In den letzten Jahren ist der Einfluss von Komorbiditäten auf die Krankheitsaktivität bei der Multiplen Sklerose in das Interesse der Forschung gerückt. Dies liegt zum einen im chronischen Verlauf der Erkrankung begründet, zum anderen in der hohen Prävalenz von Komorbiditäten bei Patienten mit Multipler Sklerose [1]. Eine kürzlich in der Zeitschrift Neurology veröffentlichte kanadische multizentrische Kohortenstudie hat diesen Zusammenhang nun in einem prospektiven standardisierten Design näher untersucht [2]. Der Fokus der Studie lag auf der Suche nach Assoziationen zwischen dem Vorliegen von Komorbiditäten zu Beginn der Studie sowie dem Schubrisiko in den folgenden zwei Jahren. Es wurden gezielt Komorbiditäten aus den Bereichen Autoimmunerkrankungen, kardiovaskuläre Risikofaktoren, Kopfschmerzerkrankungen sowie psychiatrische Erkrankungen abgefragt. Insgesamt wurden 885 Teilnehmer eingeschlossen. Das Vorliegen von Komorbiditäten wurde anhand standardisierter Fragebögen untersucht. Zusätzlich wurde ein Hospital Anxiety and Depression Scale (HADS) durchgeführt und die Schubrate wurde anhand medizinischer Unterlagen bestimmt. Eine Adjustierung erfolgte für folgende Kovariablen: Alter, Geschlecht, Krankheitsdauer, EDSS, bestehende immunmodulatorische Therapie sowie Schubrate in den letzten Jahren. Eine Assoziation mit einer erhöhten Schubrate fand sich zum einen bei Patienten mit mindestens drei weiteren Begleiterkrankungen zu Beginn der Studie. Spezifische Erkrankungen, deren Vorliegen mit einem erhöhten Schubrisiko assoziiert war, sind eine begleitende Migräne sowie eine Hyperlipidämie. Andere Komorbiditäten wie zum Beispiel Bluthochdruck, Depression, Diabetes mellitus oder eine Herzerkrankung waren hingegen nicht mit einer erhöhten Schubaktivität assoziiert. Auch wenn die Gründe für das Vorliegen dieser Assoziationen bisher ungeklärt sind, zeigt diese gut designte Studie, dass Komorbiditäten durchaus einen relevanten Einfluss auf die Krankheitsaktivität von Patienten mit Multipler Sklerose haben können. Um dies besser zu verstehen und zukünftig auch therapeutisch nutzen zu können, sind sicherlich weitere Studien notwendig. Insbesondere sollten ein breiteres Spektrum von Komorbiditäten sowie laborchemische und apparative Zusatzuntersuchungen berücksichtigt werden.
{"title":"Aktuelles aus der Forschung","authors":"L. Klotz, I. Metz","doi":"10.1055/s-0044-100556","DOIUrl":"https://doi.org/10.1055/s-0044-100556","url":null,"abstract":"In den letzten Jahren ist der Einfluss von Komorbiditäten auf die Krankheitsaktivität bei der Multiplen Sklerose in das Interesse der Forschung gerückt. Dies liegt zum einen im chronischen Verlauf der Erkrankung begründet, zum anderen in der hohen Prävalenz von Komorbiditäten bei Patienten mit Multipler Sklerose [1]. Eine kürzlich in der Zeitschrift Neurology veröffentlichte kanadische multizentrische Kohortenstudie hat diesen Zusammenhang nun in einem prospektiven standardisierten Design näher untersucht [2]. Der Fokus der Studie lag auf der Suche nach Assoziationen zwischen dem Vorliegen von Komorbiditäten zu Beginn der Studie sowie dem Schubrisiko in den folgenden zwei Jahren. Es wurden gezielt Komorbiditäten aus den Bereichen Autoimmunerkrankungen, kardiovaskuläre Risikofaktoren, Kopfschmerzerkrankungen sowie psychiatrische Erkrankungen abgefragt. Insgesamt wurden 885 Teilnehmer eingeschlossen. Das Vorliegen von Komorbiditäten wurde anhand standardisierter Fragebögen untersucht. Zusätzlich wurde ein Hospital Anxiety and Depression Scale (HADS) durchgeführt und die Schubrate wurde anhand medizinischer Unterlagen bestimmt. Eine Adjustierung erfolgte für folgende Kovariablen: Alter, Geschlecht, Krankheitsdauer, EDSS, bestehende immunmodulatorische Therapie sowie Schubrate in den letzten Jahren. Eine Assoziation mit einer erhöhten Schubrate fand sich zum einen bei Patienten mit mindestens drei weiteren Begleiterkrankungen zu Beginn der Studie. Spezifische Erkrankungen, deren Vorliegen mit einem erhöhten Schubrisiko assoziiert war, sind eine begleitende Migräne sowie eine Hyperlipidämie. Andere Komorbiditäten wie zum Beispiel Bluthochdruck, Depression, Diabetes mellitus oder eine Herzerkrankung waren hingegen nicht mit einer erhöhten Schubaktivität assoziiert. Auch wenn die Gründe für das Vorliegen dieser Assoziationen bisher ungeklärt sind, zeigt diese gut designte