我强调在墨西哥,尽管权力分布发生了变化,并且新政府成立了,但政府间的安全安排可以维持下去。我们有选择性安全的公共政策(选择性:2016年)。这一课文为理解目的做了准备,阐明理论进入的情况,然后我再讨论有关墨西哥非法经济和国家关系的核心纲要并概述这方面的发展。
{"title":"Selektive Gewalt, illegale Ökonomie und der Staat in Mexiko","authors":"Alke Jenss","doi":"10.5771/9783845298597-53","DOIUrl":"https://doi.org/10.5771/9783845298597-53","url":null,"abstract":"In Guerrero, Mexiko, sehen wir einen Mann mit Vollautomatikgewehr im Schatten einer Zeltplane am Tisch sitzen. In einem Artikel der britischen Zeitung The Guardian bezeichnet sich der Mann als Teil der Stratege einer bewaffneten „Selbstverteidigungsgruppe“, die behauptet, sie verfüge über 9.000 Mann. Hundert davon seien zum Töten ausgebildet: “[A] team that comes to destroy”. Was nach einem billigen Actionfilm klingt, zeigt einerseits die zersplitterte und schwer durchschaubare Sicherheitslage in Mexiko. Andererseits unterstreicht die Selbstpräsentation solcher Gruppen, dass sie nicht notwendigerweise antistaatliche Gewalt ausüben. Der Guardian zitiert den Mann, seine Verbindungen zum Militär seien bestens: “It’s a relationship of tolerance, if not coordination. [...] You don’t mess with us, and we don’t mess with you” (Stevenson 2019). Das gewaltsame Verschwindenlassen von 43 Studierenden aus Ayotzinapa im Jahr 2014 zeigte ähnliche, mindestens lokale und regionale Kooperationen zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Gewaltund Sicherheitsakteuren. Artikel wie der des Guardian vermitteln, was Soziolog*innen und Politikwissenschaftler*innen Kollusion nennen: Die Transformation von Staatlichkeit geht mit der Verquickung zwischen Staat und Kriminalität einher. Fue el estado („es war der Staat“): Seit 2014 ist das common sense in Mexiko. 2018 belaufen sich die offiziellen Zahlen auf 37.000 gewaltsam Verschwundene seit 2007, als die Offensive des Staates \"gegen die Drogen\" begann (Secretariado Ejecutivo del Sistema Nacional de Seguridad Pública 2018). Ich argumentiere, dass in Mexiko selektive Sicherheitsarrangements zwischen staatlicher und nicht-staatlicher Gewaltausübung trotz sich verändernder Kräftekonstellationen und einer neuen Regierung, die Gewalt durch den Staat stets kritisiert der Logik nach auf Dauer gestellt sind. Es gilt eine staatliche Politik der selektiven Sicherheit (ausführlich: Jenss 2016). Der Text beginnt mit einer Begriffsklärung und der Skizzierung des theoretischen Zugangs, bevor ich anschließend zentrale Thesen zum Verhältnis von illegaler Ökonomie und Staat zur Diskussion stelle und entsprechende Entwicklungen in Mexiko nachzeichne.","PeriodicalId":301681,"journal":{"name":"Gewalt und Konfliktbearbeitung in Lateinamerika","volume":"15 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"2020-06-25","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"122289064","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
Pub Date : 1900-01-01DOI: 10.5771/9783845298597-183
S. Peters
Nicht nur im Reggaeton gilt: Vergessen ist en vogue! Die Frage des Vergessens im Internet wird in den Feuilletons der Tageszeitungen ebenso zentral diskutiert wie die Herausforderungen der Pflege von Demenzkranken in einer alternden Gesellschaft. Doch darüber hinaus hat das Vergessen in den vergangenen Jahren ein unerwartetes vergangenheitspolitisches Revival erlebt. Bereits vor einem knappen Jahrzehnt wurde eine neue „Konjunktur des Vergessens“ (Dimbath/Wehling 2011: 8) in den Debatten zur kollektiven Erinnerung konstatiert. In Teilen geht dies mit der Intention einher, eine vergangenheitspolitische Richtungsverschiebung vorzunehmen. Die Erinnerung an die Gewalt der Vergangenheit – so der Tenor einer wachsenden Anzahl von Stimmen – lässt die Wunden einer gewaltsamen Vergangenheit nicht etwa heilen, sondern perpetuiere die gesellschaftlichen Gräben und Konflikte beziehungsweise beinhalte sogar den Keim zukünftiger (gewaltsamer) Auseinandersetzungen. Diese Position steht in einem bemerkenswerten Kontrast zum mühsam erkämpften Konsens über den Wert der Erinnerung als Teil der Bearbeitung der Gewalt von Diktaturen, Bürgerkriegen und massiven Menschenrechtsverletzungen. Damit opponiert sie auch gegen die Bedeutung der kollektiven Erinnerung als Bedingung der Möglichkeit auf dem Weg zur Prävention der Wiederholung solcher Gewalttaten. Um Missverständnissen vorzubeugen: Der Imperativ der Erinnerung ist weiterhin weit verbrei-
