Zusammenfassung Welche Moglichkeiten und Herausforderungen halten Ego-Dokumente fur Historische BildungsforscherInnen bereit? Als Winfried Schulze den Begriff Ego-Dokument in den 1990er Jahren in die deutschsprachige Geschichtswissenschaft einbrachte und eine weite Definition desselben vorschlug, erntete er vielfache Kritik: Zum einen sei der Begriff des Selbstzeugnisses mit seiner Fokussierung auf explizit autobiographische Quellen dem des Ego-Dokuments vorzuziehen. Zum anderen erschwere die um unfreiwillig und zwangsweise entstandene Quellen erweiterte Definition Schulzes die historische Arbeit und fuhre zudem zu Fehlerwartungen bezuglich des in den Quellen anzutreffenden „Egos“. Der vorliegende Beitrag argumentiert dem gegenuber, dass das von Schulze vorgestellte Konzept des Ego-Dokuments als heuristische Linse dienen kann, um hochst unterschiedliche Quellen, in denen Spuren historischer Ichs zu erwarten sind, ordnen und naher in den Blick nehmen zu konnen. Dies trifft insbesondere fur Untersuchungen deprivilegierter oder unter Bedingungen des Zwangs lebender Bevolkerungsgruppen zu. Anhand des Quellenbestandes zur historischen Fursorgeerziehung der beiden osterreichischen Bundeslander Tirol und Vorarlberg geht der Beitrag zunachst der Frage nach, wie und in welchen Quellensorten befursorgte Kinder selbst sprechen, um sodann bildungsbiographisch relevante Informationen von Madchen und jungen Frauen herauszufiltern, die Ende der 1950er und in den beginnenden 1960er Jahren in einem geschlossenen Tiroler Erziehungsheim untergebracht waren. Die in der Forschungsdiskussion rund um den Begriff des Ego-Dokuments eingemahnten methodischen Pramissen sensibilisieren im Umgang mit Quellen historischer Ichs, deren Analyse zu einer vielschichtigen Rekonstruktion von Vergangenheit beitragen kann. ----- Bibliographie: Leitner, Ulrich: Ego-Dokumente als Quellen historischer Bildungsforschung. Zur Rekonstruktion von Bildungsbiographien ehemaliger weiblicher Heimkinder der Fursorgeregion Tirol und Vorarlberg, BIOS, 2-2016, S. 253-265. https://doi.org/10.3224/bios.v29i2.08
{"title":"Ego-Dokumente als Quellen historischer Bildungsforschung Zur Rekonstruktion von Bildungsbiographien ehemaliger weiblicher Heimkinder der Fürsorgeregion Tirol und Vorarlberg","authors":"Ulrich Leitner","doi":"10.3224/BIOS.V29I2.08","DOIUrl":"https://doi.org/10.3224/BIOS.V29I2.08","url":null,"abstract":"Zusammenfassung Welche Moglichkeiten und Herausforderungen halten Ego-Dokumente fur Historische BildungsforscherInnen bereit? Als Winfried Schulze den Begriff Ego-Dokument in den 1990er Jahren in die deutschsprachige Geschichtswissenschaft einbrachte und eine weite Definition desselben vorschlug, erntete er vielfache Kritik: Zum einen sei der Begriff des Selbstzeugnisses mit seiner Fokussierung auf explizit autobiographische Quellen dem des Ego-Dokuments vorzuziehen. Zum anderen erschwere die um unfreiwillig und zwangsweise entstandene Quellen erweiterte Definition Schulzes die historische Arbeit und fuhre zudem zu Fehlerwartungen bezuglich des in den Quellen anzutreffenden „Egos“. Der vorliegende Beitrag argumentiert dem gegenuber, dass das von Schulze vorgestellte Konzept des Ego-Dokuments als heuristische Linse dienen kann, um hochst unterschiedliche Quellen, in denen Spuren historischer Ichs zu erwarten sind, ordnen und naher in den Blick nehmen zu konnen. Dies trifft insbesondere fur Untersuchungen deprivilegierter oder unter Bedingungen des Zwangs lebender Bevolkerungsgruppen zu. Anhand des Quellenbestandes zur historischen Fursorgeerziehung der beiden osterreichischen Bundeslander Tirol und Vorarlberg geht der Beitrag zunachst der Frage nach, wie