Studie, dass Komorbiditäten durchaus einen relevanten Einfluss auf die Krankheitsaktivität von Patienten mit Multipler Sklerose haben können. Um dies besser zu verstehen und zukünftig auch therapeutisch nutzen zu können, sind sicherlich weitere Studien notwendig. Insbesondere sollten ein breiteres Spektrum von Komorbiditäten sowie laborchemische und apparative Zusatzuntersuchungen berücksichtigt werden.","PeriodicalId":50832,"journal":{"name":"Aktuelle Neurologie","volume":"45 1","pages":"56 - 57"},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"2018-02-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"https://sci-hub-pdf.com/10.1055/s-0044-100556","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"48932092","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
S. Thiel, F. Leypoldt, Luise Röpke, K. Wandinger, T. Kümpfel, O. Aktas, O. von Bismarck, A. Salmen, B. Ambrosius, G. Ellrichmann, G. Antony, Theresa Dankowski, A. Ziegler, A. Stahmann, Carola Meyer, Kerstin Eichstädt, Karoline Buckow, T. Meissner, J. Thibaut, L. Khil, K. Berger, R. Gold, K. Hellwig
Zusammenfassung In den letzten 10 Jahren wurden in Deutschland mehrere neuroimmunologische Register aufgebaut. Grundlegendes Ziel ist es, mehr über den Verlauf der entsprechenden Erkrankung, insbesondere unter therapeutischen Bedingungen, oder auch Nebenwirkungen eingesetzter Immuntherapeutika zu erfahren, im besten Fall prädiktive Marker zu identifizieren. Sechs dieser Register möchten wir im folgenden Artikel vorstellen. Das Deutsche Netzwerk zur Erforschung autoimmuner Enzephalitiden (GENERATE) mit mehr als 40 beteiligten Zentren und 570 dokumentierten Patienten (Stand September 2016) sammelt klinische Daten und Biomaterialien von Patienten mit autoimmunen Enzephalitiden mit bekannten und unbekannten Antikörpern. Es koordiniert und vermittelt die Verbindung zwischen Wissenschaftlern und Klinikern und dient als Plattform zur Entwicklung gemeinsamer Leitlinien und Prozeduren. Die NeuroMyelitis Optica Studiengruppe (NEMOS) hat ein nationales Register für Patienten mit Neuromyelitis optica und Neuromyelitis optica Spektrum-Erkrankungen aufgebaut. Am Register sind neben 22 Kliniken der Maximalversorgung auch 17 regionale Krankenhäuser und etliche Praxen beteiligt, aktuell sind etwa 250 Patienten erfasst. Mit „NationNMO“ baut NEMOS derzeit innerhalb des Kompetenznetzes Multiple Sklerose eine prospektive Kohorte auf. Die besten Behandlungsstrategien sowohl für akute Schübe als auch deren Prophylaxe stehen im Fokus der aktuellen Forschungsarbeit von NEMOS. Das Kompetenznetz Multiple Sklerose hat eine multizentrische, prospektive Kohortenstudie für therapienaive Patienten mit klinisch isoliertem Syndrom (KIS) und früher schubförmiger Multipler Sklerose (MS) initiiert (NationMS), mit dem Ziel der langfristigen Beobachtung und klinischer wie paraklinischer Charakterisierung der Patienten. Von August 2010 bis Dezember 2014 wurden in 22 universitären und nicht-universitären Zentren 1212 Patienten in die NationMS-Kohorte eingeschlossen, von denen standardisierte klinische Daten, Biomaterial und MRT-Bilddaten asserviert wurden. Die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft, Bundesverband e. V. begann 2001 die Etablierung eines MS-Registers als ein Langzeitprojekt, um eine einheitliche, verlässliche Übersicht über die MS-Erkrankung in Deutschland zu erhalten. Nach einer umfassenden Revision im Jahre 2014 ist nun das primäre Ziel, ein dauerhaftes Datenrepositorium für die Versorgungsforschung zu etablieren, welches die Erfassung, Speicherung und Bereitstellung von Daten von MS-Erkrankten über Jahrzehnte gewährleistet und somit die Darstellung von Langzeitverläufen ermöglicht. In über 170 deutschlandweiten Zentren konnten bisher mehr als 48 000 Patienten eingeschlossen werden. Ebenfalls vom Kompetenznetz Multiple Sklerose wurde Anfang 2013 das Immuntherapieregister REGIMS initiiert. Primäres Ziel von REGIMS ist die Erfassung der Inzidenz, Art und Eigenschaft von unerwünschten Ereignissen aktueller und zukünftiger Immuntherapeutika in der Behandlung von Patienten