{"title":"Zwischen Erinnern und Vergessen: Aktuelle Kontroversen zur Bearbeitung der Vergangenheit","authors":"S. Peters","doi":"10.5771/9783845298597-183","DOIUrl":"https://doi.org/10.5771/9783845298597-183","url":null,"abstract":"Nicht nur im Reggaeton gilt: Vergessen ist en vogue! Die Frage des Vergessens im Internet wird in den Feuilletons der Tageszeitungen ebenso zentral diskutiert wie die Herausforderungen der Pflege von Demenzkranken in einer alternden Gesellschaft. Doch darüber hinaus hat das Vergessen in den vergangenen Jahren ein unerwartetes vergangenheitspolitisches Revival erlebt. Bereits vor einem knappen Jahrzehnt wurde eine neue „Konjunktur des Vergessens“ (Dimbath/Wehling 2011: 8) in den Debatten zur kollektiven Erinnerung konstatiert. In Teilen geht dies mit der Intention einher, eine vergangenheitspolitische Richtungsverschiebung vorzunehmen. Die Erinnerung an die Gewalt der Vergangenheit – so der Tenor einer wachsenden Anzahl von Stimmen – lässt die Wunden einer gewaltsamen Vergangenheit nicht etwa heilen, sondern perpetuiere die gesellschaftlichen Gräben und Konflikte beziehungsweise beinhalte sogar den Keim zukünftiger (gewaltsamer) Auseinandersetzungen. Diese Position steht in einem bemerkenswerten Kontrast zum mühsam erkämpften Konsens über den Wert der Erinnerung als Teil der Bearbeitung der Gewalt von Diktaturen, Bürgerkriegen und massiven Menschenrechtsverletzungen. Damit opponiert sie auch gegen die Bedeutung der kollektiven Erinnerung als Bedingung der Möglichkeit auf dem Weg zur Prävention der Wiederholung solcher Gewalttaten. Um Missverständnissen vorzubeugen: Der Imperativ der Erinnerung ist weiterhin weit verbrei-","PeriodicalId":301681,"journal":{"name":"Gewalt und Konfliktbearbeitung in Lateinamerika","volume":"22 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"1900-01-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"122152279","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
Pub Date : 1900-01-01DOI: 10.5771/9783845298597-161
J. Kirchheimer
1996 wurde nach Jahren der Verhandlungen zwischen dem guatemaltekischen Staat und der Guerillaorganisation Unidad Revolucionaria Nacional Guatemalteca (URNG), einer der längsten und blutigsten bewaffneten Konflikte des Kalten Krieges beendet. Seither stellen der guatemaltekische Friedensprozess und die Wahrheitskommission (Comisión de Esclarecimiento Histórico, CEH) eine wichtige Referenz für eine Reihe akademischer Debatten dar. Das liegt einerseits an der Rolle Zentralamerikas als Laboratorium für internationale Politiken der Konflikttransformation (Brett 2013; Kurtenbach 2007). Andererseits repräsentierte die CEH einen bis dato neuen Typus institutionalisierter Aufklärung. Statt einer Reihe von Vergehen isoliert zu betrachten, versuchte die Kommission, Massenverbrechen in ihrem historischen und institutionellem Zusammenhang zu erklären (Grandin 2012). Viel seltener wird allerdings über einen dritten Aspekt des Friedensprozesses berichtet, der gerade im Hinblick auf Debatten über die gesellschaftliche und politische Wirkung von Wahrheitskommissionen nicht weniger interessant ist: die Bildungsreform und insbesondere die Revision des Curriculums, die sowohl in den Friedensverträgen von 1996 als auch in den Empfehlungen der CEH von 1999 verankert wurden. Diese Auslassung ist durchaus überraschend: Schließlich werden Wahrheitskommissionen häufig damit legitimiert, dass die offizielle Anerkennung von Verbrechen, Tätern und Opfern, einen gewissermaßen pädagogischen Effekt habe (Mendeloff 2011: 358). So argumentierte Hayner (1994: 607), dass Wahrheitskommissionen einen gesellschaftlichen Lernprozess anstoßen könnten, der die Wiederholung von Verbrechen unwahrscheinlicher mache und Geschichtsrevisionismus unterbinde. Ignatieff (1995: 113), beschreibt Wahrheitskommissionen als ein Mittel, Vergangenheitsdiskurse einzuhegen, indem die Anzahl lässlicher Lügen (permissible lies) reduziert werde. Gerade im lateinamerikanischen Kontext sind solche Argumente plausibel, da Geheimhaltung oftmals selbst zu einem strategischen Element staatlicher Gewaltausübung wurde (Oettler 2008: 86). 1.
