Dieser Beitrag rekonstruiert anhand von narrativen Interviews mit Gesamtschullehrer:innen die Bedingungen für die Einnahme einer Rolle als Aufstiegshelfer:in. Die Forschung zur sozialen Mobilität im deutschen Bildungssystem zeigt auf, dass Großeltern, Eltern und auch Lehrkräfte diese seltenen Aufstiege maßgeblich befördern können. Weitgehend ungeklärt ist aber, wann und unter welchen Umständen institutionelle Akteure wie Lehrer:innen diese Rolle tatsächlich übernehmen – denn dies ist alles andere als selbstverständlich. In meiner Studie teilten von zwanzig interviewten Lehrer:innen lediglich vier die handlungsleitende Überzeugung, dass benachteiligte Schüler:innen besondere Hilfe und Unterstützung benötigen. Anhand dieser vier Fälle Zeigt der Beitrag die Handlungsstrategien helfender Lehrer:innen explorativ auf. Über die Beobachtung ihrer Schüler:innen diagnostizieren diese Lehrpersonen Defizite und schließen daran emotional und praktisch unterstützende Handlungen an. Ausschlaggebend für ihr Handeln ist eine soziale Sensibilisierung, die diese Lehrpersonen entweder aufgrund ihrer eigenen (Aufstiegs-)Biographie erlernt haben – oder aber im nahestehenden sozialen Umfeld, in der Schulkultur, dem Kollegium und in der Interaktion mit den Schüler:innen erfahren. Neben der biographischen Erfahrung trägt somit die soziale Einbettung maßgeblich zur Konstitution sozialer Aufstiegshelfer:innen bei.
{"title":"Biographische Erfahrungen und soziale Einbettung. Wie werden Lehrer:innen zu Aufstiegshelfer:innen?","authors":"L. Behrmann","doi":"10.3224/bios.v34i1.05","DOIUrl":"https://doi.org/10.3224/bios.v34i1.05","url":null,"abstract":"Dieser Beitrag rekonstruiert anhand von narrativen Interviews mit Gesamtschullehrer:innen die Bedingungen für die Einnahme einer Rolle als Aufstiegshelfer:in. Die Forschung zur sozialen Mobilität im deutschen Bildungssystem zeigt auf, dass Großeltern, Eltern und auch Lehrkräfte diese seltenen Aufstiege maßgeblich befördern können. Weitgehend ungeklärt ist aber, wann und unter welchen Umständen institutionelle Akteure wie Lehrer:innen diese Rolle tatsächlich übernehmen – denn dies ist alles andere als selbstverständlich. In meiner Studie teilten von zwanzig interviewten Lehrer:innen lediglich vier die handlungsleitende Überzeugung, dass benachteiligte Schüler:innen besondere Hilfe und Unterstützung benötigen. Anhand dieser vier Fälle Zeigt der Beitrag die Handlungsstrategien helfender Lehrer:innen explorativ auf. Über die Beobachtung ihrer Schüler:innen diagnostizieren diese Lehrpersonen Defizite und schließen daran emotional und praktisch unterstützende Handlungen an. Ausschlaggebend für ihr Handeln ist eine soziale Sensibilisierung, die diese Lehrpersonen entweder aufgrund ihrer eigenen (Aufstiegs-)Biographie erlernt haben – oder aber im nahestehenden sozialen Umfeld, in der Schulkultur, dem Kollegium und in der Interaktion mit den Schüler:innen erfahren. Neben der biographischen Erfahrung trägt somit die soziale Einbettung maßgeblich zur Konstitution sozialer Aufstiegshelfer:innen bei.","PeriodicalId":197030,"journal":{"name":"BIOS – Zeitschrift für Biographieforschung, Oral History und Lebensverlaufsanalysen","volume":"1 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"2023-05-04","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"130619268","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
{"title":"Li Gerhalter: Tagebücher als Quellen. Forschungsfelder und Sammlungen seit 1800, Göttingen: V&R unipress 2021 (L’Homme Schriften. Reihe zur Feministischen Geschichtswissenschaft, Band 27), 459 Seiten, 40,00 €.","authors":"Arthur Schlegelmilch","doi":"10.3224/bios.v33i2.10","DOIUrl":"https://doi.org/10.3224/bios.v33i2.10","url":null,"abstract":"","PeriodicalId":197030,"journal":{"name":"BIOS – Zeitschrift für Biographieforschung, Oral History und Lebensverlaufsanalysen","volume":"6 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"2022-06-14","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"115824432","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