{"title":"Neuroimmunologische Register in Deutschland","authors":"S. Thiel, F. Leypoldt, Luise Röpke, K. Wandinger, T. Kümpfel, O. Aktas, O. von Bismarck, A. Salmen, B. Ambrosius, G. Ellrichmann, G. Antony, Theresa Dankowski, A. Ziegler, A. Stahmann, Carola Meyer, Kerstin Eichstädt, Karoline Buckow, T. Meissner, J. Thibaut, L. Khil, K. Berger, R. Gold, K. Hellwig","doi":"10.1055/s-0043-108909","DOIUrl":"https://doi.org/10.1055/s-0043-108909","url":null,"abstract":"Zusammenfassung In den letzten 10 Jahren wurden in Deutschland mehrere neuroimmunologische Register aufgebaut. Grundlegendes Ziel ist es, mehr über den Verlauf der entsprechenden Erkrankung, insbesondere unter therapeutischen Bedingungen, oder auch Nebenwirkungen eingesetzter Immuntherapeutika zu erfahren, im besten Fall prädiktive Marker zu identifizieren. Sechs dieser Register möchten wir im folgenden Artikel vorstellen. Das Deutsche Netzwerk zur Erforschung autoimmuner Enzephalitiden (GENERATE) mit mehr als 40 beteiligten Zentren und 570 dokumentierten Patienten (Stand September 2016) sammelt klinische Daten und Biomaterialien von Patienten mit autoimmunen Enzephalitiden mit bekannten und unbekannten Antikörpern. Es koordiniert und vermittelt die Verbindung zwischen Wissenschaftlern und Klinikern und dient als Plattform zur Entwicklung gemeinsamer Leitlinien und Prozeduren. Die NeuroMyelitis Optica Studiengruppe (NEMOS) hat ein nationales Register für Patienten mit Neuromyelitis optica und Neuromyelitis optica Spektrum-Erkrankungen aufgebaut. Am Register sind neben 22 Kliniken der Maximalversorgung auch 17 regionale Krankenhäuser und etliche Praxen beteiligt, aktuell sind etwa 250 Patienten erfasst. Mit „NationNMO“ baut NEMOS derzeit innerhalb des Kompetenznetzes Multiple Sklerose eine prospektive Kohorte auf. Die besten Behandlungsstrategien sowohl für akute Schübe als auch deren Prophylaxe stehen im Fokus der aktuellen Forschungsarbeit von NEMOS. Das Kompetenznetz Multiple Sklerose hat eine multizentrische, prospektive Kohortenstudie für therapienaive Patienten mit klinisch isoliertem Syndrom (KIS) und früher schubförmiger Multipler Sklerose (MS) initiiert (NationMS), mit dem Ziel der langfristigen Beobachtung und klinischer wie paraklinischer Charakterisierung der Patienten. Von August 2010 bis Dezember 2014 wurden in 22 universitären und nicht-universitären Zentren 1212 Patienten in die NationMS-Kohorte eingeschlossen, von denen standardisierte klinische Daten, Biomaterial und MRT-Bilddaten asserviert wurden. Die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft, Bundesverband e. V. begann 2001 die Etablierung eines MS-Registers als ein Langzeitprojekt, um eine einheitliche, verlässliche Übersicht über die MS-Erkrankung in Deutschland zu erhalten. Nach einer umfassenden Revision im Jahre 2014 ist nun das primäre Ziel, ein dauerhaftes Datenrepositorium für die Versorgungsforschung zu etablieren, welches die Erfassung, Speicherung und Bereitstellung von Daten von MS-Erkrankten über Jahrzehnte gewährleistet und somit die Darstellung von Langzeitverläufen ermöglicht. In über 170 deutschlandweiten Zentren konnten bisher mehr als 48 000 Patienten eingeschlossen werden. Ebenfalls vom Kompetenznetz Multiple Sklerose wurde Anfang 2013 das Immuntherapieregister REGIMS initiiert. Primäres Ziel von REGIMS ist die Erfassung der Inzidenz, Art und Eigenschaft von unerwünschten Ereignissen aktueller und zukünftiger Immuntherapeutika in der Behandlung von Patienten ","PeriodicalId":50832,"journal":{"name":"Aktuelle Neurologie","volume":"45 1","pages":"7 - 23"},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"2018-02-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"https://sci-hub-pdf.com/10.1055/s-0043-108909","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"43490793","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
Laurent M. Willems, Stephanie Wallenwein, Arne Lauer, J. Schäfer, M. Wagner, F. Reinhuber, A. Strzelczyk, H. Steinmetz, W. Pfeilschifter
Zusammenfassung Wir berichten über eine 23-jährige Patientin, die sich in unserer Klinik aufgrund einer akut aufgetretenen, schweren Wesensveränderung sowie seit mehreren Wochen bestehender Cephalgien und fieberhaftem Infekt vorstellte. Als Ursache zeigte sich eine äußere und innere zerebrale Sinus/-Venenthrombose, welche auf eine venöse Drainagebehinderung bei Kompression der V. jugularis interna links durch eine ausgeprägte zervikale Lymphadenopathie bei Pfeifferschem Drüsenfieber (Epstein-Barr-Virus-Infektion) zurückzuführen war. Unter Therapie mit niedermolekularem Heparin bildete sich die Symptomatik weitgehend zurück.