在1996年,在瓜地马拉国家和游击队之间多年的谈判之后,自危地马拉的和平进程和真相委员会(Comisión de Esclarecimiento Histó里科,CEH)的一系列学术辩论.收入的一个重要参考原因之一是,中美洲所扮演的国际冲突改变政策试验室的角色(2013年,布雷特;布拉格,英国)Kurtenbach 2007) .另一方面,CEH代表了机构化的新启蒙运动。委员会并没有孤立地看待若干罪行,而是试图在其历史和体制背景下解释大规模犯罪(Grandin 2012)。很多罕见圣经关于和平进程的第三个方面刚刚所产生的社会和政治影响辩论委员会不是同样有趣的是,委员会就教育改革,尤其是修正Curriculums委员会在1996年两国签署的和平协议和建议CEH被写入了1999 .经理先生事实上,海纳的想法(1994年和607)指出:“真相委员会”可能会触发一个学习社会的过程,从而减少犯罪再次发生的可能性,并妨碍历史的修正主义。萨拉特夫(1995年:113岁)将“真相委员会”形容为对过去的讨论的方法,是减少萨拉特夫的谎言(可食用的谎言)。在拉丁美洲的情况下,这样的结论是有道理的,因为保密常常成为国家采取暴力的战略选择之一。(《1.
{"title":"Zur Aushandlung von Wahrheit – Transitional Justice und Bildungspolitik in Guatemala","authors":"J. Kirchheimer","doi":"10.5771/9783845298597-161","DOIUrl":"https://doi.org/10.5771/9783845298597-161","url":null,"abstract":"1996 wurde nach Jahren der Verhandlungen zwischen dem guatemaltekischen Staat und der Guerillaorganisation Unidad Revolucionaria Nacional Guatemalteca (URNG), einer der längsten und blutigsten bewaffneten Konflikte des Kalten Krieges beendet. Seither stellen der guatemaltekische Friedensprozess und die Wahrheitskommission (Comisión de Esclarecimiento Histórico, CEH) eine wichtige Referenz für eine Reihe akademischer Debatten dar. Das liegt einerseits an der Rolle Zentralamerikas als Laboratorium für internationale Politiken der Konflikttransformation (Brett 2013; Kurtenbach 2007). Andererseits repräsentierte die CEH einen bis dato neuen Typus institutionalisierter Aufklärung. Statt einer Reihe von Vergehen isoliert zu betrachten, versuchte die Kommission, Massenverbrechen in ihrem historischen und institutionellem Zusammenhang zu erklären (Grandin 2012). Viel seltener wird allerdings über einen dritten Aspekt des Friedensprozesses berichtet, der gerade im Hinblick auf Debatten über die gesellschaftliche und politische Wirkung von Wahrheitskommissionen nicht weniger interessant ist: die Bildungsreform und insbesondere die Revision des Curriculums, die sowohl in den Friedensverträgen von 1996 als auch in den Empfehlungen der CEH von 1999 verankert wurden. Diese Auslassung ist durchaus überraschend: Schließlich werden Wahrheitskommissionen häufig damit legitimiert, dass die offizielle Anerkennung von Verbrechen, Tätern und Opfern, einen gewissermaßen pädagogischen Effekt habe (Mendeloff 2011: 358). So argumentierte Hayner (1994: 607), dass Wahrheitskommissionen einen gesellschaftlichen Lernprozess anstoßen könnten, der die Wiederholung von Verbrechen unwahrscheinlicher mache und Geschichtsrevisionismus unterbinde. Ignatieff (1995: 113), beschreibt Wahrheitskommissionen als ein Mittel, Vergangenheitsdiskurse einzuhegen, indem die Anzahl lässlicher Lügen (permissible lies) reduziert werde. Gerade im lateinamerikanischen Kontext sind solche Argumente plausibel, da Geheimhaltung oftmals selbst zu einem strategischen Element staatlicher Gewaltausübung wurde (Oettler 2008: 86). 1.","PeriodicalId":301681,"journal":{"name":"Gewalt und Konfliktbearbeitung in Lateinamerika","volume":"43 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"1900-01-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"133990632","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