und in welchen Quellensorten befursorgte Kinder selbst sprechen, um sodann bildungsbiographisch relevante Informationen von Madchen und jungen Frauen herauszufiltern, die Ende der 1950er und in den beginnenden 1960er Jahren in einem geschlossenen Tiroler Erziehungsheim untergebracht waren. Die in der Forschungsdiskussion rund um den Begriff des Ego-Dokuments eingemahnten methodischen Pramissen sensibilisieren im Umgang mit Quellen historischer Ichs, deren Analyse zu einer vielschichtigen Rekonstruktion von Vergangenheit beitragen kann. ----- Bibliographie: Leitner, Ulrich: Ego-Dokumente als Quellen historischer Bildungsforschung. Zur Rekonstruktion von Bildungsbiographien ehemaliger weiblicher Heimkinder der Fursorgeregion Tirol und Vorarlberg, BIOS, 2-2016, S. 253-265. https://doi.org/10.3224/bios.v29i2.08","PeriodicalId":197030,"journal":{"name":"BIOS – Zeitschrift für Biographieforschung, Oral History und Lebensverlaufsanalysen","volume":"1 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"2018-07-20","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"128923139","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
Zusammenfassung Im Projekt „Besatzungskinder in Nachkriegsdeutschland – Bildungs- und Differenzerfahrungen“ werden biographische Interviews mit Betroffenen durchgefuhrt. Einige Interviewte haben mittlerweile den Status ‚professioneller‘ Zeitzeug_innen, die eine durch regelmasige Wiederholungen eingeubte narrative Identitat als ‚Besatzungskind‘ prasentieren. Diese Verfestigung narrativer Strategien lasst sich besonders deutlich bei denjenigen verfolgen, von denen – neben den im Projekt durchgefuhrten Interviews – noch andere autobiographische Zeugnisse vorliegen. In einer Analyse, die sich strikt an der Chronologie der vorliegenden Dokumente orientiert und den Inkonsistenzen und Bruchen in den verschiedenen biographischen Erzahlungen eines Betroffenen nachgeht, wird die Genese und Verfestigung einer narrativen Identitat als ‚Besatzungskind‘ herausgearbeitet. ----- Bibliographie: Kleinau, Elke/Schmid, Rafaela: „Ich bin nicht ehemaliges Besatzungskind, sondern ich bin es immer noch“. Bruche und Inkonsistenzen in Erzahlungen von ‚professionellen‘ Zeitzeug_innen, BIOS, 2-2016, S. 241-252. https://doi.org/10.3224/bios.v29i2.07
{"title":"„Ich bin nicht ehemaliges Besatzungskind, sondern ich bin es immer noch“ Brüche und Inkonsistenzen in Erzählungen von ‚professionellen‘ Zeitzeug_innen","authors":"Elke Kleinau, Rafaela Schmid","doi":"10.3224/BIOS.V29I2.07","DOIUrl":"https://doi.org/10.3224/BIOS.V29I2.07","url":null,"abstract":"Zusammenfassung Im Projekt „Besatzungskinder in Nachkriegsdeutschland – Bildungs- und Differenzerfahrungen“ werden biographische Interviews mit Betroffenen durchgefuhrt. Einige Interviewte haben mittlerweile den Status ‚professioneller‘ Zeitzeug_innen, die eine durch regelmasige Wiederholungen eingeubte narrative Identitat als ‚Besatzungskind‘ prasentieren. Diese Verfestigung narrativer Strategien lasst sich besonders deutlich bei denjenigen verfolgen, von denen – neben den im Projekt durchgefuhrten Interviews – noch andere autobiographische Zeugnisse vorliegen. In einer Analyse, die sich strikt an der Chronologie der vorliegenden Dokumente orientiert und den Inkonsistenzen und Bruchen in den verschiedenen biographischen Erzahlungen eines Betroffenen nachgeht, wird die Genese und Verfestigung einer narrativen Identitat als ‚Besatzungskind‘ herausgearbeitet. ----- Bibliographie: Kleinau, Elke/Schmid, Rafaela: „Ich bin nicht ehemaliges Besatzungskind, sondern ich bin es immer noch“. Bruche und Inkonsistenzen in Erzahlungen von ‚professionellen‘ Zeitzeug_innen, BIOS, 2-2016, S. 241-252. https://doi.org/10.3224/bios.v29i2.07","PeriodicalId":197030,"journal":{"name":"BIOS – Zeitschrift für Biographieforschung, Oral History und Lebensverlaufsanalysen","volume":"29 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"2018-07-20","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"126427479","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