{"title":"Zerebrale Sinus/-Venenthrombose durch zervikale Lymphadenopathie mit Jugularvenenkompression bei akuter EBV-Infektion","authors":"Laurent M. Willems, Stephanie Wallenwein, Arne Lauer, J. Schäfer, M. Wagner, F. Reinhuber, A. Strzelczyk, H. Steinmetz, W. Pfeilschifter","doi":"10.1055/s-0043-117605","DOIUrl":"https://doi.org/10.1055/s-0043-117605","url":null,"abstract":"Zusammenfassung Wir berichten über eine 23-jährige Patientin, die sich in unserer Klinik aufgrund einer akut aufgetretenen, schweren Wesensveränderung sowie seit mehreren Wochen bestehender Cephalgien und fieberhaftem Infekt vorstellte. Als Ursache zeigte sich eine äußere und innere zerebrale Sinus/-Venenthrombose, welche auf eine venöse Drainagebehinderung bei Kompression der V. jugularis interna links durch eine ausgeprägte zervikale Lymphadenopathie bei Pfeifferschem Drüsenfieber (Epstein-Barr-Virus-Infektion) zurückzuführen war. Unter Therapie mit niedermolekularem Heparin bildete sich die Symptomatik weitgehend zurück.","PeriodicalId":50832,"journal":{"name":"Aktuelle Neurologie","volume":"45 1","pages":"135 - 141"},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"2018-01-08","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"https://sci-hub-pdf.com/10.1055/s-0043-117605","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"42496813","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
A. Grau, M. Maschke, B. Baier, J. Wöhrle, K. Gröschel, U. Jobst, U. Pfeiffer, M. Fiedler
Zusammenfassung Verkürzte Liegezeiten, wachsender administrativer Aufwand, eine zunehmende Komplexität in Diagnostik und Therapie und der wirtschaftliche Druck gehen mit einer Zunahme der Arbeitsdichte für Ärzte in neurologischen Kliniken einher. Eine zu hohe Arbeitsdichte kann die Behandlungsqualität beeinträchtigen und die Ausbildung von Assistenzärzten gefährden. In der Pflege, in psychiatrischen Kliniken und im Bereich der neurologischen Rehabilitation gibt es aktuell Ansätze, Mindestpersonalstandards einzuführen. Vor diesem Hintergrund plädieren die Autoren für: – die Einführung von Personaluntergrenzen für Ärzte in neurologischen Kliniken, aber auch für andere Berufsgruppen und andere medizinische Fächer – die Entwicklung eines Personalbemessungsinstruments, mit dessen Hilfe für jede Klinik ein angemessener Personalschlüssel festgelegt werden kann – eine Verbindlichkeit der Personalstandards einschließlich einer kompletten Gegenfinanzierung – realistische Übergangsfristen angesichts des aktuellen Ärztemangels
{"title":"Regelungen zum Personalbedarf für Ärzte in neurologischen Kliniken – ein Plädoyer","authors":"A. Grau, M. Maschke, B. Baier, J. Wöhrle, K. Gröschel, U. Jobst, U. Pfeiffer, M. Fiedler","doi":"10.1055/s-0043-124431","DOIUrl":"https://doi.org/10.1055/s-0043-124431","url":null,"abstract":"Zusammenfassung Verkürzte Liegezeiten, wachsender administrativer Aufwand, eine zunehmende Komplexität in Diagnostik und Therapie und der wirtschaftliche Druck gehen mit einer Zunahme der Arbeitsdichte für Ärzte in neurologischen Kliniken einher. Eine zu hohe Arbeitsdichte kann die Behandlungsqualität beeinträchtigen und die Ausbildung von Assistenzärzten gefährden. In der Pflege, in psychiatrischen Kliniken und im Bereich der neurologischen Rehabilitation gibt es aktuell Ansätze, Mindestpersonalstandards einzuführen. Vor diesem Hintergrund plädieren die Autoren für: – die Einführung von Personaluntergrenzen für Ärzte in neurologischen Kliniken, aber auch für andere Berufsgruppen und andere medizinische Fächer – die Entwicklung eines Personalbemessungsinstruments, mit dessen Hilfe für jede Klinik ein angemessener Personalschlüssel festgelegt werden kann – eine Verbindlichkeit der Personalstandards einschließlich einer kompletten Gegenfinanzierung – realistische Übergangsfristen angesichts des aktuellen Ärztemangels","PeriodicalId":50832,"journal":{"name":"Aktuelle Neurologie","volume":"45 1","pages":"343 - 348"},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"2018-01-08","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"https://sci-hub-pdf.com/10.1055/s-0043-124431","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"48728043","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
T. Neuendorf, D. Zschäbitz, N. Nitzsche, H. Schulz
Zusammenfassung Hintergrund Der Schlaganfall ist für die betroffenen Patienten häufig mit motorischen Einschränkungen der oberen Extremitäten verbunden. Ein Ziel der anschließenden Rehabilitation ist die möglichst selbstständige Bewältigung der vielfältigen Aufgaben des täglichen Lebens. Neue Therapieverfahren nutzen verschiedene Hardwarekomponenten, um digitale Therapieinhalte umzusetzen. Diese können eine sinnvolle Ergänzung zu etablierten Standardverfahren darstellen. Ziel der Arbeit In dieser Studie soll der Effekt eines innovativen bewegungstherapeutischen Therapiekonzepts mit einem Roboterball auf motorische Parameter bei Schlaganfallpatienten überprüft werden. Material und Methoden An der Crossover-Studie nahmen 25 Patienten (60,0 ± 10,0 Jahre, 172,5 ± 13,8 cm, 79,5 ± 13,8 kg, 89,8 ± 72,6 Monate post-stroke) teil. Der Interventions- sowie der Kontrollzeitraum umfassten jeweils 12 Wochen. Das Training mit dem Roboterball erfolgte als Ergänzung zur Standardtherapie zweimal pro Woche für jeweils 45 min. Verschiedene spielerische Inhalte wurden mithilfe von einem Tablet und einem Smartphone durchgeführt. Ergebnisse Die isometrische Greifkraft konnte um 4,5 ± 3,6 kg (p = 0,000) erhöht werden. Die unilaterale Geschicklichkeit im Roundblock-Test verbesserte sich um 7,5 ± 6,3 gültige Versuche (p = 0,000). Die durch den QuickDASH-Fragebogen erhobene subjektive Gesundheitswahrnehmung der Patienten verbesserte sich um 12,4 ± 13,0 Punkte (p = 0,001). Diskussion Die zusätzliche Therapie mit dem Roboterball konnte die Funktionsfähigkeit der oberen Extremitäten bei chronischen Schlaganfallpatienten verbessern sowie deren subjektive Gesundheitswahrnehmung positiv beeinflussen. Hingegen stagnierte die Leistungsfähigkeit bei alleiniger Standardtherapie. Moderat betroffene Patienten profitierten am stärksten. Sehr stark ausgeprägte motorische oder kognitive Symptomatik führte teilweise zum Dropout. Die Ergebnisse sollten mit größeren Stichproben verifiziert werden.