{"title":"Il Circolo di scrittura autobiografica a distanza. Autobiographischer Brief-Schreibzirkel von Anghiari (Toskana/Italien)","authors":"S. Risse","doi":"10.3224/bios.v33i2.08","DOIUrl":"https://doi.org/10.3224/bios.v33i2.08","url":null,"abstract":"","PeriodicalId":197030,"journal":{"name":"BIOS – Zeitschrift für Biographieforschung, Oral History und Lebensverlaufsanalysen","volume":"39 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"2022-06-14","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"130162076","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
Trotz der in den letzten zwei Jahrzehnten breiteren Rezeption von Selbstzeugnissen von Missbrauchsopfern in der Geschichts- und Literaturwissenschaft fehlt nach wie vor eine zufriedenstellende Erklärung zur Funktion sowie eine Methodik zur Untersuchung solcher. Seit den 1990er Jahren verfolgt die Psychologie den Ansatz, traumatischen Erfahrungen im Sinne einer Rekonstruktion des Selbst schreibend zu begegnen. In diesem Sinne wird der folgende Beitrag den Aspekt der Selbstbemächtigung als narrative Strategie gegenüber identitätszersetzenden Missbrauchserfahrungen in Selbstzeugnissen der 2010er Jahre untersuchen. Dabei nimmt der Verfasser zunächst die Entwicklung des Opferstatus in Gesellschaft und Geschichtswissenschaft in den Blick. Erst die gesellschaftliche Anerkennung von Holocaustopfern und der Opferperspektive in den 1990er Jahren ermöglicht das Sprechen und Schreiben über den Missbrauch. Der kontextübergreifende und diachrone Aspekt der Selbstbemächtigung wird im Anschluss daran an der palimpsestierenden Lektüre von bereits untersuchten Interviews und Memoiren von Holocaustüberlebenden sowie der eingehenden Lektüre drei seit 2010 veröffentlichter Selbstzeugnisse versuchsweise untersucht. Der Akt der Veröffentlichung nötigt dabei die Untersuchung der narrativen Selbstbemächtigung im Primärtext gegenüber dem umgebenden Paratext, also der verlegerischen Gestaltung des Buches und medialer Begleittexte. Die Untersuchung zeigt dabei nicht nur, dass der Selbstbemächtigung vor allem in Selbstzeugnissen des ausgehenden 20. sowie 21. Jahrhunderts eine entscheidende kontextunabhängige Funktion zukommt, sondern schlägt auch eine methodische Vorgehensweise zur Untersuchung veröffentlichter, retrospektiver Selbstzeugnisse durch Geschichts- und Literaturwissenschaft vor.
{"title":"Selbstbemächtigung und das Sprechen über den Missbrauch. Eine Untersuchung an der Schnittstelle zwischen Literaturwissenschaft, Geschichte und Psychologie","authors":"Armen Hesse","doi":"10.3224/bios.v33i2.06","DOIUrl":"https://doi.org/10.3224/bios.v33i2.06","url":null,"abstract":"Trotz der in den letzten zwei Jahrzehnten breiteren Rezeption von Selbstzeugnissen von Missbrauchsopfern in der Geschichts- und Literaturwissenschaft fehlt nach wie vor eine zufriedenstellende Erklärung zur Funktion sowie eine Methodik zur Untersuchung solcher. Seit den 1990er Jahren verfolgt die Psychologie den Ansatz, traumatischen Erfahrungen im Sinne einer Rekonstruktion des Selbst schreibend zu begegnen. In diesem Sinne wird der folgende Beitrag den Aspekt der Selbstbemächtigung als narrative Strategie gegenüber identitätszersetzenden Missbrauchserfahrungen in Selbstzeugnissen der 2010er Jahre untersuchen. Dabei nimmt der Verfasser zunächst die Entwicklung des Opferstatus in Gesellschaft und Geschichtswissenschaft in den Blick. Erst die gesellschaftliche Anerkennung von Holocaustopfern und der Opferperspektive in den 1990er Jahren ermöglicht das Sprechen und Schreiben über den Missbrauch. Der kontextübergreifende und diachrone Aspekt der Selbstbemächtigung wird im Anschluss daran an der palimpsestierenden Lektüre von bereits untersuchten Interviews und Memoiren von Holocaustüberlebenden sowie der eingehenden Lektüre drei seit 2010 veröffentlichter Selbstzeugnisse versuchsweise untersucht. Der Akt der Veröffentlichung nötigt dabei die