{"title":"Autobiographien als Kinder ihrer Zeit","authors":"Dorle Klika","doi":"10.3224/BIOS.V29I2.10","DOIUrl":"https://doi.org/10.3224/BIOS.V29I2.10","url":null,"abstract":"","PeriodicalId":197030,"journal":{"name":"BIOS – Zeitschrift für Biographieforschung, Oral History und Lebensverlaufsanalysen","volume":"3 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"2018-07-20","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"127280055","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
Zusammenfassung Lehrpersonen, die den Pfad einer normalen innerschulischen Karriere verliessen, werden mit ihren eigensinnigen biographischen Konfigurationen bildungsgeschichtlich wenig thematisiert. In diesem Beitrag hingegen werden zwei Fallbeispiele von ehemaligen Lehrpersonen in den Blick genommen, die in der ersten Halfte des 20. Jahrhunderts von einem Zurcher Seminarort herkommend u.a. zu Akteuren der russischen Revolution und zu literarischen Erfolgsautoren avancierten. Wie diese im Wechselspiel mit auserschulischen Prageorten und gesellschaftlichen Stromungen Freiheitsspielraume ausloteten, aber auch neue Zwange zur Lebensgestaltung erfuhren, wird in einer historischen Annaherung untersucht, welche selbstreflexive und fiktionale Formen der Autobiographie aufnimmt. Die anhand von vielfaltigem Quellenmaterial erschlossenen Suchbewegungen der Lehrer auf Abwegen werden in einem Zusammenhang mit der beruflichen Erstsozialisation gedeutet. ----- Bibliographie: Hoffmann-Ocon, Andreas/Grube, Norbert: „Lehrer auf Abwegen“. Bildungshistorische Annaherungen an ‚gebrochene‘ und ‚eigensinnige‘ Berufsbiographien in der ersten Halfte des 20. Jahrhunderts, BIOS, 2-2016, S. 208-219. https://doi.org/10.3224/bios.v29i2.05
{"title":"„Lehrer auf Abwegen“. Bildungshistorische Annäherungen an ‚gebrochene‘ und ‚eigensinnige‘ Berufsbiographien in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts","authors":"Andreas Hoffmann-Ocon, Norbert Grube","doi":"10.3224/BIOS.V29I2.05","DOIUrl":"https://doi.org/10.3224/BIOS.V29I2.05","url":null,"abstract":"Zusammenfassung Lehrpersonen, die den Pfad einer normalen innerschulischen Karriere verliessen, werden mit ihren eigensinnigen biographischen Konfigurationen bildungsgeschichtlich wenig thematisiert. In diesem Beitrag hingegen werden zwei Fallbeispiele von ehemaligen Lehrpersonen in den Blick genommen, die in der ersten Halfte des 20. Jahrhunderts von einem Zurcher Seminarort herkommend u.a. zu Akteuren der russischen Revolution und zu literarischen Erfolgsautoren avancierten. Wie diese im Wechselspiel mit auserschulischen Prageorten und gesellschaftlichen Stromungen Freiheitsspielraume ausloteten, aber auch neue Zwange zur Lebensgestaltung erfuhren, wird in einer historischen Annaherung untersucht, welche selbstreflexive und fiktionale Formen der Autobiographie aufnimmt. Die anhand von vielfaltigem Quellenmaterial erschlossenen Suchbewegungen der Lehrer auf Abwegen werden in einem Zusammenhang mit der beruflichen Erstsozialisation gedeutet. ----- Bibliographie: Hoffmann-Ocon, Andreas/Grube, Norbert: „Lehrer auf Abwegen“. Bildungshistorische Annaherungen an ‚gebrochene‘ und ‚eigensinnige‘ Berufsbiographien in der ersten Halfte des 20. Jahrhunderts, BIOS, 2-2016, S. 208-219. https://doi.org/10.3224/bios.v29i2.05","PeriodicalId":197030,"journal":{"name":"BIOS – Zeitschrift für Biographieforschung, Oral History und Lebensverlaufsanalysen","volume":"20 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"2018-07-20","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"117125274","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