{"title":"Bewegungstherapie der oberen Extremitäten mit einem Roboterball bei Schlaganfallpatienten – Ergebnisse einer randomisierten kontrollierten Crossover-Studie","authors":"T. Neuendorf, D. Zschäbitz, N. Nitzsche, H. Schulz","doi":"10.1055/s-0043-122220","DOIUrl":"https://doi.org/10.1055/s-0043-122220","url":null,"abstract":"Zusammenfassung Hintergrund Der Schlaganfall ist für die betroffenen Patienten häufig mit motorischen Einschränkungen der oberen Extremitäten verbunden. Ein Ziel der anschließenden Rehabilitation ist die möglichst selbstständige Bewältigung der vielfältigen Aufgaben des täglichen Lebens. Neue Therapieverfahren nutzen verschiedene Hardwarekomponenten, um digitale Therapieinhalte umzusetzen. Diese können eine sinnvolle Ergänzung zu etablierten Standardverfahren darstellen. Ziel der Arbeit In dieser Studie soll der Effekt eines innovativen bewegungstherapeutischen Therapiekonzepts mit einem Roboterball auf motorische Parameter bei Schlaganfallpatienten überprüft werden. Material und Methoden An der Crossover-Studie nahmen 25 Patienten (60,0 ± 10,0 Jahre, 172,5 ± 13,8 cm, 79,5 ± 13,8 kg, 89,8 ± 72,6 Monate post-stroke) teil. Der Interventions- sowie der Kontrollzeitraum umfassten jeweils 12 Wochen. Das Training mit dem Roboterball erfolgte als Ergänzung zur Standardtherapie zweimal pro Woche für jeweils 45 min. Verschiedene spielerische Inhalte wurden mithilfe von einem Tablet und einem Smartphone durchgeführt. Ergebnisse Die isometrische Greifkraft konnte um 4,5 ± 3,6 kg (p = 0,000) erhöht werden. Die unilaterale Geschicklichkeit im Roundblock-Test verbesserte sich um 7,5 ± 6,3 gültige Versuche (p = 0,000). Die durch den QuickDASH-Fragebogen erhobene subjektive Gesundheitswahrnehmung der Patienten verbesserte sich um 12,4 ± 13,0 Punkte (p = 0,001). Diskussion Die zusätzliche Therapie mit dem Roboterball konnte die Funktionsfähigkeit der oberen Extremitäten bei chronischen Schlaganfallpatienten verbessern sowie deren subjektive Gesundheitswahrnehmung positiv beeinflussen. Hingegen stagnierte die Leistungsfähigkeit bei alleiniger Standardtherapie. Moderat betroffene Patienten profitierten am stärksten. Sehr stark ausgeprägte motorische oder kognitive Symptomatik führte teilweise zum Dropout. Die Ergebnisse sollten mit größeren Stichproben verifiziert werden.","PeriodicalId":50832,"journal":{"name":"Aktuelle Neurologie","volume":"45 1","pages":"434 - 444"},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"2017-12-18","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"https://sci-hub-pdf.com/10.1055/s-0043-122220","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"42988894","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
Ich gehöre zu der Generation von Neurologen, die ihr internistisches Wissen weit überwiegend aus diesem „Zürcher“ Buch bezogen hat. 21 Auflagen in fünfeinhalb Jahrzehnten und Übersetzungen in 13 Fremdsprachen sprechen für sich. Auf Robert Hegglin (1907–1969), den (Mit-) Herausgeber der ersten 8 Auflagen bis 1980, folgte bis 2005 Walter Siegenthaler (1923–2010), seit der 20. Auflage nun Edouard Battegay. Alle drei waren bzw. sind Professoren für Innere Medizin an der Medizinischen (Klinik und) Poliklinik des Universitätsspitals Zürich. Seit der Vorauflage sind 4 Jahre vergangen, was allein schon in Anbetracht des nur noch auf wenige Jahre geschätzten Zeitraums der Verdopplung des medizinischen Wissens eine Neuauflage rechtfertigt. Nicht umsonst hat auch der Umfang des Buches nochmals um rund 200 Seiten zugenommen. Mehr als die Hälfte der insgesamt 60 Autoren stammt aus dem UniversitätsSpital Zürich (USZ), viele weitere aus dessen „Dunstkreis“. Dies trägt sicherlich zu der bewährten einheitlichen Darstellung bei. Für die neurologischen Beiträge wie Schwindel und Bewusstseinsstörungen sind überwiegend der erfahrene Notfallund Intensivneurologe Urs Schwarz und der Neuroonkologe Michael Weller aus dem USZ verantwortlich. Ich empfehle dieses Buch nachdrücklich allen Kolleginnen und Kollegen unseres Fachgebietes, und dabei sowohl denjenigen in der Weiterbildung als auch danach, weniger wegen der neurologischen Beiträge als wegen der sonstigen auf internistischem Fachgebiet. In Deutschland fordert die Weiterbildungsordnung ja nach wie vor 12 Monate Psychiatrie/Psychotherapie/Psychosomatik, während Innere Medizin fakultativ ist. In Ländern wie der Schweiz oder den USA ist ein Jahr Innere Medizin Pflicht, was wahrscheinlich vielen neurologischen Patienten zugutekommt.