Untersuchung der narrativen Selbstbemächtigung im Primärtext gegenüber dem umgebenden Paratext, also der verlegerischen Gestaltung des Buches und medialer Begleittexte. Die Untersuchung zeigt dabei nicht nur, dass der Selbstbemächtigung vor allem in Selbstzeugnissen des ausgehenden 20. sowie 21. Jahrhunderts eine entscheidende kontextunabhängige Funktion zukommt, sondern schlägt auch eine methodische Vorgehensweise zur Untersuchung veröffentlichter, retrospektiver Selbstzeugnisse durch Geschichts- und Literaturwissenschaft vor.","PeriodicalId":197030,"journal":{"name":"BIOS – Zeitschrift für Biographieforschung, Oral History und Lebensverlaufsanalysen","volume":"8 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"2022-06-14","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"123871899","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
{"title":"Über 30 Jahre Werkstatt der Erinnerung. Oral History in der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg","authors":"Linde Apel","doi":"10.3224/bios.v33i2.07","DOIUrl":"https://doi.org/10.3224/bios.v33i2.07","url":null,"abstract":"","PeriodicalId":197030,"journal":{"name":"BIOS – Zeitschrift für Biographieforschung, Oral History und Lebensverlaufsanalysen","volume":"80 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"2022-06-14","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"131258820","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
Religiöse Vielfalt wird in der Forschung immer wieder als ein vergleichsweises rezentes Phänomen der 1960er und 1970er bzw. der 2000er und 2010er Jahre dargestellt. Erst in den vergangenen zwei Dekaden haben sich Studien zunehmend systematisch mit der historischen Genese von religiöser Vielfalt auseinanergesetzt. In diesem Zusammenhang beschäftigt sich der Beitrag mit individuellen religiösen Selbstbeschreibungen von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, die in der Zwischenkriegszeit (1918-1939) in Wien zur Schule gegangen sind. Im Zentrum stehen zentrale Ergebnisse des Projektes Religiöse Vielfalt an Wiener Schulen der Zwischenkriegszeit (ZwieKrie), das zwischen 2018 und 2021 am Spezialforschungsbereich „Interreligiosität“ (SIR) der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule (KPH) Wien/Krems durchgeführt wurde. Die in diesem Rahmen geführten Interviews dokumentieren die Existenz unterschiedlicher religiös-weltanschaulicher Milieus ebenso wie die Verbindungen zwischen verschiedenen individuellen, religiösen Praktiken sowie vielfältige Bezüge auf religiöse und politische Weltanschauungen. So wird dahingehend argumentiert, dass religiöse Vielfalt auf der Mikro-Ebene nicht erst ein Phänomen der vergangenen Dekaden ist, sondern durchaus auf eine längere Tradition zurückblickt.
{"title":"Individuelle Religiosität in der Zwischenkriegszeit. Zu den Traditionen religiöser Vielfalt in Österreich","authors":"K. Lehmann","doi":"10.3224/bios.v33i2.05","DOIUrl":"https://doi.org/10.3224/bios.v33i2.05","url":null,"abstract":"Religiöse Vielfalt wird in der Forschung immer wieder als ein vergleichsweises rezentes Phänomen der 1960er und 1970er bzw. der 2000er und 2010er Jahre dargestellt. Erst in den vergangenen zwei Dekaden haben sich Studien zunehmend systematisch mit der historischen Genese von religiöser Vielfalt auseinanergesetzt. In diesem Zusammenhang beschäftigt sich der Beitrag mit individuellen religiösen Selbstbeschreibungen von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, die in der Zwischenkriegszeit (1918-1939) in Wien zur Schule gegangen sind. Im Zentrum stehen zentrale Ergebnisse des Projektes Religiöse Vielfalt an Wiener Schulen der Zwischenkriegszeit (ZwieKrie), das zwischen 2018 und 2021 am Spezialforschungsbereich „Interreligiosität“ (SIR) der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule (KPH) Wien/Krems durchgeführt wurde. Die in diesem Rahmen geführten Interviews dokumentieren die Existenz unterschiedlicher religiös-weltanschaulicher Milieus ebenso wie die Verbindungen