Zusammenfassung In diesem Artikel wird die Verflechtung von Biographie und Werk des Englanders John Locke (1632-1704) in den Blick genommen. Erschlossen wird die Bedeutung seines Engagements in der europaischen Expansion, vor allem fur die Siedlungskolonisation in Nordamerika und fur sein Nachdenken uber die Erziehung der gentry. Der Bezug auf seine hinterlassenen Korrespondenzen ermoglicht es, sein soziales Netzwerk zu rekonstruieren und die Zeitraume der zeitgleichen Auseinandersetzung mit Fragen des menschlichen Verstands, des Rechts der Englander auf die Kolonisierung Amerikas und der Erziehung der zukunftigen Generation aufzuzeigen. Hinweise auf die Bedeutung des kolonialen Kontextes finden sich in allen seinen Hauptschriften, am besten sind sie fur seine Two Treatises of Government (1689) erforscht. Bezuge auf die indigene Bevolkerung der Amerikas finden sich auch in seiner Erziehungsschrift. Diesen Verweisen und ihrer Bedeutung fur seine Erziehung der gentry wird in diesem Artikel nachgegangen. ----- Bibliographie: Spieker, Susanne: John Lockes gentry education im Hinblick auf sein Engagement fur die Kolonisierung Nordamerikas, BIOS, 2-2016, S. 170-181. https://doi.org/10.3224/bios.v29i2.02
{"title":"John Lockes gentry education im Hinblick auf sein Engagement für die Kolonisierung Nordamerikas","authors":"Susanne Spieker","doi":"10.3224/bios.v29i2.02","DOIUrl":"https://doi.org/10.3224/bios.v29i2.02","url":null,"abstract":"Zusammenfassung In diesem Artikel wird die Verflechtung von Biographie und Werk des Englanders John Locke (1632-1704) in den Blick genommen. Erschlossen wird die Bedeutung seines Engagements in der europaischen Expansion, vor allem fur die Siedlungskolonisation in Nordamerika und fur sein Nachdenken uber die Erziehung der gentry. Der Bezug auf seine hinterlassenen Korrespondenzen ermoglicht es, sein soziales Netzwerk zu rekonstruieren und die Zeitraume der zeitgleichen Auseinandersetzung mit Fragen des menschlichen Verstands, des Rechts der Englander auf die Kolonisierung Amerikas und der Erziehung der zukunftigen Generation aufzuzeigen. Hinweise auf die Bedeutung des kolonialen Kontextes finden sich in allen seinen Hauptschriften, am besten sind sie fur seine Two Treatises of Government (1689) erforscht. Bezuge auf die indigene Bevolkerung der Amerikas finden sich auch in seiner Erziehungsschrift. Diesen Verweisen und ihrer Bedeutung fur seine Erziehung der gentry wird in diesem Artikel nachgegangen. ----- Bibliographie: Spieker, Susanne: John Lockes gentry education im Hinblick auf sein Engagement fur die Kolonisierung Nordamerikas, BIOS, 2-2016, S. 170-181. https://doi.org/10.3224/bios.v29i2.02","PeriodicalId":197030,"journal":{"name":"BIOS – Zeitschrift für Biographieforschung, Oral History und Lebensverlaufsanalysen","volume":"8 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"2018-07-20","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"126425108","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