Latin America is puzzling: Politicians often celebrate Latin America as a peaceful region. However, their slogans conflict with the reality of everyday life there. The region is characterised by a high level of violence and for years has consistently recorded one of the highest incidences of violence globally. Nevertheless, Latin America is also a place where innovative conflict resolution mechanisms take place. This book aims to contribute to analysis of the concurrence of widespread violence and innovative approaches to conflict resolution. It adopts an interdisciplinary perspective and highlights current dynamics based on single-case and comparative studies as well as conceptual discussions. With contributions by Lena Ahrends, Kai Ambos, Horacio Castellanos Moya, Kristina Dietz, Rosario Figari-Layús, Myriell Fußer, Anna von Gall, Ornella Gessler, Sonja Jalali, Alke Jenss, Antonia Jordan, Jakob Kirchheimer, Sascha Menig, Brigitta von Messling, Anika Oettler, Stefan Peters, Julian Reiter, Veronika Reichwein, Gustavo Urquizo, Hannes Warnecke-Berger
{"title":"Gewalt und Konfliktbearbeitung in Lateinamerika","authors":"S. Peters","doi":"10.5771/9783845298597-7","DOIUrl":"https://doi.org/10.5771/9783845298597-7","url":null,"abstract":"Latin America is puzzling: Politicians often celebrate Latin America as a peaceful region. However, their slogans conflict with the reality of everyday life there. The region is characterised by a high level of violence and for years has consistently recorded one of the highest incidences of violence globally. Nevertheless, Latin America is also a place where innovative conflict resolution mechanisms take place. This book aims to contribute to analysis of the concurrence of widespread violence and innovative approaches to conflict resolution. It adopts an interdisciplinary perspective and highlights current dynamics based on single-case and comparative studies as well as conceptual discussions. \u0000\u0000With contributions by\u0000Lena Ahrends, Kai Ambos, Horacio Castellanos Moya, Kristina Dietz, Rosario Figari-Layús, Myriell Fußer, Anna von Gall, Ornella Gessler, Sonja Jalali, Alke Jenss, Antonia Jordan, Jakob Kirchheimer, Sascha Menig, Brigitta von Messling, Anika Oettler, Stefan Peters, Julian Reiter, Veronika Reichwein, Gustavo Urquizo, Hannes Warnecke-Berger\u0000","PeriodicalId":301681,"journal":{"name":"Gewalt und Konfliktbearbeitung in Lateinamerika","volume":"43 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"1900-01-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"132391021","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
{"title":"Titelei/Inhaltsverzeichnis","authors":"","doi":"10.5771/9783845298597-1","DOIUrl":"https://doi.org/10.5771/9783845298597-1","url":null,"abstract":"","PeriodicalId":301681,"journal":{"name":"Gewalt und Konfliktbearbeitung in Lateinamerika","volume":"2 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"1900-01-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"129435521","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
Pub Date : 1900-01-01DOI: 10.5771/9783845298597-33
Hannes Warnecke-Berger
Mehr als 25 Jahre nach dem Ende der Bürgerkriege, die in El Salvador im Jahr 1992 und in Guatemala im Jahr 1996 mit der Unterzeichnung von Friedensverträgen ihr Ende fanden, und der damit verbundenen „Lösung“ der Zentralamerikakrise bleibt Gewalt ein Strukturmerkmal zentralamerikanischer Gesellschaften. Es ist Gewalt im Frieden, da die politische Artikulation des Konflikts ausgeschaltet wurde, dessen struktureller Nährboden aber nach wie vor wirkt (Zinecker 2014). Gewalt ist in vielen Teilen Zentralamerikas ein Alltagsphänomen. Sie hat sich in den Gesellschaften eingenistet und durchdringt sie fast allgegenwärtig. Es ist nicht nur die „alte“ Gewalt, die sich im politischen System entwickelte und die darauf abzielte die Gesellschaft zu verändern, sondern auch die „neue“ Gewalt, die zwar immer noch in der Öffentlichkeit, nun aber scheinbar ohne politische Motive ausgeübt wird, die das heutige Gesicht Zentralamerikas prägt. Gewalt ist in der Familie, Gewalt ist in der Schule, Gewalt ist auf der