zwischen verschiedenen individuellen, religiösen Praktiken sowie vielfältige Bezüge auf religiöse und politische Weltanschauungen. So wird dahingehend argumentiert, dass religiöse Vielfalt auf der Mikro-Ebene nicht erst ein Phänomen der vergangenen Dekaden ist, sondern durchaus auf eine längere Tradition zurückblickt.","PeriodicalId":197030,"journal":{"name":"BIOS – Zeitschrift für Biographieforschung, Oral History und Lebensverlaufsanalysen","volume":"39 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"2022-06-14","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"116489361","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
Ausgehend von der Perspektive sozialwissenschaftlicher Biographieforschung, wie sie von Alheit und Dausien vertreten wird, werden in diesem Artikel Ergebnisse einer biographieanalytischen Studie zu den Tagebüchern der Fürstin Louise von Anhalt-Dessau präsentiert. Im Fokus der Interpretation stehen dabei insbesondere die in den Selbstzeugnissen und ausgewählten Korrespondenzen vorzufindenden Konstruktionen von Weiblichkeit. Die Analyse der Selbstzeugnisse im Hinblick auf die subjektiven Sinndeutungen im Kontext der eigenen Geschlechtlichkeit wird gerahmt von einer Betrachtung der im Landsitz der Fürstin dargestellten weiblichen Tugenden als ein beispielhafter Ausdruck der die Handlungsräume der Fürstin bedingenden gesellschaftlichen Struktur. Auch unter Einbeziehung einzelner freundschaftlichen Beziehungen zu weib-lichen und männlichen Angehörigen des Bürgertums, die einerseits als Spiegel der gesellschaftlichen Geschlechterstruktur und andererseits als Ort der Reflexion über die zeitgenössische Rolle der Frau anzusehen sind, kann in der Analyse aufgezeigt werden, auf welche Weise das Leben Louises geprägt ist von biographischen Suchbewegungen. Innerhalb dieses Prozesses gelangt sie zu einem Welt- und Selbstverständnis, das nicht mit einer bloßen Anpassung an die Strukturen der ständisch organisierten Gesellschaft, wie sie vormodernen Subjekten oftmals zugeschrieben wird, zu fassen ist.
{"title":"Zur Analyse biographischer Geschlechterkonstruktionen in einem Frauenleben im Übergang zur Moderne. Die Tagebücher der Fürstin Louise von Anhalt-Dessau","authors":"M. Mathias","doi":"10.3224/bios.v33i2.02","DOIUrl":"https://doi.org/10.3224/bios.v33i2.02","url":null,"abstract":"Ausgehend von der Perspektive sozialwissenschaftlicher Biographieforschung, wie sie von Alheit und Dausien vertreten wird, werden in diesem Artikel Ergebnisse einer biographieanalytischen Studie zu den Tagebüchern der Fürstin Louise von Anhalt-Dessau präsentiert. Im Fokus der Interpretation stehen dabei insbesondere die in den Selbstzeugnissen und ausgewählten Korrespondenzen vorzufindenden Konstruktionen von Weiblichkeit. Die Analyse der Selbstzeugnisse im Hinblick auf die subjektiven Sinndeutungen im Kontext der eigenen Geschlechtlichkeit wird gerahmt von einer Betrachtung der im Landsitz der Fürstin dargestellten weiblichen Tugenden als ein beispielhafter Ausdruck der die Handlungsräume der Fürstin bedingenden gesellschaftlichen Struktur. Auch unter Einbeziehung einzelner freundschaftlichen Beziehungen zu weib-lichen und männlichen Angehörigen des Bürgertums, die einerseits als Spiegel der gesellschaftlichen Geschlechterstruktur und andererseits als Ort der Reflexion über die zeitgenössische Rolle der Frau anzusehen sind, kann in der Analyse aufgezeigt werden, auf welche Weise das Leben Louises geprägt ist von biographischen Suchbewegungen. Innerhalb dieses Prozesses gelangt sie zu einem Welt- und Selbstverständnis, das nicht mit einer bloßen Anpassung an die Strukturen der ständisch organisierten Gesellschaft, wie sie vormodernen Subjekten oftmals zugeschrieben wird, zu fassen ist.","PeriodicalId":197030,"journal":{"name":"BIOS – Zeitschrift für Biographieforschung, Oral History und Lebensverlaufsanalysen","volume":"62 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"2022-06-14","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"116254483","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