{"title":"Differenzialdiagnose Innerer Krankheiten","authors":"I. Krankheiten","doi":"10.1055/s-0043-122139","DOIUrl":"https://doi.org/10.1055/s-0043-122139","url":null,"abstract":"Ich gehöre zu der Generation von Neurologen, die ihr internistisches Wissen weit überwiegend aus diesem „Zürcher“ Buch bezogen hat. 21 Auflagen in fünfeinhalb Jahrzehnten und Übersetzungen in 13 Fremdsprachen sprechen für sich. Auf Robert Hegglin (1907–1969), den (Mit-) Herausgeber der ersten 8 Auflagen bis 1980, folgte bis 2005 Walter Siegenthaler (1923–2010), seit der 20. Auflage nun Edouard Battegay. Alle drei waren bzw. sind Professoren für Innere Medizin an der Medizinischen (Klinik und) Poliklinik des Universitätsspitals Zürich. Seit der Vorauflage sind 4 Jahre vergangen, was allein schon in Anbetracht des nur noch auf wenige Jahre geschätzten Zeitraums der Verdopplung des medizinischen Wissens eine Neuauflage rechtfertigt. Nicht umsonst hat auch der Umfang des Buches nochmals um rund 200 Seiten zugenommen. Mehr als die Hälfte der insgesamt 60 Autoren stammt aus dem UniversitätsSpital Zürich (USZ), viele weitere aus dessen „Dunstkreis“. Dies trägt sicherlich zu der bewährten einheitlichen Darstellung bei. Für die neurologischen Beiträge wie Schwindel und Bewusstseinsstörungen sind überwiegend der erfahrene Notfallund Intensivneurologe Urs Schwarz und der Neuroonkologe Michael Weller aus dem USZ verantwortlich. Ich empfehle dieses Buch nachdrücklich allen Kolleginnen und Kollegen unseres Fachgebietes, und dabei sowohl denjenigen in der Weiterbildung als auch danach, weniger wegen der neurologischen Beiträge als wegen der sonstigen auf internistischem Fachgebiet. In Deutschland fordert die Weiterbildungsordnung ja nach wie vor 12 Monate Psychiatrie/Psychotherapie/Psychosomatik, während Innere Medizin fakultativ ist. In Ländern wie der Schweiz oder den USA ist ein Jahr Innere Medizin Pflicht, was wahrscheinlich vielen neurologischen Patienten zugutekommt.","PeriodicalId":50832,"journal":{"name":"Aktuelle Neurologie","volume":"44 1","pages":"760 - 760"},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"2017-12-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"48665468","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
Zusammenfassung Chronischer Schmerz hat seine Warnfunktion verloren und ist mit einer Dysfunktion des sog. Schmerznetzwerks assoziiert. Eine ggf. konsekutive Applikation der Hirnstimulation zielt durch die Modulation neuronaler Aktivitäten auf eine Normalisierung dieses Netzwerkes ab. Die nicht invasive Gleichstromstimulation (tDCS) oder repetitive transkranielle Magnetstimulation (rTMS) gelten in der Schmerzbehandlung als wirksam. Hierbei spielt die Stimulation des primären motorischen Kortex (M1) eine zentrale Rolle. Bei nicht ausreichender positiver Beeinflussung des Schmerzes durch tDCS und rTMS stehen invasive Verfahren wie Motorkortexstimulation (MCS) oder tiefe Hirnstimulation als Ultima Ratio zur Verfügung.