Zusammenfassung Vor dem Hintergrund einer Interviewstudie zur Familienerziehung im Generationenvergleich geht der Beitrag der Frage nach, wie anhand von biographischen Texten, die anhand von themenzentrierten Interviews generiert wurden, ein Zugang zu Erziehungspraktiken moglich ist. Wahrend ein ethnographischer Zugang zu padagogischen Praktiken in der Regel auf Beobachtungen und Beschreibungen beruht, um die Praxis im modus operandi zu erfassen, ist in narrativen und reflexiven Interviewauserungen der Akteur die Erziehungspraxis nur indirekt reprasentiert. Dieses methodische Problem, auf das man unvermeidlich dann stost, wenn die soziale Praxis (z.B. weil sie vergangen ist) nicht beobachtbar ist, verweist in gegenstandskonzeptioneller Hinsicht auf das Verhaltnis von Wissen und Tun bzw. von Diskursen und Praktiken. In einem ersten Schritt wird daher versucht, das Verhaltnis von Diskursanalyse und Praxistheorie zu klaren und den wechselseitigen Zusammenhang beider Gegenstandsdimensionen herauszustellen. Darauf folgt ein Abschnitt zu methodischen Konsequenzen, die sich aus den gegenstandstheoretischen Erorterungen ergeben. Mit dem hier vorgestellten methodischen Ansatz wird ein Weg zur Analyse berichteter und kommentierter sozialer Praktiken vorgeschlagen, um eine Brucke zwischen praxistheoretischen Gegenstandsbestimmungen und diskurstheoretisch fundierten biographischen und historischen Analysen zu schlagen. ----- Bibliographie: Muller, Hans-Rudiger: Zur historischen Rekonstruktion von Erziehungspraktiken in Elternbiographien, BIOS, 2-2016, S. 266-274. https://doi.org/10.3224/bios.v29i2.09
{"title":"Zur historischen Rekonstruktion von Erziehungspraktiken in Elternbiographien","authors":"H. Müller","doi":"10.3224/BIOS.V29I2.09","DOIUrl":"https://doi.org/10.3224/BIOS.V29I2.09","url":null,"abstract":"Zusammenfassung Vor dem Hintergrund einer Interviewstudie zur Familienerziehung im Generationenvergleich geht der Beitrag der Frage nach, wie anhand von biographischen Texten, die anhand von themenzentrierten Interviews generiert wurden, ein Zugang zu Erziehungspraktiken moglich ist. Wahrend ein ethnographischer Zugang zu padagogischen Praktiken in der Regel auf Beobachtungen und Beschreibungen beruht, um die Praxis im modus operandi zu erfassen, ist in narrativen und reflexiven Interviewauserungen der Akteur die Erziehungspraxis nur indirekt reprasentiert. Dieses methodische Problem, auf das man unvermeidlich dann stost, wenn die soziale Praxis (z.B. weil sie vergangen ist) nicht beobachtbar ist, verweist in gegenstandskonzeptioneller Hinsicht auf das Verhaltnis von Wissen und Tun bzw. von Diskursen und Praktiken. In einem ersten Schritt wird daher versucht, das Verhaltnis von Diskursanalyse und Praxistheorie zu klaren und den wechselseitigen Zusammenhang beider Gegenstandsdimensionen herauszustellen. Darauf folgt ein Abschnitt zu methodischen Konsequenzen, die sich aus den gegenstandstheoretischen Erorterungen ergeben. Mit dem hier vorgestellten methodischen Ansatz wird ein Weg zur Analyse berichteter und kommentierter sozialer Praktiken vorgeschlagen, um eine Brucke zwischen praxistheoretischen Gegenstandsbestimmungen und diskurstheoretisch fundierten biographischen und historischen Analysen zu schlagen. ----- Bibliographie: Muller, Hans-Rudiger: Zur historischen Rekonstruktion von Erziehungspraktiken in Elternbiographien, BIOS, 2-2016, S. 266-274. https://doi.org/10.3224/bios.v29i2.09","PeriodicalId":197030,"journal":{"name":"BIOS – Zeitschrift für Biographieforschung, Oral History und Lebensverlaufsanalysen","volume":"572 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"2018-07-20","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"121911982","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