Mündliche Stegreiferzählungen von selbsterlebten Erfahrungen sind in mehrerlei Hinsicht leibliche und verkörperte soziale Handlungen. Biographische Erfahrungen werden körperlich gemacht, später erinnernd einverleibt und beim Erzählen performativ kommuniziert. Zu einer mündlich dargebrachten biographischen Erzählung gehören zuhörende Menschen, die während des Erzählhandelns in die erlebte Vergangenheit des/der Erzählenden reisen. Die Verwobenheit des Körperlich-Leiblichen mit dem Gesprochenen in mündlichen autobiographischen Erzählungen führt so zu gemeinschaftlich konstruiertem, biographischem „Gestalten“. Obwohl leiblich-körperliches Erleben, Erinnern und Erzählen in der kommunikativen Konstruktion von Biographie somit höchste Bedeutung haben, wurde dieser Aspekt in der Analyse biographischer Selbstpräsentationen bisher nur wenig beleuchtet. Die methodologischen Überlegungen des Beitrages, veranschaulicht an Datenmaterial aus einem ethnographisch angelegten Interview, das in Tel Aviv-Jaffa, Israel, mit einer an chronischen Schmerzen leidenden Frau geführt wurde, sollen zu einer stärkeren Einbindung körperlich-leiblicher Aspekte in biographischen Fallrekonstruktionen anregen.
{"title":"Zum Einbezug des Körperlich-Leiblichen in biographische Fallrekonstruktionen","authors":"Rixta Wundrak","doi":"10.3224/bios.v33i2.03","DOIUrl":"https://doi.org/10.3224/bios.v33i2.03","url":null,"abstract":"Mündliche Stegreiferzählungen von selbsterlebten Erfahrungen sind in mehrerlei Hinsicht leibliche und verkörperte soziale Handlungen. Biographische Erfahrungen werden körperlich gemacht, später erinnernd einverleibt und beim Erzählen performativ kommuniziert. Zu einer mündlich dargebrachten biographischen Erzählung gehören zuhörende Menschen, die während des Erzählhandelns in die erlebte Vergangenheit des/der Erzählenden reisen. Die Verwobenheit des Körperlich-Leiblichen mit dem Gesprochenen in mündlichen autobiographischen Erzählungen führt so zu gemeinschaftlich konstruiertem, biographischem „Gestalten“. Obwohl leiblich-körperliches Erleben, Erinnern und Erzählen in der kommunikativen Konstruktion von Biographie somit höchste Bedeutung haben, wurde dieser Aspekt in der Analyse biographischer Selbstpräsentationen bisher nur wenig beleuchtet. Die methodologischen Überlegungen des Beitrages, veranschaulicht an Datenmaterial aus einem ethnographisch angelegten Interview, das in Tel Aviv-Jaffa, Israel, mit einer an chronischen Schmerzen leidenden Frau geführt wurde, sollen zu einer stärkeren Einbindung körperlich-leiblicher Aspekte in biographischen Fallrekonstruktionen anregen.","PeriodicalId":197030,"journal":{"name":"BIOS – Zeitschrift für Biographieforschung, Oral History und Lebensverlaufsanalysen","volume":"83 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"2022-06-14","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"117103234","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
Der Beitrag reflektiert die Rolle des Alkoholkonsums bei der Durchführung von Oral History-Projekten. Den Ausgangspunkt bilden hierfür die während einer geschichtswissenschaftlichen Untersuchung über die Erinnerungen an den sowjetischen Afghanistankrieg gemachten Beobachtungen in Interviewsituationen. Im Rahmen dieser Studie wurden zwischen den Jahren 2011 und 2015 mit über 30 ehemaligen Kriegsteilnehmern an verschiedenen Orten Russlands lebensgeschichtliche Interviews durchgeführt. Dabei fiel auf, dass die Gesprächspartner bei einem Drittel der Treffen gemeinschaftlich Alkohol konsumierten. Davon ausgehend wird aufgezeigt, welche Auswirkung der Alkoholkonsum auf den Erhebungsprozess und die narrative Ausgestaltung der Lebensgeschichte haben kann. Jenseits ethischer und moralischer sowie gesundheitlicher Aspekte ist die dabei Frage von Relevanz, ob Oral History-Interviews vor allem unter methodischen und inhaltlichen Gesichtspunkten scheitern, wenn Alkohol konsumiert wird.