{"title":"Neues zur Hirnstimulation bei chronischen Schmerzen","authors":"A. Antal, W. Paulus, V. Rohde","doi":"10.1055/s-0043-119975","DOIUrl":"https://doi.org/10.1055/s-0043-119975","url":null,"abstract":"Zusammenfassung Chronischer Schmerz hat seine Warnfunktion verloren und ist mit einer Dysfunktion des sog. Schmerznetzwerks assoziiert. Eine ggf. konsekutive Applikation der Hirnstimulation zielt durch die Modulation neuronaler Aktivitäten auf eine Normalisierung dieses Netzwerkes ab. Die nicht invasive Gleichstromstimulation (tDCS) oder repetitive transkranielle Magnetstimulation (rTMS) gelten in der Schmerzbehandlung als wirksam. Hierbei spielt die Stimulation des primären motorischen Kortex (M1) eine zentrale Rolle. Bei nicht ausreichender positiver Beeinflussung des Schmerzes durch tDCS und rTMS stehen invasive Verfahren wie Motorkortexstimulation (MCS) oder tiefe Hirnstimulation als Ultima Ratio zur Verfügung.","PeriodicalId":50832,"journal":{"name":"Aktuelle Neurologie","volume":"44 1","pages":"728 - 732"},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"2017-12-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"https://sci-hub-pdf.com/10.1055/s-0043-119975","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"45580012","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
die Faszination für spannende neurologische Syndrome, ungewöhnliche Präsentationen und ausgefallene Diagnosen hat für viele von uns den Ausschlag gegeben, sich für „unser“ Fach zu entscheiden. Bei aller medizinischen Sorgfalt kommt es jedoch im klinischen Alltag zu Fehlern und auch zu Fehldiagnosen. Natürlich werden diese in aller Regel rasch korrigiert und (hoffentlich) auch diskutiert, dennoch sollten wir uns mit den Mechanismen, die zu Fehldiagnosen führen, beschäftigen: Einige davon sind durch die Erkenntnisse der kognitiven Psychologie, die sich damit beschäftigt, wie wir schlussfolgern, beurteilen und Entscheidungen treffen, zu beantworten. Grundlegende Arbeiten hierzu stammen von Tversky und Kahneman mit der Formulierung der „Prospect Theory“, welche erklärt, wie wir in risikobehafteten Situationen Entscheidungen treffen und die später mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde (empfohlen sei hier auch der Klassiker „Thinking, fast and slow“ von Daniel Kahneman). Diese Erkenntnisse dann auf die Medizin zu übertragen, ist insbesondere eine Leistung von Donald Redelmeier aus Toronto, der sich unter anderem mit der kognitiven Psychologie der Fehldiagnose beschäftigt hat. In unserem medizinischen Alltag nutzen wir häufig Erfahrungswerte und Analogschlüsse (also „Heuristik“), um Diagnosen zu stellen. Letztlich kommen wir also häufig durch eine Reihe von geistigen „Abkürzungen“ zum Ziel: Meistens führt dies zum richtigen Ergebnis, es ist pragmatisch (wohl auch ökonomisch) und für unseren medizinischen Alltag damit sinnvoll. Die kognitive Psychologie beschreibt nun aber mehrere Mechanismen, wie es hierbei zu Fehlern kommen kann: 1. Availability („Verfügbarkeit“): Als wahrscheinlich wird das erachtet, was uns als Erstes in den Sinn kommt. Ein allgemeines Beispiel hierfür ist z. B., dass uns auf die Frage, ob es mehr deutsche Wörter mit dem Buchstaben „R“ an erster vs. an dritter Stelle gibt, spontan mehr Wörter einfallen, die mit einem „R“ beginnen (diese sind „verfügbarer“). So ist es auch mit Diagnosen – meistens kommt uns eine bestimmte Diagnose sofort in den Sinn (sie „springt uns an“ – und häufig genug ist sie auch richtig), wohingegen z. B. eine systematische Analyse von Symptomen, Befunden und epidemiologischen Häufigkeiten häufig nicht erfolgt. 2. Anchoring („Verankerung“): Eine einmal getroffene Einschätzung wird nicht mehr verlassen; im medizinischen Kontext bedeutet dies insbesondere, dass, nachdem eine Diagnose einmal gestellt ist, wir dazu nicht passende Befunde nicht genügend berücksichtigen (geistig „in den Skat drücken“ – dann auch als 3. Premature closure bezeichnet). 4. Framing („Einrahmen“): Insbesondere bei komplexen Zusammenhängen wird unsere Entscheidung davon geleitet, wie uns die Information präsentiert wird. Dies spielt nicht nur bei der Diagnosestellung eine Rolle, sondern auf Patientenseite insbesondere bei der Entscheidung für die eine oder andere Therapie: Wird eine Therapie mit 5% Mortalität angegeben, wird sie weniger hä
{"title":"Die Psychologie der Fehldiagnose","authors":"M. Endres","doi":"10.1055/S-0043-121998","DOIUrl":"https://doi.org/10.1055/S-0043-121998","url":null,"abstract":"die Faszination für spannende neurologische Syndrome, ungewöhnliche Präsentationen und ausgefallene Diagnosen hat für viele von uns den Ausschlag gegeben, sich für „unser“ Fach zu entscheiden. Bei aller medizinischen Sorgfalt kommt es jedoch im klinischen Alltag zu Fehlern und auch zu Fehldiagnosen. Natürlich werden diese in aller Regel rasch korrigiert und (hoffentlich) auch diskutiert, dennoch sollten wir uns mit den Mechanismen, die zu Fehldiagnosen führen, beschäftigen: Einige davon sind durch die Erkenntnisse der kognitiven Psychologie, die sich damit beschäftigt, wie wir schlussfolgern, beurteilen und Entscheidungen treffen, zu beantworten. Grundlegende Arbeiten hierzu stammen von Tversky und Kahneman mit der Formulierung der „Prospect Theory“, welche erklärt, wie wir in