Zusammenfassung Der Beitrag behandelt die Frage, welche kulturellen Muster fur die autobiographische Prasentation des eigenen Bildungsweges genutzt werden und wie diese im Zusammenhang mit historisch gesellschaftlichen Diskursen uber Bildung interpretiert werden konnen. Dabei wird insbesondere untersucht, wie biographische Darstellungen des eigenen Bildungsweges im Rahmen von Bildungsinstitutionen hervorgebracht und eingeubt werden. Dies erfolgt zunachst aus der Perspektive der Historischen Bildungsforschung am Beispiel autobiographischer Dokumente aus den 1920/30er Jahren, anschliesend aus der Perspektive der sozialwissenschaftlichen Biographieforschung anhand zeitgenossischer Materialien. Ziel ist es, systematische Uberlegungen zur Konstruktion von Bildungsgeschichten anzuregen und exemplarisch zu zeigen, wie eine Verknupfung zwischen Historischer Bildungsforschung und Biographieforschung aussehen konnte. ----- Bibliographie: Dausien, Bettina/Kluchert, Gerhard: „Mein Bildungsgang“ – Biographische Muster der Selbstkonstruktion im historischen Vergleich. Beispiele und Argumente fur eine historisch-empirische Forschungsperspektive, BIOS, 2-2016, S. 220-240. https://doi.org/10.3224/bios.v29i2.06
{"title":"„Mein Bildungsgang“ – Biographische Muster der Selbstkonstruktion im historischen Vergleich Beispiele und Argumente für eine historisch-empirische Forschungsperspektive","authors":"Bettina Dausien, Gerhard Kluchert","doi":"10.3224/BIOS.V29I2.06","DOIUrl":"https://doi.org/10.3224/BIOS.V29I2.06","url":null,"abstract":"Zusammenfassung Der Beitrag behandelt die Frage, welche kulturellen Muster fur die autobiographische Prasentation des eigenen Bildungsweges genutzt werden und wie diese im Zusammenhang mit historisch gesellschaftlichen Diskursen uber Bildung interpretiert werden konnen. Dabei wird insbesondere untersucht, wie biographische Darstellungen des eigenen Bildungsweges im Rahmen von Bildungsinstitutionen hervorgebracht und eingeubt werden. Dies erfolgt zunachst aus der Perspektive der Historischen Bildungsforschung am Beispiel autobiographischer Dokumente aus den 1920/30er Jahren, anschliesend aus der Perspektive der sozialwissenschaftlichen Biographieforschung anhand zeitgenossischer Materialien. Ziel ist es, systematische Uberlegungen zur Konstruktion von Bildungsgeschichten anzuregen und exemplarisch zu zeigen, wie eine Verknupfung zwischen Historischer Bildungsforschung und Biographieforschung aussehen konnte. ----- Bibliographie: Dausien, Bettina/Kluchert, Gerhard: „Mein Bildungsgang“ – Biographische Muster der Selbstkonstruktion im historischen Vergleich. Beispiele und Argumente fur eine historisch-empirische Forschungsperspektive, BIOS, 2-2016, S. 220-240. https://doi.org/10.3224/bios.v29i2.06","PeriodicalId":197030,"journal":{"name":"BIOS – Zeitschrift für Biographieforschung, Oral History und Lebensverlaufsanalysen","volume":"331 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"2018-07-20","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"122840480","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
Zusammenfassung Die Selbstzeugnisse der Furstin Louise von Anhalt-Dessau erscheinen als lohnenswertes Material fur empirische Forschung im Kontext des Beginns der Biographisierung des burgerlichen und adeligen Lebens und dem Aufkommen emanzipatorischer Bestrebungen sowie neuer weiblicher Handlungsspielraume. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts gibt es publizierte biographische Darstellungen von Louise. In ihnen wird ein dem Stereotyp der adligen Frau entsprechendes Bild generiert, in dem die Furstin als eine Gescheiterte charakterisiert wird, die im Schatten des gelobten aufklarerischen Wirkens des Fursten stand und sich aus der Realitat ihrer Ehe in Melancholie und Schwarmerei fluchtete. Diesem Konstrukt eines gescheiterten Lebensentwurfs wird in jungeren Publikationen bewusst ein anderes Bild gegenubergestellt: das eines vollendeten Lebensentwurfs. In