{"title":"„Jetzt trinken wir erst einmal“. Die Rolle des Alkohols bei Oral History-Interviews","authors":"Michael Galbas","doi":"10.3224/bios.v33i2.04","DOIUrl":"https://doi.org/10.3224/bios.v33i2.04","url":null,"abstract":"Der Beitrag reflektiert die Rolle des Alkoholkonsums bei der Durchführung von Oral History-Projekten. Den Ausgangspunkt bilden hierfür die während einer geschichtswissenschaftlichen Untersuchung über die Erinnerungen an den sowjetischen Afghanistankrieg gemachten Beobachtungen in Interviewsituationen. Im Rahmen dieser Studie wurden zwischen den Jahren 2011 und 2015 mit über 30 ehemaligen Kriegsteilnehmern an verschiedenen Orten Russlands lebensgeschichtliche Interviews durchgeführt. Dabei fiel auf, dass die Gesprächspartner bei einem Drittel der Treffen gemeinschaftlich Alkohol konsumierten. Davon ausgehend wird aufgezeigt, welche Auswirkung der Alkoholkonsum auf den Erhebungsprozess und die narrative Ausgestaltung der Lebensgeschichte haben kann. Jenseits ethischer und moralischer sowie gesundheitlicher Aspekte ist die dabei Frage von Relevanz, ob Oral History-Interviews vor allem unter methodischen und inhaltlichen Gesichtspunkten scheitern, wenn Alkohol konsumiert wird.","PeriodicalId":197030,"journal":{"name":"BIOS – Zeitschrift für Biographieforschung, Oral History und Lebensverlaufsanalysen","volume":"23 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"2022-06-14","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"126468527","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
Dieser Aufsatz dokumentiert die computergestützte Sekundäranalyse des Interviewbestands aus dem Oral History-Projekt Lebensgeschichte und Sozialkultur im Ruhrgebiet. Durch Anwendung des Text Mining-Verfahrens Topic Modeling wurde das Interviewkorpus statistisch vermessen und anschließend entlang inhaltsbeschreibender Keywords explorativ untersucht. Auf diese Weise konnte systematisch vom Allgemeinen – der Erfahrung von Industriearbeit im Ruhrgebiet – zum unter der Oberfläche der Sammlung schlummernden Besonderen vorgedrungen werden: die Rolle von Frauen, die in der Nachkriegszeit zunehmend in die Verwaltungen der Industrieunternehmen des Ruhrgebiets einzogen, bei der Automatisierung und Computerisierung von Verwaltungsvorgängen. In einem anschließenden Close Reading der gefilterten Interviews fielen die nach Geschlecht divergierenden Narrative und Wertungen von Modernisierungsprozessen auf.
{"title":"Holleriths Vermächtnis – ein Beitrag zur Geschichte von Frauen in der EDV. Topic Modeling als Methode digitaler Sekundäranalyse lebensgeschichtlicher Interviews","authors":"D. Möbus","doi":"10.3224/bios.v33i2.01","DOIUrl":"https://doi.org/10.3224/bios.v33i2.01","url":null,"abstract":"Dieser Aufsatz dokumentiert die computergestützte Sekundäranalyse des Interviewbestands aus dem Oral History-Projekt Lebensgeschichte und Sozialkultur im Ruhrgebiet. Durch Anwendung des Text Mining-Verfahrens Topic Modeling wurde das Interviewkorpus statistisch vermessen und anschließend entlang inhaltsbeschreibender Keywords explorativ untersucht. Auf diese Weise konnte systematisch vom Allgemeinen – der Erfahrung von Industriearbeit im Ruhrgebiet – zum unter der Oberfläche der Sammlung schlummernden Besonderen vorgedrungen werden: die Rolle von Frauen, die in der Nachkriegszeit zunehmend in die Verwaltungen der Industrieunternehmen des Ruhrgebiets einzogen, bei der Automatisierung und Computerisierung von Verwaltungsvorgängen. In einem anschließenden Close Reading der gefilterten Interviews fielen die nach Geschlecht divergierenden Narrative und Wertungen von Modernisierungsprozessen auf.","PeriodicalId":197030,"journal":{"name":"BIOS – Zeitschrift für Biographieforschung, Oral History und Lebensverlaufsanalysen","volume":"22 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"2022-06-14","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"116736384","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}