risikobehafteten Situationen Entscheidungen treffen und die später mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde (empfohlen sei hier auch der Klassiker „Thinking, fast and slow“ von Daniel Kahneman). Diese Erkenntnisse dann auf die Medizin zu übertragen, ist insbesondere eine Leistung von Donald Redelmeier aus Toronto, der sich unter anderem mit der kognitiven Psychologie der Fehldiagnose beschäftigt hat. In unserem medizinischen Alltag nutzen wir häufig Erfahrungswerte und Analogschlüsse (also „Heuristik“), um Diagnosen zu stellen. Letztlich kommen wir also häufig durch eine Reihe von geistigen „Abkürzungen“ zum Ziel: Meistens führt dies zum richtigen Ergebnis, es ist pragmatisch (wohl auch ökonomisch) und für unseren medizinischen Alltag damit sinnvoll. Die kognitive Psychologie beschreibt nun aber mehrere Mechanismen, wie es hierbei zu Fehlern kommen kann: 1. Availability („Verfügbarkeit“): Als wahrscheinlich wird das erachtet, was uns als Erstes in den Sinn kommt. Ein allgemeines Beispiel hierfür ist z. B., dass uns auf die Frage, ob es mehr deutsche Wörter mit dem Buchstaben „R“ an erster vs. an dritter Stelle gibt, spontan mehr Wörter einfallen, die mit einem „R“ beginnen (diese sind „verfügbarer“). So ist es auch mit Diagnosen – meistens kommt uns eine bestimmte Diagnose sofort in den Sinn (sie „springt uns an“ – und häufig genug ist sie auch richtig), wohingegen z. B. eine systematische Analyse von Symptomen, Befunden und epidemiologischen Häufigkeiten häufig nicht erfolgt. 2. Anchoring („Verankerung“): Eine einmal getroffene Einschätzung wird nicht mehr verlassen; im medizinischen Kontext bedeutet dies insbesondere, dass, nachdem eine Diagnose einmal gestellt ist, wir dazu nicht passende Befunde nicht genügend berücksichtigen (geistig „in den Skat drücken“ – dann auch als 3. Premature closure bezeichnet). 4. Framing („Einrahmen“): Insbesondere bei komplexen Zusammenhängen wird unsere Entscheidung davon geleitet, wie uns die Information präsentiert wird. Dies spielt nicht nur bei der Diagnosestellung eine Rolle, sondern auf Patientenseite insbesondere bei der Entscheidung für die eine oder andere Therapie: Wird eine Therapie mit 5% Mortalität angegeben, wird sie weniger hä","PeriodicalId":50832,"journal":{"name":"Aktuelle Neurologie","volume":"44 1","pages":"710 - 711"},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"2017-12-01","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"https://sci-hub-pdf.com/10.1055/S-0043-121998","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"48692281","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}
Zusammenfassung Das Miller-Fisher-Syndrom (MFS) ist eine akute entzündliche demyelinisierende Polyneuropathie. Es handelt sich um eine Variante des Guillain-Barré-Syndroms. Das MFS zeichnet sich durch die klassische Symptomtrias mit Ophthalmoplegie, Ataxie und Areflexie aus 1. In der Literatur wird überwiegend über eine externe Ophthalmoplegie berichtet. Wir berichten hier über einen 58-jährige Patienten, der sich wegen Doppelbilder nach einem schweren grippalen Infekt vorstellte. Klinisch neurologisch fand sich bei der Aufnahme sowohl eine interne als auch eine externe Ophthalmoplegie mit Anisokorie, Areflexie und Ataxie. Im Labor ließen sich Anti-GQ1b-IgG-AK nachweisen, elekroneurografisch zeigte sich eine vorwiegend axonale sensomotorische Polyneuropathie. Die wiederholte Liquorpunktion ergab eine zytoalbuminäre Dissoziation. Durch die Behandlung mit intravenösen Immunglobulinen kam es zur Erholung.
{"title":"Miller-Fisher-Syndrom mit Anisokorie und interner Ophthalmoplegie","authors":"R. Abdelnaby, M. Joachim","doi":"10.1055/s-0043-122377","DOIUrl":"https://doi.org/10.1055/s-0043-122377","url":null,"abstract":"Zusammenfassung Das Miller-Fisher-Syndrom (MFS) ist eine akute entzündliche demyelinisierende Polyneuropathie. Es handelt sich um eine Variante des Guillain-Barré-Syndroms. Das MFS zeichnet sich durch die klassische Symptomtrias mit Ophthalmoplegie, Ataxie und Areflexie aus 1. In der Literatur wird überwiegend über eine externe Ophthalmoplegie berichtet. Wir berichten hier über einen 58-jährige Patienten, der sich wegen Doppelbilder nach einem schweren grippalen Infekt vorstellte. Klinisch neurologisch fand sich bei der Aufnahme sowohl eine interne als auch eine externe Ophthalmoplegie mit Anisokorie, Areflexie und Ataxie. Im Labor ließen sich Anti-GQ1b-IgG-AK nachweisen, elekroneurografisch zeigte sich eine vorwiegend axonale sensomotorische Polyneuropathie. Die wiederholte Liquorpunktion ergab eine zytoalbuminäre Dissoziation. Durch die Behandlung mit intravenösen Immunglobulinen kam es zur Erholung.","PeriodicalId":50832,"journal":{"name":"Aktuelle Neurologie","volume":"45 1","pages":"387 - 390"},"PeriodicalIF":0.0,"publicationDate":"2017-11-23","publicationTypes":"Journal Article","fieldsOfStudy":null,"isOpenAccess":false,"openAccessPdf":"https://sci-hub-pdf.com/10.1055/s-0043-122377","citationCount":null,"resultStr":null,"platform":"Semanticscholar","paperid":"43663518","PeriodicalName":null,"FirstCategoryId":null,"ListUrlMain":null,"RegionNum":0,"RegionCategory":"","ArticlePicture":[],"TitleCN":null,"AbstractTextCN":null,"PMCID":"","EPubDate":null,"PubModel":null,"JCR":null,"JCRName":null,"Score":null,"Total":0}