Straße, Gewalt ist auf dem Markt, Gewalt ist vor der Kirche. Kurz: Gewalt ist überall. Werden international vergleichbare Statistiken zu Grunde gelegt, so ist Zentralamerika heute eine der gewaltreichsten Regionen der Welt. Gewaltraten übertreffen hier um ein Vielfaches das europäische Niveau. Jedoch haben auch der Amtsantritt des US-Präsidenten Donald Trump und die damit verbundene Rhetorik gegen Zentralamerika, die Aufreihung einiger der in Zentralamerika aktiven Gewaltakteure auf der Terrorliste der USA und schließlich die Stigmatisierung der in Zentralamerika präsenten Jugendbanden als „most dangerous gang in the Americas“ (Wolf 2012), dazu beigetragen, Zentralamerika als eine besonders brutale Weltregion darzustellen. Tatsächliche Gewalt und „moral panics“ gehen Hand in Hand. Die ökonomischen und sozialen Folgen der Gewalt sind nicht nur geringeres Wirtschaftswachstum, erhebliche Einschnitte in der lokalen, regionalen und nationalen Entwicklung, sondern ebenso ein bedeutsamer Grund für die anhaltende Migration Richtung Norden. Auch die politi1.
{"title":"Die Selbstreproduktion der Gewalt? Zentralamerika nach den Bürgerkriegen","authors":"Hannes Warnecke-Berger","doi":"10.5771/9783845298597-33","DOIUrl":"https://doi.org/10.5771/9783845298597-33","url":null,"abstract":"Mehr als 25 Jahre nach dem Ende der Bürgerkriege, die in El Salvador im Jahr 1992 und in Guatemala im Jahr 1996 mit der Unterzeichnung von Friedensverträgen ihr Ende fanden, und der damit verbundenen „Lösung“ der Zentralamerikakrise bleibt Gewalt ein Strukturmerkmal zentralamerikanischer Gesellschaften. Es ist Gewalt im Frieden, da die politische Artikulation des Konflikts ausgeschaltet wurde, dessen struktureller Nährboden aber nach wie vor wirkt (Zinecker 2014). Gewalt ist in vielen Teilen Zentralamerikas ein Alltagsphänomen. Sie hat sich in den Gesellschaften eingenistet und durchdringt sie fast allgegenwärtig. Es ist nicht nur die „alte“ Gewalt, die sich im politischen System entwickelte und die darauf abzielte die Gesellschaft zu verändern, sondern auch die „neue“ Gewalt, die zwar immer noch in der Öffentlichkeit, nun aber scheinbar ohne politische Motive ausgeübt wird, die das heutige Gesicht Zentralamerikas prägt. Gewalt ist in der Familie, Gewalt ist in der Schule, Gewalt ist auf der Straße, Gewalt ist auf dem Markt, Gewalt ist vor der Kirche. Kurz: Gewalt ist überall. Werden international vergleichbare Statistiken zu Grunde gelegt, so ist Zentralamerika heute eine der gewaltreichsten Regionen der Welt. Gewaltraten übertreffen hier um ein Vielfaches das europäische Niveau. Jedoch haben auch der Amtsantritt des US-Präsidenten Donald Trump und die damit verbundene Rhetorik gegen Zentralamerika, die Aufreihung einiger der in Zentralamerika aktiven Gewaltakteure auf der Terrorliste der USA und schließlich die Stigmatisierung der in Zentralamerika präsenten Jugendbanden als „most dangerous gang in the Americas“ (Wolf 2012), dazu beigetragen, Zentralamerika als eine besonders brutale Weltregion darzustellen. Tatsächliche Gewalt und „moral panics“ gehen Hand in Hand. Die ökonomischen und sozialen Folgen der Gewalt sind nicht nur geringeres Wirtschaftswachstum, erhebliche Einschnitte in der lokalen, regionalen und nationalen Entwicklung, sondern ebenso ein bedeutsamer Grund für die anhaltende Migration Richtung Norden. Auch die politi1.","PeriodicalId":301681,"journal":{"name":"Gewalt und Konfliktbearbeitung in Lateinamerika","volume":"73 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"1900-01-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"126435614","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}