ihm werden ihre Kontakte mit Burgerlichen, ihre Abneigung gegenuber hofischen Festen und Pflichtkontakten, aber auch ihre Unterstutzung von Kunstlerinnen und Kunstlern als bewusste Umsetzung aufklarerischer Ideale interpretiert. In dem Beitrag wird deutlich, dass die bisherigen Arbeiten oftmals der Oberflache verhaftet bleiben und entweder unreflektiert das Konstrukt der Gescheiterten fortfuhren oder aber gegen dieses Bild anschreiben. Die Schwache der bisherigen Forschungsarbeiten scheint darin zu liegen, dass Louises Lebenswelt in ihren Bedeutungszusammenhangen nicht angemessen berucksichtigt wird. Fur weitere Forschungsprojekte scheint daher erfolgversprechend zu sein, ein modernes Biographiekonzept, wie es von Bettina Dausien entwickelt wurde, fur die Analysen historischer Selbstzeugnisse nutzbar zu machen. ----- Bibliographie: Mathias, Miriam: Zwischen einem gescheiterten und einem vollendeten Lebensentwurf. Uber die biographische (Re-)Konstruktion des Lebens der Furstin Louise von Anhalt-Dessau, BIOS, 2-2016, S. 182-191. https://doi.org/10.3224/bios.v29i2.03
{"title":"Zwischen einem gescheiterten und einem vollendeten Lebensentwurf. Über die biographische (Re-)Konstruktion des Lebens der Fürstin Louise von Anhalt-Dessau","authors":"M. Mathias","doi":"10.3224/bios.v29i2.03","DOIUrl":"https://doi.org/10.3224/bios.v29i2.03","url":null,"abstract":"Zusammenfassung Die Selbstzeugnisse der Furstin Louise von Anhalt-Dessau erscheinen als lohnenswertes Material fur empirische Forschung im Kontext des Beginns der Biographisierung des burgerlichen und adeligen Lebens und dem Aufkommen emanzipatorischer Bestrebungen sowie neuer weiblicher Handlungsspielraume. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts gibt es publizierte biographische Darstellungen von Louise. In ihnen wird ein dem Stereotyp der adligen Frau entsprechendes Bild generiert, in dem die Furstin als eine Gescheiterte charakterisiert wird, die im Schatten des gelobten aufklarerischen Wirkens des Fursten stand und sich aus der Realitat ihrer Ehe in Melancholie und Schwarmerei fluchtete. Diesem Konstrukt eines gescheiterten Lebensentwurfs wird in jungeren Publikationen bewusst ein anderes Bild gegenubergestellt: das eines vollendeten Lebensentwurfs. In ihm werden ihre Kontakte mit Burgerlichen, ihre Abneigung gegenuber hofischen Festen und Pflichtkontakten, aber auch ihre Unterstutzung von Kunstlerinnen und Kunstlern als bewusste Umsetzung aufklarerischer Ideale interpretiert. In dem Beitrag wird deutlich, dass die bisherigen Arbeiten oftmals der Oberflache verhaftet bleiben und entweder unreflektiert das Konstrukt der Gescheiterten fortfuhren oder aber gegen dieses Bild anschreiben. Die Schwache der bisherigen Forschungsarbeiten scheint darin zu liegen, dass Louises Lebenswelt in ihren Bedeutungszusammenhangen nicht angemessen berucksichtigt wird. Fur weitere Forschungsprojekte scheint daher erfolgversprechend zu sein, ein modernes Biographiekonzept, wie es von Bettina Dausien entwickelt wurde, fur die Analysen historischer Selbstzeugnisse nutzbar zu machen. ----- Bibliographie: Mathias, Miriam: Zwischen einem gescheiterten und einem vollendeten Lebensentwurf. Uber die biographische (Re-)Konstruktion des Lebens der Furstin Louise von Anhalt-Dessau, BIOS, 2-2016, S. 182-191. https://doi.org/10.3224/bios.v29i2.03","PeriodicalId":197030,"journal":{"name":"BIOS – Zeitschrift für Biographieforschung, Oral History und Lebensverlaufsanalysen","volume":"20 1","pages":"0"},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"2018-07-20","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"127747509","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}